Drucksache 16/2286 02. 05. 2013 Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 12. Juni 2013 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Michael Wäschenbach (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur Drogenmissbrauch mit K.-o.-Tropfen Die Kleine Anfrage 1492 vom 8. April 2013 hat folgenden Wortlaut: Aufgrund der Presseberichterstattung zur Verwendung und zum Handel von sogenannten K.-o.-Tropfen frage ich die Landesregierung : 1. Wie viele Fälle von Drogenmissbrauch mit K.-o.-Tropfen (z. B. Liquid-Ecstasy) sind in Rheinland-Pfalz in den letzten vier Jah- ren (2010, 2011, 2012 und 2013) bekannt geworden? 2. Wie viele und welche staatlichen Maßnahmen wurden zu diesen Fällen eingeleitet (z. B. Ermittlungsverfahren, Durchsuchun- gen, Verurteilungen)? 3. Welche Gesundheitsbeeinträchtigungen wurden akut ausgelöst und in wie vielen Fällen bestand Lebensgefahr? 4. Welches sind bevorzugte Örtlichkeiten bzw. Milieus für die Verabreichung oder Verwendung von K.-o.-Tropfen? 5. Wie ist die Altersstruktur der Täter – sofern festgestellt – und der Opfer? 6. Welchen besonderen Handlungsbedarf über die vielfachen Präventivmaßnahmen hinaus sieht die Landesregierung? Das Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 2. Mai 2013 wie folgt beantwortet: Als „K.-o.-Tropfen“ werden umgangssprachlich insbesondere die Substanzen – Gamma-Hydroxy-Buttersäure (GHB), – Gamma-Butyrolacton (GBL), – 1,4-Butandiol oder auch – Benzodiazepine (z. B. Flunitrazepam) bezeichnet. „Liquid Ecstasy“ werden in der Rauschgiftszene Stoffe mit dem Wirkmuster von GHB genannt. Dies ist jedoch aufgrund einer gänzlich anderen chemischen Struktur und pharmakologischen Wirkung gegenüber den in Ecstasy-Tabletten enthaltenen AmphetaminDerivaten irreführend. Während GHB unter die Bestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) fällt, unterliegen Substanzen wie GBL und 1,4-Butandiol im Handel lediglich der freiwilligen Selbstkontrolle der chemischen Industrie (Monitoring). Strafrechtliche Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit diesen Stoffen sind aber bei erkennbarer Missbrauchsabsicht nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) möglich. Zu Frage 1: In der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) werden die genannten Stoffe nicht gesondert erfasst. Die nachfolgenden Angaben entstammen der Falldatei Rauschgift (FDR) auf der Grundlage des Sondermeldedienstes für Rauschgiftkriminalität. Drucksache 16/2286 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Nachfolgend ist die Zahl der Ermittlungsverfahren in Rheinland-Pfalz dargestellt, in denen entweder durch Sicherstellung oder nach den Aussagen von Beteiligten die Substanzen GHB, GBL, 1,4-Butandiol oder die Szenebezeichnung „Liquid Ecstasy“ relevant waren. 2010 2011 2012 2013 10 Fälle 20 Fälle 11 Fälle Bisher keine Fälle. Auch die rheinland-pfälzische Justiz führt keine Statistiken über Ermittlungs- oder Strafverfahren, in denen der Verdacht bestanden hat, es könnten heimlich K.-o.-Tropfen verabreicht worden sein. Ebenso wenig wird im Falle des Handeltreibens oder des sons - tigen Verwendens von Betäubungsmitteln eine differenzierte Statistik geführt, die Rückschlüsse auf die Art der Substanz zulassen würde. Die Fragestellungen der Kleinen Anfrage konnten daher nur aus der Erinnerung der Dezernentinnen und Dezernenten der Staatsanwaltschaften beurteilt werden. Für den angefragten Zeitraum wird von zwei Fällen berichtet, in denen der Verdacht der Abgabe von entsprechenden Präparaten bestanden hat. Zudem waren etwa zwanzig Ermittlungsverfahren in Erinnerung, bei denen wegen unerlaubtem Besitz entsprechen - der Substanzen ermittelt worden ist. *) Davon zu trennen sind die Ermittlungsverfahren, in denen von Frauen oft im Zusammenhang mit einem (vermuteten) Sexualdelikt der Verdacht geäußert worden ist, ihnen seien heimlich K.-o.-Tropfen verabreicht worden. Die Staatsanwaltschaften berichten aus der Erinnerung von insgesamt etwas mehr als 100 entsprechenden Ermittlungsverfahren in dem angefragten Zeitraum 2010 bis 2013. Ein Nachweis, dass es tatsächlich zur Verabreichung von solchen Substanzen gekommen ist, konnte dabei allerdings in kaum einem dieser Fälle geführt werden. Zu Frage 2: In allen genannten Fällen haben die Strafverfolgungsbehörden Ermittlungsverfahren eingeleitet. Die Einleitung der in Frage 1 aufgezeigten polizeilichen Ermittlungsverfahren erfolgte nach dem Betäubungsmittelgesetz (Substanz GHB), sofern nicht auch andere Betäubungsmittel relevant waren. In den weitaus meisten Fällen hat die Polizei im Rahmen von Personenkontrollen oder Wohnungsdurchsuchungen jedoch auch weitere Rauschgifte bei den Beschuldigten aufgefunden. Im Berichtszeitraum 2010 bis 2013 hat die Polizei in vier Fällen richterliche Durchsuchungsbeschlüsse ausschließlich aufgrund eines Tatverdachtes im Zusammenhang mit GHB vollstreckt. Nach dem Bericht der staatsanwaltschaftlichen Praxis richteten sich in den Fällen des Verdachts heimlicher Verabreichung die Ermittlungen oft gegen Unbekannt, weil der mutmaßliche Täter nicht ermittelt werden konnte. In den Verfahren wegen Besitzes und/oder Handeltreibens mit diesen Substanzen seien Durchsuchungsmaßnahmen durchgeführt worden. In einem der Fälle wegen Handeltreibens seien gegen zwei Beschuldigte Haftbefehle erlassen und beide zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. In dem anderen Fall des Verdachts des Handeltreibens sei das Verfahren gemäß § 170 Absatz 2 Strafprozessordnung eingestellt worden. In den Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der heimlichen Verabreichung seien den Anzeigeerstatterinnen in der Regel Blutproben entnommen und sie seien ärztlich untersucht worden. Sofern sich das Verfahren gegen bekannte Personen richtete, sei es teilweise auch zu Durchsuchungsmaßnahmen gekommen. In einigen wenigen dieser Fälle sei auch eine Verurteilung wegen Körper - verletzung und/oder eines Sexualdelikts erfolgt. Zu Frage 3: In kleinen Dosen wirken die Stoffe stimulierend, euphorisierend und aufputschend. In höheren Dosen wirken GHB und vergleichbare Substanzen sedierend und einschläfernd. Als Nebenwirkungen können Schwindel, Übelkeit und Erbrechen, aber auch erhöhte Aggressivität, akute Erregungs- und Angstzustände sowie Krämpfe auftreten. In Kombination mit Alkohol kann es zu Bewusstseinstrübungen und Erinnerungslücken bis hin zu einer Amnesie kommen. Überdosierungen der Stoffe, meinst in Kombination mit Alkohol und anderen Drogen, können zu Atemdepressionen und zum Atemstillstand führen. Im Berichtszeitraum sind in Rheinland-Pfalz in sieben Fällen gesundheitliche Beeinträchtigungen bei den Konsumenten von GBL oder GHB polizeilich bekannt geworden. In sechs Fällen sind die Konsumenten auf der Straße, in einem Hauseingang oder in der eigenen Wohnung hilflos aufgefunden und einer (not-)ärztlichen Behandlung zugeführt worden. Im Jahr 2011 verstarben in Rheinland-Pfalz zwei bereits polizeilich bekannte Konsumenten infolge des Missbrauchs von GHB/GBL. 2 *) Über diese Verfahren hinaus hat eine Staatsanwaltschaft neben den üblicherweise unter den Begriff K.-o.-Tropfen fallenden Subtanzen GHB und GBL auch von 30 weiteren Verfahren berichtet, in denen der Verdacht des Besitzes der Substanzen Flunitrazepam (Rohypnol) und Diazepam bestand. Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/2286 Zu Frage 4: Das Ergebnis der Auswertung der polizeilich bekannt gewordenen Fälle in Bezug auf die relevanten Tatörtlichkeiten stellt sich wie folgt dar: – In 17 Ermittlungsverfahren lag der Tatort in der Wohnung, im Treppenhaus oder im Hauseingang des Wohnbereichs, – in weiteren 24 Fällen hat die Polizei entsprechende Sachverhalte bei Personen- oder Verkehrskontrollen im öffentlichen Raum (u. a. öffentliche Verkehrsmittel oder Veranstaltungen) festgestellt und – in einem Fall konnte als Tatort eine Schule ermittelt werden. Nach Angaben der Staatsanwaltschaften sind Discotheken, öffentlich zugängliche Gaststätten, Shisha-Bars, Weinfeste, Festivals und andere Großveranstaltungen bevorzugte Örtlichkeiten oder Milieus für die Verabreichung oder Verwendung von K.-o.-Tropfen. Nach den Erkenntnissen der Polizei lassen sich bevorzugte Milieus nicht sicher feststellen. Aus einem Ermittlungsverfahren im Jahr 2011 sei beispielsweise bekannt geworden, dass GHB offenbar auch in „Swinger Kreisen“ konsumiert wird. Zu Frage 5: Nach den Erkenntnissen der staatsanwaltschaftlichen Praxis richtete sich in den Fällen des Verdachts der heimlichen Verabreichung der Tatverdacht zumeist gegen jüngere Männer im Alter von etwa 15 bis 30 Jahren. Die mutmaßlichen Opfer seien überwiegend junge Frauen im Alter von etwa 16 bis 25 Jahren gewesen. Die Männer, gegen die wegen des Verdachts des Handeltreibens mit diesen Substanzen ermittelt worden ist, seien zwischen 35 und 49 Jahre alt gewesen. Zu Frage 6: Die gezielte Aufklärung über die Gefahren von K.-o.-Tropfen wie auch die Beratung und Unterstützung der Opfer sind der Landes - regierung nach wie vor ein wichtiges Anliegen. Mit vielfältigen Kampagnen haben die Behörden sowie freie Träger in den vergange - nen Jahren auf die Gefahren von K.-o.-Tropfen, Symptome und Folgen für die Gesundheit aufmerksam gemacht und über Hilfeund Beratungsangebote informiert. Die Fortführung der zahlreichen Präventionsmaßnahmen, insbesondere die Aufklärung über die mit dem Konsum dieser Substanzen verbundenen Gefahren, genießt auch in Zukunft hohe Priorität. Ein Schwerpunkt wird dabei auch die Aufklärung darüber bilden , dass K.-o.-Tropfen nur sehr kurze Zeit im Blut und Urin nachweisbar sind und deshalb eine sehr zeitnahe Anzeigeerstattung erforderlich ist. Anlass für gesetzgeberischen Handlungsbedarf im strafrechtlichen Bereich wird derzeit nicht gesehen. Es ist kein Fall bekannt, der deshalb nicht hätte geahndet werden können, weil er nicht von einem der bestehenden Straftatbestände im Strafgesetzbuch, dem Betäubungs- oder Arzneimittelgesetz erfasst worden wäre. Roger Lewentz Staatsminister 3