Drucksache 16/2452 13. 06. 2013 K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Michael Wäschenbach (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie Missbrauch mit dem Arzneistoff Ketamin u. a. (Narkosemittel) als Droge Die Kleine Anfrage 1613 vom 24. Mai 2013 hat folgenden Wortlaut: Aufgrund der Presseberichterstattung zur missbräuchlichen Verwendung und zum „illegalen“ Handel des o. g. Arzneistoffes Ketamin frage ich die Landesregierung: 1. Wie viele Fälle von Missbrauch mit dem Notfall-Arzneistoff bzw. Narkosemittel Ketamin sind in Rheinland-Pfalz in den letz- ten vier Jahren (2010, 2011, 2012 und 2013) bekannt geworden? 2. Wie viele und welche Maßnahmen wurden zu diesen Fällen eingeleitet (z. B. Ermittlungsverfahren, Durchsuchungen, Verurtei- lungen)? 3. Gibt es im Bereich der Veterinärmedizin besondere Aufbewahrungs- und Nachweisvorschriften für Ketamin? 4. Gibt es bei der Verwendung eindeutige Gebrauchsmuster (z. B. Partydroge, Psychotherapie, Esoterik)? 5. Welchen Handlungsbedarf sieht die Landesregierung hinsichtlich der Einstufung von Ketamin als Droge, um dies nach dem Betäubungsmittelgesetz einstufen zu können? Das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 13. Juni 2013 wie folgt beantwortet: Das Arzneimittel Ketamin enthält einen pharmakologisch hoch wirksamen Stoff, der in der Allgemeinanästhesie zur Einleitung und Durchführung einer Vollnarkose, als Ergänzung bei Regionalanästhesien und als Anästhetikum und Analgetikum in der Notfallmedizin zugelassen ist. In der Allgemeinanästhesie wird Ketamin dabei oft in Kombination mit einem Hypnotikum eingesetzt, während in der Kinderchirurgie und in der Notfallmedizin sein Einsatz ohne Hypnotika überwiegt. Ketamin besitzt neben seiner Zulassung für den Einsatz in der Humanmedizin auch eine tierarzneimittelrechtliche Zulassung und ist in der Veterinärmedizin ein geschätztes und häufig genutztes Narkotikum bei zahlreichen operativen Eingriffen. In letzter Zeit ist in der Presse vermehrt über einen Missbrauch von Ketamin in der Drogen- und Partyszene zu lesen, wo dieser Stoff unter den Bezeichnungen: „Special K“, „Vitamin K“, „Kate“ oder einfach „K“ wegen seiner halluzinogenen Nebenwirkungen – insbesondere in der Technoszene – gehandelt und zur Bewusstseinserweiterung missbräuchlich konsumiert wird. Die Landesregierung nimmt diese Berichte sehr ernst. Zu 1.: Eine Angabe genauer Fallzahlen ist der Landesregierung nicht möglich. Die rheinland-pfälzische Polizei hat gemäß der Falldatei Rauschgift in den Jahren 2010 bis 2013 acht Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) beziehungsweise das Arzneimittelgesetz (AMG) geführt, in deren Zusammenhang auch der Stoff Ketamin Gegenstand der Ermittlungen war. Bei der Justiz hingegen werden keine Statistiken geführt, in denen nach Arten und Mengen von Betäubungs- beziehungsweise Arzneimitteln differenziert wird. Insbesondere weisen weder die Verfahrensstatistik der Staatsanwaltschaften noch die Strafverfolgungsstatistik aus, aufgrund welcher konkreten Substanzen Ermittlungsverfahren wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittel- Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 12. Juli 2013 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/2452 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode gesetz beziehungsweise das Arzneimittelgesetz geführt wurden beziehungsweise entsprechende Verurteilungen erfolgten. Aus diesem Grund existieren auch keine statistischen Daten zu Ermittlungs- beziehungsweise Strafverfahren, die eine missbräuchliche Verwendung von Ketamin zum Gegenstand haben oder hatten. Die Antworten der Staatsanwaltschaften des Landes auf eine entsprechende Abfrage beruhen deshalb nur auf der Erinnerung der Dezernentinnen und Dezernenten der Staatsanwaltschaften. Ein Leitender Oberstaatsanwalt hat von einem Ermittlungsverfahren berichtet, in dem im November 2011 anlässlich einer Polizeikontrolle neben anderen Betäubungsmitteln auch zwei Injektionsfläschchen mit je 10 ml Ketamin Inresa sichergestellt worden waren. Die übrigen Staatsanwaltschaften konnten keine konkreten Verfahren benennen. Insgesamt dürfte nach vorsichtiger Einschätzung im angefragten Zeitraum im Bereich der Justiz von geringen Fallzahlen im Zusammenhang mit der missbräuchlichen Verwendung von Ketamin auszugehen sein. Zu 2.: In Deutschland unterliegt Ketamin nicht den Bestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes. Der illegale Handel beziehungsweise die illegale Abgabe von Ketamin stellt aber insbesondere einen Verstoß gegen § 95 Absatz 1 Nummer 4 des Arzneimittelgesetzes dar und kann mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe geahndet werden. In dem in der Antwort zu Frage 1 geschilderten Ermittlungsverfahren wurde der insoweit in Betracht kommende Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz im Hinblick auf schwerwiegendere Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz und die fehlende Relevanz für die zu erwartende Strafe eingestellt und gelangte deshalb nicht zur Anklage. Andere Ermittlungsmaßnahmen oder Verurteilungen waren den Staatsanwaltschaften nicht erinnerlich. Da Ketamin nach bisherigen Erkenntnissen regelmäßig neben beziehungsweise zusammen mit anderen Betäubungsmitteln eingenommen wird (sogenannter Beikonsum), könnte diese Fallgestaltung im Ergebnis häufiger dazu führen, dass Verurteilungen im Zusammenhang mit der missbräuchlichen Verwendung von Ketamin nicht erfolgen. Dies hat aber keine Auswirkungen auf die Höhe der verhängten Strafe. In einem der geführten Ermittlungsverfahren hat die Polizei einen Durchsuchungsbeschluss für die Wohnung des Beschuldigten vollstreckt. Zu möglichen Verurteilungen liegen der rheinland-pfälzischen Landesregierung keine Informationen vor. Zu 3.: Ketamin wird in der Veterinärmedizin häufig besonders bei der Behandlung von Kleintieren zur Narkotisierung eingesetzt. Dabei unterliegt dieser Stoff, der Bestandteil einer Vielzahl von Tierarzneimitteln ist, den für verschreibungspflichtige Tierarzneimittel geltenden und üblichen Dokumentationsanforderungen. Spezielle Regelungen zum Nachweis der Aufbewahrung und des Einsatzes von Ketamin in der Veterinärmedizin existieren nicht. Der rheinland-pfälzischen Landesregierung liegen diesbezüglich daher keine gesicherten Erkenntnisse vor. Für den illegalen Konsum wird Ketamin als Pulver, Tablette und Flüssigkeit vertrieben. Es wird nach Darstellung des Bundeskriminalamtes (BKA) geschluckt, gespritzt oder in kristalliner Form auch nasal konsumiert. Eindeutige Gebrauchsmuster sind anhand der geringen Fallzahlen in Rheinland-Pfalz nicht abzuleiten. Ketamin wird nach den der Landesregierung vorliegenden Erkenntnissen häufig in der Party- und Technoszene als Beikonsum zu dort verbreiteten Rauschgiftarten (zum Beispiel Kokain, Amphetamin , Ecstasy-Tabletten) genutzt. Zu 5.: Vor dem Hintergrund der geringen Fallzahlen in Rheinland-Pfalz und den vorhandenen strafbewehrten Sanktionsmöglichkeiten im Arzneimittelgesetz sieht die Landesregierung derzeit keinen Handlungsbedarf, Ketamin dem Betäubungsmittelgesetz und seinen Anforderungen zu unterstellen. Dadurch würde der indikations- und legale Einsatz von Ketamin in der Tier- und Humanmedizin unangemessen erschwert. Gleichwohl wird die Landesregierung die weitere Entwicklung bei der missbräuchlichen Verwendung von Ketamin sorgfältig beobachten. Der missbräuchliche Konsum von Ketamin scheint europaweit und auch weltweit zuzunehmen, weshalb sich die Vertreter Chinas, Großbritanniens, Japans, Thailands und des Sudan anlässlich der Sitzung der Suchtstoffkommission der Vereinten Nationen vom 11. bis 15. März 2013 in Wien für eine strengere Kontrolle von Ketamin ausgesprochen haben. Ketamin findet sich derzeit noch nicht auf den Verbotslisten der Vereinten Nationen, ist aber in verschiedenen Staaten der Welt als Betäubungsmittel klassifiziert. Alexander Schweitzer Staatsminister