Drucksache 16/2858 08. 10. 2013 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Petra Elsner und Anke Simon (SPD) und A n t w o r t des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur Proaktives Angebot zur verfahrensunabhängigen Spurensicherung bei sexuellem Missbrauch Die Kleine Anfrage 1901 vom 19. September 2013 hat folgenden Wortlaut: Die Forensische Ambulanz der Rechtsmedizin der Universität Mainz bietet vergewaltigten Frauen ein proaktives Angebot zur verfahrensunabhängigen Spurensicherung. Das Modellprojekt wird vom Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur finanziell gefördert. Frauen, die Opfer einer Vergewaltigung wurden, werden dort von Mitarbeitern untersucht, beraten, die Verletzungen werden dokumentiert und die „Pille danach“ kann verabreicht werden. Zusätzlich werden gerichtsverwertbar Verletzungs- und Täterspuren gesichert. Diese Dokumentation findet auch statt, wenn die Betroffene sich noch nicht dazu entschieden hat, Strafanzeige zu stellen. Durch die Dokumentation der Untersuchungsergebnisse wird ein späteres Strafverfahren ermöglicht. Es besteht ebenso die Möglichkeit, dass die Mitarbeiter der Forensischen Ambulanz der Rechtsmedizin der Universität Mainz die Opfer direkt aufsuchen , sodass diese nicht nach Mainz kommen müssen. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Hat die Landesregierung Kenntnis darüber, in wie vielen Fällen von dem proaktiven Angebot zur verfahrensunabhängigen Spurensicherung bei sexuellem Missbrauch bislang Gebrauch gemacht wurde? 2. Hat die Landesregierung Kenntnis darüber, ob und in welcher Form das proaktive Angebot zur verfahrensunabhängigen Spurensicherung anonymisiert ist? 3. Hat die Landesregierung Kenntnis darüber, wie lange die Untersuchungsergebnisse gespeichert werden und in wie vielen Fällen es nachträglich zur Strafanzeige gekommen ist? 4. Plant die Landesregierung, das Modellprojekt zukünftig landesweit auszubauen? Das Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 7. Oktober 2013 wie folgt beantwortet: Zu Frage 1: Das Angebot der Forensischen Ambulanz der Rechtsmedizin der Universität Mainz für eine verfahrensunabhängige Spurensicherung in Rheinland-Pfalz umfasst Opfer von Gewalt in engen sozialen Beziehungen und von sexualisierter Gewalt insgesamt und insbesondere auch Kinder. In den Jahren 2009 bis 2012 verzeichnete die Forensische Ambulanz die nachfolgenden Fallzahlen. Eine Differenzierung in einzelne Straftatengruppen erfolgt dabei nicht. Die aufgelisteten Gesamtfälle umfassen neben den in Spalte 3 aufgeführten eigenständigen Untersuchungen der Forensischen Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 14. November 2013 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Jahr Gesamtfälle Eigenständige Untersuchungen (inklusive Beratungen, Sichtung (inklusive Fotodokumentation Bildmaterial/Röntgenaufnahmen) und Asservierung) 2009 562 440 2010 650 541 2011 712 540 2012 756 538 Drucksache 16/2858 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Ambulanz auch Dienstleistungen für andere Stellen, wie z. B. Beratungen, Sichtungen von Bildmaterial und Röntgenaufnahmen. Zu Frage 2: Die Befunde, Dateien der Fotodokumentation und Asservate werden entsprechend den Qualitätsmanagement-Richtlinien der am Institut für Rechtsmedizin bestehenden Akkreditierung nach DIN EN ISO/IEC 17025 geschützt gesichert. Unbefugte haben keinen Zugriff. Eine darüber hinausgehende Anonymisierung erfolgt nicht. Sie würde einer späteren, durch die Betroffenen gewollten und schriftlich verfügten Auswertung im Sinne einer dann forensisch nutzbaren Begutachtung entgegenstehen. Zu Frage 3: Die Befunde der körperlichen, gynäkologischen und proktologischen Untersuchungen einschließlich der Fotodokumentation und der asservierten Spuren werden bis zu fünf Jahre gespeichert bzw. gelagert. Hinsichtlich des Ausmaßes der Inanspruchnahme der Daten und Asservate im Rahmen von später erfolgten Anzeigen verfügt die Forensische Ambulanz über keine Statistik. Eine gesicherte Datenbasis ist auch nicht zu erwarten, da die Forensische Ambulanz die Untersuchungsergebnisse z. B. auf Wunsch der Betroffenen auch an diese herausgibt und nicht in allen Fällen eine Rückmeldung erhält, ob in der Folge eine Strafanzeige erstattet worden ist. Schätzungen der Ambulanz zufolge werden bei etwa 15 Prozent der untersuchten Frauen und ca. 40 Prozent der untersuchten Kinder nachträglich Strafverfahren eingeleitet. Zu Frage 4: Die Forensische Ambulanz ist landesweit tätig. Die Untersuchungen erfolgen zum Teil in der Ambulanz selbst. Zwecks Untersuchung und Dokumentation begeben sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der forensischen Ambulanz im Einzelfall aber auch zu vereinbarten Untersuchungsorten im gesamten Land. Die Fachgruppe „Sexualisierte Gewalt“ des Landesweiten Runden Tisches im Rheinland-Pfälzischen Interventionsprojekt gegen Gewalt in engen sozialen Beziehungen berät aktuell über mögliche Erweiterungen bzw. Ergänzungen zum Angebot der Forensischen Ambulanz. Außerdem werden Überlegungen für eine verbesserte medizinische Versorgung, eine zeitnahe und qualifizierte psychosoziale Beratung durch die Fachstellen für sexualisierte Gewalt, eine kontinuierliche Kooperation und Vernetzung im Hilfesystem sowie eine intensivierte Presse- und Öffentlichkeitsarbeit angestellt. Die Beratungen der unter der Federführung des Ministeriums für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen tätigen Fachgruppe sind noch nicht abgeschlossen. Sie wird dem Landesweiten Runden Tisch nach Abschluss ihrer Erörterungen eine Beschlussempfehlung mit Vorschlägen unterbreiten. In Vertretung: Jürgen Häfner Staatssekretär