Drucksache 16/2640 26. 07. 2013 Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 29. August 2013 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Andreas Hartenfels und Dietmar Johnen (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten Pflanzenschutzmittel-Einsätze in Rheinland-Pfalz Die Kleine Anfrage 1735 vom 3. Juli 2013 hat folgenden Wortlaut: Die zunehmende Verwendung von Pflanzenschutzmitteln in den unterschiedlichen Einsatzbereichen, etwa Landwirtschaft, HobbyGärtnerei oder Wohnbau, sorgt für anhaltende Probleme insbesondere im Bereich des Gewässer- und Artenschutzes und stellt darüber hinaus eine potenzielle Gefährdung der Trinkwasserversorgung dar. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Welches sind regional betrachtet die Haupteinsatz- und Hauptbelastungsgebiete von Pflanzenschutzmitteln in Rheinland-Pfalz? 2. Gab es in den letzten drei Jahren Auffälligkeiten oder Überschreitungen von einzelnen Pestizid-Grenzwerten an rheinland-pfäl- zischen Trinkwasser-Messstellen oder im Bereich von Oberflächengewässern? Wenn ja, an welchen? 3. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um Alternativen zum Pestizideinsatz zu entwickeln und in der Praxis umzu- setzen? 4. In welcher Form wird das von der EU-Kommission seit Dezember 2012 ausgesprochene Teilverbot für die drei Wirkstoffe (Clo- thianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam) aus der Gruppe der Noenicotinoide überwacht? 5. In welchen Bereichen wird der Wirkstoff Glyphosat in Rheinland-Pfalz zur Anwendung gebracht? 6. Am 17. April 2013 klagten im hessischen Friedrichsdorf ein benachbarter Landwirt und mehrere hinzugerufene Einsatzkräfte über gesundheitliche Beschwerden, nachdem ein naheliegendes Rapsfeld mit zwei verschiedenen Pflanzenschutzmitteln behandelt worden war. Gab es vergleichbare Unfälle in Rheinland-Pfalz? Und wenn ja, welche Konsequenzen wurden gezogen? Das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 26. Juli 2013 wie folgt beantwortet: Zu Frage 1: In Rheinland-Pfalz findet in der Landwirtschaft ein vergleichsweise moderater Pflanzen schutzmitteleinsatz statt. Dies trifft in besonderem Maße für die Ackerbaukulturen zu. Im Ackerbau sind höhere Pflanzenschutzintensitäten lediglich in Zuckerrüben (Fungi - zide), Kartoffeln (Fungizide) und Raps (Insektizide) zu verzeichnen. Im Obstbau wird vor allem Kernobst intensiver mit Fungiziden behandelt. Der Weinbau ist ebenfalls gekennzeichnet durch einen intensiven Fungizideinsatz. Im Haus- und Kleingartenbereich werden in nicht bekanntem Umfang Pflanzenschutz mittel eingesetzt. Regional betrachtet sind die Haupteinsatzgebiete für Pflanzenschutzmittel in der Land wirtschaft die Sonderkulturflächen in den großen Flusstälern, der Pfalz und Rheinhessen und im Raum Bad Neuenahr-Ahrweiler, sowie die intensiv genutzten Hackfruchtanbaugebiete im Maifeld, in Rheinhessen und der Vorder- und Südpfalz. Ferner finden verschiedene Pflanzenschutzmittelwirkstoffe auch in Bioziden Verwendung. Biozide werden sowohl in der Landwirtschaft (z. B. zur Fliegenbekämpfung in Ställen) als auch verbreitet außerhalb der Landwirtschaft (vor allem in Baumaterialien, Fassadenfarben, Mittel gegen Algen etc.) eingesetzt. Zu Frage 2: Vom 1. Januar 2010 bis zum 9. Juli 2013 wurden bei sechs öffentlichen Trinkwasserversorgungsunternehmen an einer Trinkwasser messstelle einmalig und kurzzeitig Grenzwerte für Pestizide überschritten. Es handelt sich um die Versorgungsunternehmen VGW Enkenbach-Alsenborn (Desethylatrazin), Wasserversorgung Rheinhessen-Pfalz GmbH, Nieder-Olm (Dicegulac), VDW Diez Drucksache 16/2640 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode (Isoproturon), Stadtwerke Remagen (Glyphosat), Wasserwerk der Stadt Neuenahr-Ahrweiler (Glyphosat), Zweckverband Trollmühle, Dorsheim (Glyphosat). Ferner wurden bei zwei Eigenversorgungsanlagen in Dietrichingen und Dreisen Grenzwertüberschreitungen (Desethylatrazin, Bromacil) festgestellt. In den letzten drei Jahren gab es Überschreitungen von Umweltqualitätsnormen an Oberflächengewässern. Betroffen waren folgende Gewässer: Appelbach, Eckbach, Isenach, Nothbach, Pfrimm, Selz und Wiesbach. Dabei wurden die Umweltqualitätsnormen von folgenden Pestizidwirkstoffen überschritten: MCPA, Dichlorvos, Diazinon, Diflufenican, Dimethoat, Isoproturon, Metribuzin, Pirimicarb und Bentazon. Zu Frage 3: Die Landesregierung sieht im ökologischen Landbau die umweltverträglichste und nachhaltigste Form der Landbewirtschaftung, bei der auf den Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel verzichtet wird und vorbeugende, nicht-chemische Methoden angewendet werden. Daher fördert sie die breite Umsetzung des ökologischen Landbaus in die Praxis. Die staatliche Beratung wurde in diesem Bereich verstärkt (Ausbau des Kompetenzzentrums Ökologischer Landbau, KÖL am DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück). Das Staatsweingut in Bad Kreuznach wurde als weltweit einziges Versuchsgut auf ökologischen Weinbau umgestellt. Ferner befindet sich ein Netz von Leitbetrieben zum ökologischen Landbau im Aufbau. Intensiv wird in den DLR an der Entwicklung und Praxiseinführung von nicht-chemischen Maßnahmen gearbeitet mit dem Ziel, den Pflanzenschutzmitteleinsatz zu verringern. Dies betrifft sowohl die Bekämpfung von Schadpflanzen als auch von Pilzkrankheiten und Insekten. Ein Schwerpunkt liegt hierbei auf mechanischen Verfahren zur Bekämpfung unerwünschter Pflanzen. So werden verschiedene Hackgeräte auf ihre Eignung in Reihenkulturen getestet (Gemüsebau, Heil- und Gewürzkräuteranbau). Im Gemüsebau wird versucht die Maschinenhacke durch Einsatz von GPS-Technik zu optimieren. Zur Minderung des Schadpflanzenauftretens im Gemüse - bau werden Verfahren der Saatbeet-Bereitung geprüft („Falsches Saatbeet“). Ferner wird hier an der Optimierung von Mulchfolien (Farbe, biologische Abbaubarkeit) zur Verhinderung des Auflaufes von Schadpflanzen gearbeitet Im Ackerbau werden in Zusam - men arbeit mit der Gesellschaft für Konservierende Bodenbearbeitung Strategien zur mechanischen Beseitigung von Ausfallgetreide und -raps nach der Ernte entwickelt, um den Einsatz von Glyphosat zu reduzieren. Das Land Rheinland-Pfalz betreibt ein umfangreiches Sortenversuchswesen, um die Nutzung von Resistenzen besonders gegen pilzliche Schaderreger zu propagieren. Im Ackerbau liegen die Schwerpunkte hierbei auf den Blatt- und Ährenkrankheiten im Getreide und den Blatt und Stängelkrankheiten im Raps. Die Beratung passt jährlich die Empfehlungen der anzubauenden Sorten an und empfiehlt keine Sorten mehr mit höherer Anfälligkeit gegen Schadpilze. Im vom Land Rheinland-Pfalz geförderten „Zukunftsprojekt Zuckerrübe“ werden Möglichkeiten der Reduktion von Fungizidanwendungen gegen Blattkrankheiten durch die Einführung toleranter bzw. resistenter Sorten untersucht. Im Weinbau wird der Anbau pilzwiderstandsfähiger Sorten und im Obstbau von Sorten mit geringerer Schorfanfälligkeit empfohlen. Ein Schwerpunkt der Versuchstätigkeit im Gemüsebau liegt auf der Testung von Sorten verschiedener Kulturen auf Resistenz gegen boden- und luftbürtige Pilzkrankheiten sowie gegen verschiedene Bakteriosen. Besonders im Kernobstanbau rät die Pflanzenschutzberatung intensiv zu Schnittmaßnahmen bei der Bekämpfung von Mehltau, Obstbaumkrebs und Feuerbrand. Biologische Bekämpfungsmaßnahmen gegen Schadinsekten oder -milben wurden mittlerweile erfolgreich in die Praxis eingeführt bzw. spielen in der Versuchstätigkeit des Pflanzenschutzdienstes eine wichtige Rolle. So erfolgt auf ca. zwei Dritteln der Rebfläche in Rheinland-Pfalz die Traubenwickler-Bekämpfung durch den Einsatz von Pheromonen („Verwirrungsmethode“; Förderung durch das Land). Im Wein- und Obstbau erfolgt die Spinnmilben- und teilweise Gallmilbenbekämpfung durch in die Anlagen eingebrachten natürlichen Gegenspieler (Raubmilben). Im Unterglasanbau basiert die Insektenbekämpfung mittlerweile weitgehend auf biologischen Verfahren. Im Feldgemüsebau nimmt aufgrund der intensiven Beratung der Einsatz von Kulturschutznetzen und -vliesen gegen verschiedene Schädlinge deutlich zu. Bei der Bekämpfung des Hauptschädlings im Apfelanbau, dem Apfelwickler, testet die Pflanzenschutzberatung Strategien, die auf dem Einsatz von Granulosevirus-Präparaten basieren. Im Kern- und Steinobstanbau wurden Leimfallen (Leimringe, RAMPA STOPP-Verfahren) zur Frostspanner-Bekämpfung und zur Reduktion von weiterem Schädlingsbefalls in die Praxis eingeführt. Ein zunehmendes Problem stellen Bodenschädlinge dar, besonders Drahtwürmer. Als Bekämpfungsmethode wird hier die „Biofumigation“ getestet, die Einarbeitung glucosinolathaltiger Zwischenfrüchte zur Abtötung der Larven. Im Maisanbau wird der Einsatz von Trichogramma-Schlupfwespen zur Bekämpfung des Maiszünslers gefördert. Im bereits erwähnten „Zukunftsprojekt Zuckerrübe“ wurde mit großem Erfolg die Bekämpfung des Rübennematoden durch resistente bzw. tolerante Zuckerrübensorten bzw. Zwischenfrüchte etabliert. Generell rät die Pflanzenbauberatung der DLR zu einer möglichst weitgestellten Fruchtfolge und zu einer verhaltenen und ausgewogenen Düngung, um eine Förderung von Unkräutern, Pilzkrankheiten und Schädlingen zu vermeiden. Im Zuge der Beratung zum Pflanzenschutzmitteleinsatz stehen die Beschränkung der Anwendungen auf das notwendige Maß (durch Warndiensterhebungen, Prognosemodelle) und die Reduktion der Aufwandmenge im Vordergrund. Speziell im Hinblick auf die Vermeidung von Pflanzenschutzmitteleinträgen in Gewässer wird derzeit ein Programm „Gewässerschonende Landbewirtschaftung “ entwickelt. 2 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/2640 Zu Frage 4: Mit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 485/2012 vom 24. Mai 2013 hat die EU-Kommission ein weitgehendes Verbot des Handels und der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, welche Thiamethoxam, Imidacloprid oder Clothianidin enthalten, verhängt . Das Verbot wird wirksam ab 1. Dezember 2013. Im Rahmen ihrer Kontrollen zum Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln führt die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion in Rheinland-Pfalz Kontrollen im Handel, auf landwirtschaftlichen Betrieben und bei der Anwendung (Felder, Anlagen) durch, bei denen auch die Einhaltung der Verbote gemäß VO (EU) Nr. 485/2012 überwacht werden. Zu Frage 5: Glyphosat-Mittel werden in Rheinland-Pfalz verbreitet in der Landwirtschaft eingesetzt. Haupteinsatzgebiet ist der Ackerbau (auch Feldgemüsebau). Glyphosat wird vor allem eingesetzt, um nach der Ernte einer Kultur Ausfallgetreide oder -raps und mehrjährige Unkräuter zu bekämpfen, und vor der Aussaat einer Kultur (meist Sommerungen), um Altverunkrautung oder über Winter nicht abgefrorene Zwischenfrüchte abzutöten („Mulchsaaten“). In sehr geringem Umfang kommt Glyphosat zum Einsatz in folgenden Anwendungsgebieten : Sikkation von Getreide und Raps, Rekultivierung von Stilllegungsflächen vor der Saat der Kultur, Grünlanderneuerung (Abtötung des Bestandes mit anschließender Neueinsaat) und Einzelpflanzenbehandlung auf Grünland (mit einem Dochtstreichgerät). Besonders durch die Zunahme der reduzierten, nicht wendenden Bodenbearbeitung (aus Gründen des Erosionsschutzes bzw. arbeits - technischen Gründen) hat die Glyphosat-Anwendung im Ackerbau in den vergangenen zehn Jahren stark zugenommen. Durch den Pflugverzicht werden Ausfallgetreide und -raps sowie bestimmte, mehrjährige/ausdauernde Unkrautarten gefördert. Im Sonderkulturbereich wird Glyphosat eingesetzt als Baumstreifenbehandlung bei Kern- und Steinobst, als Unterstockbehandlung im Weinbau, im Spargelanbau nach der Stechperiode, in Baumschulen und Weihnachtsbaumkulturen. Zahlreiche Glyphosat-Mittel sind als Kleinpackungen für den Haus- und Kleingartenbereich zugelassen. Einige Glyphosat-Mittel sind auch für den Einsatz auf Nichtkulturland (Flächen, die nicht landwirtschaftlich, gärtnerisch oder forstlich genutzt werden) zugelassen. Der Einsatz muss jedoch nach § 12 Abs. 2 Pflanzenschutzgesetz (Einzelfallgenehmigung) von der ADD genehmigt werden. Zu Frage 6: Vorfälle wie der geschilderte (17. April 2013 in Friedrichsdorf, Hessen) sind bisher in Rheinland-Pfalz nicht bekannt geworden. Ulrike Höfken Staatsministerin 3