Drucksache 16/2622 24. 07. 2013 Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 21. August 2013 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode K l e i n e A n f r a g e der Abgeordnete Bettina Brück, Ingeborg Sahler-Fesel, Monika Fink, Hans Jürgen Noss und Astrid Schmitt (SPD) und A n t w o r t des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur Störfälle Cattenom Die Kleine Anfrage 1722 vom 4. Juli 2013 hat folgenden Wortlaut: Vor wenigen Tagen hat sich wieder einmal im französischen Reaktor Cattenom ein Störfall ereignet. Darüber hinaus begann vor kurzem der letzte Teil einer Übung für den Ernstfall, welche vor einem Jahr begonnen worden war. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über den Vorfall im Kraftwerk Cattenom aus der vergangenen Woche? 2. Aus welchem Grund wurden die rheinland-pfälzischen Behörden mit Zuständigkeit für den Bevölkerungsschutz nicht auf dem üblichen Meldeweg über den Störfall in Kenntnis gesetzt? 3. Wie bewertet die Landesregierung die Zusammenarbeit mit den Nachbarregionen beim Umgang mit der im vergangenen Jahr begonnenen und nun mit ihrem dritten und letzten Teil abgeschlossenen Übung für den Ernstfall im Kraftwerk Cattenom? Das Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 20. Juli 2013 wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Die Landesregierung geht davon aus, dass die gestellten Fragen (Frage 1 und Frage 2) das Ereignis am 7. Juni 2013 betreffen, nämlich den Brand eines Transformators in Block 1 des Atomkraftwerks (AKW) Cattenom. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Zu Frage 1: Am 7. Juni 2013 gegen 13.30 Uhr ereignete sich ein Brand im AKW Cattenom. Betroffen war Block Nr. 1 außerhalb des nuklearen Bereichs. Der Eigenbedarfs-Transformator des Reaktors hatte Feuer gefangen. Aufgrund des Ölbrandes war weithin schwarzer Rauch über dem AKW zu sehen. Der Reaktor wurde automatisch abgeschaltet und der interne, konventionelle Notfallplan für das Atomkraftwerk ausgerufen. Die Feuerwehr hatte den Brand nach Aussagen der französischen Atomaufsichtsbehörde (ASN) bis zum Nachmittag des 7. Juni 2013 unter Kontrolle gebracht. Der Betreiber des AKW Cattenom teilte am 11. Juni 2013 ergänzend mit, dass der interne Notfallplan für Block Nr. 1 am Morgen des 9. Juni 2013 aufgehoben worden sei. Der Brand habe keine Verletzten gefordert und keine Auswirkungen auf die Umwelt gehabt. Die Untersuchungen zur Ursache des Brandes sind nach Kenntnis der Landesregierung noch nicht abgeschlossen. Zu Frage 2: Nach Auffassung der französischen Seite handelte es sich bei dem Vorfall um ein Ereignis, bei dem keine radiologischen Folgen zu befürchten waren. Deshalb wurde nur der interne und nicht der externe Alarmplan für das AKW Cattenom ausgelöst. Dies bedeutet, Drucksache 16/2622 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode dass eine Information bzw. Alarmierung der zuständigen rheinland-pfälzischen Behörden über die festgelegten Meldewege mittels des satellitengestützen Informations- und Alarmierungssystem SELCA (Systeme d’échange et de liaison entre Cattenom et les autorités) unterblieben ist. Bedauerlicherweise wurden die für den Katastrophenschutz zuständigen rheinland-pfälzischen Behörden auch nicht auf anderen Kommunikationswegen über den Vorfall zeitnah informiert. Erst am 11. Juni 2013 haben diese eine offizielle Mitteilung erhalten, in der Angaben zu dem Brandereignis enthalten waren. Die Landesregierung ist der Auffassung, dass die Informationsweitergabe seitens der französischen Partner optimiert werden muss, und hat das Ereignis zum Anlass genommen, gemeinsam mit der saarländischen Landesregierung den Präfekten der Präfektur Moselle auf diese aus rheinland-pfälzischer und saarländischer Sicht völlig unzureichende Informationspolitik der französischen Seite hinzuweisen. Dieser hat den Vorschlag der beiden Landesregierungen aufgegriffen und erklärt, eine bereits im Jahr 2003 formulierte Vereinbarung zu einem verbesserten Informationsaustausch, die auf der Grundlage der „Vereinbarung zwischen der Regie - rung der französischen Republik und der Regierung der Bundesrepublik Deutschland über den Informationsaustausch bei Vorkommnissen oder Unfällen, die radiologische Auswirkungen haben können“ (vom 28. Januar 2013) abgeschlossen werden sollte, nunmehr zu unterzeichnen. In diesem Vereinbarungsentwurf sind alle Verfahren beschrieben, die einen optimalen Informationsfluss auch bei nicht-nuklearen Störfällen und eine zufriedenstellende Information aller beteiligten Behörden gewährleisten. Dazu sind jedoch noch Gespräche mit dem Betreiber des AKW Cattenom, der Électricité de France (EDF), erforderlich. Dabei ist besonders wichtig, dass die betroffenen Dienststellen spätestens mit der Öffentlichkeit informiert werden. Darüber hinaus hat Frau Ministerin Lemke in einem Schreiben an Bundesumweltminister Altmaier auf die Einhaltung der völkerrechtlich vereinbarten Informationsverpflichtungen seitens der französischen Partner gedrängt. Zu Frage 3: Die Behörden der Großregion haben vor dem Hintergrund der radiologischen Ereignisse von Fukushima erstmals eine dreiteilige grenzüberschreitende Notfallschutzübung (Exercices nucléaires 3 en 1) unter Beteiligung aller Partner der Großregion durchgeführt. Ziel der Übung war eine verbesserte grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Krisenstäbe in der Großregion. Diese Übung beinhaltete nicht nur Katastrophenschutzmaßnahmen, sondern auch Maßnahmen der Strahlenschutzvor- und -nachsorge. Vorbehaltlich einer detaillierten Auswertung des dritten Teils der Übung durch die Partner der Großregion kann bereits zum jetzigen Zeitpunkt festgestellt werden, dass die Zusammenarbeit der Krisenstäbe gut funktioniert hat. Leichte Verzögerungen gab es bei der Abstimmung gemeinsamer Maßnahmen, was insbesondere auf die Sprachbarriere zurückzuführen ist. Insoweit wäre es wünschenswert, wenn künftig in allen Krisenstäben zweisprachige Kräfte eingesetzt würden, sodass keine Zeit durch Übersetzungen verloren geht. Auch die Zusammenarbeit und Abstimmung aller Beteiligten bei der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, was ein Schwerpunkt der Übung war, hatte im Wesentlichen gut funktioniert. Ein weiterer Übungszweck war das Verständnis für teilweise unterschiedliche Einsatzkonzepte. Dadurch soll erreicht werden, dass die insoweit unterschiedlichen Ansätze der Einsatzbewältigung im Ernstfall so weit wie möglich aufeinander abgestimmt werden. Auch das ist bei der Übung gelungen. Weitere Verbesserungen könnten durch die Nutzung einheitlicher Kommunikationssysteme – etwa für Videokonferenzen – erreicht werden. Das wichtigste „Nebenprodukt“ der Übung war aber, dass sich die jeweils zuständigen Akteure teilweise persönlich kennen gelernt haben. Dies wird nach Einschätzung der Landesregierung sehr positive Auswirkungen auf die künftige Zusammenarbeit haben. Die Übung hat erneut bestätigt, dass in einem Krisenfall einer grenzübergreifenden Abstimmung von Schutzmaßnahmen eine besondere Bedeutung für ein erfolgreiches Krisenmanagement zukommt. Aus der Sicht der Landesregierung ist die hierfür notwendige Zusammenarbeit der beteiligten Stäbe trotz der Sprachbarrieren gelungen. Die erfolgreiche Zusammenarbeit kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch der am besten organisierte Katastrophenschutz keine Sicherheit vor den Risiken der Atomkraft bieten kann. Die zahlreichen meldepflichtigen Ereignisse der letzten Zeit belegen, dass das AKW Cattenom ein erhebliches Risiko darstellt. Zu einer schnellstmöglichen und endgültigen Abschaltung des AKW Cattenom kann es daher keine Alternative geben. Die für die Atomaufsicht zuständige Wirtschaftsministerin Frau Lemke hat daher den Brand im AKW Cattenom zum Anlass genommen, um Herrn Bundesumweltminister Altmaier erneut aufzufordern, sich bei der französischen Regierung für die baldmöglichste und endgültige Schließung des Atomkraftwerks einzusetzen. Die rheinland-pfälzische Landesregierung wird auch weiterhin alles in ihrer Macht Stehende unternehmen, um eine möglichst rasche Abschaltung und eine dauerhafte Stilllegung des AKW Cattenom zu erreichen. Roger Lewentz Staatsminister