Drucksache 16/2865 09. 10. 2013 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Anna Neuhof, Nils Wiechmann und Nicole Müller-Orth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten Situation der Rotwildbestände im Kreis Ahrweiler Die Kleine Anfrage 1897 vom 19. September 2013 hat folgenden Wortlaut: In den letzten Wochen hat der Kreisverband Ahrweiler des Landesjagdverbands die Landesregierung wegen vermeintlich fehlerhafter Jagdpolitik angegriffen. Die Kreisjägerschaft führt eine öffentliche Kampagne, wonach die Landesregierung verantwortlich sei für den Tod von Hirschkälbern im letzten Winter. Angeblich lägen massive Verstöße gegen den Tierschutz vor. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Wie viel Rotwild, das ohne jagdliche Einwirkung zu Tode gekommen ist (Fallwild), wurde in den letzten Jahren im Landkreis Ahrweiler und in anderen Landkreisen gemeldet und welche Todesursachen wurden festgestellt? 2. Nach welchen Kriterien wird die Fütterung von Wildtieren erlaubt und wie wurde konkret das Rotwild im Landkreis Ahrwei- ler im Winter 2012/2013 gefüttert? 3. Welchen rechtlichen Schutz bekommt tragendes und führendes Rotwild? 4. Wie stellt sich aus Landessicht eine Rotwildbewirtschaftung innerhalb und außerhalb der Bewirtschaftungsbezirke dar? Das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten hat die Kleine Anfrage namens der Landes - regierung mit Schreiben vom 8. Oktober 2013 wie folgt beantwortet: Zu Frage 1: Nach den eigenen Angaben der Jägerschaft wurden im letzten Jagdjahr im Kreis Ahrweiler 220 Stück Rotwild gezählt, die anders als durch einen Abschuss ums Leben gekommen sind. Der Jäger spricht hierbei von „Fallwild“. Von diesen 220 Tieren sind wiederum 22 Tiere dem Straßenverkehr zum Opfer gefallen und 198 Stück Rotwild ohne – zumindest direkte – menschliche Einwirkung zu Tode gekommen. Im Jahr davor waren es 50 Stück Rotwild und im Jahr davor – also im Jagdjahr 2010/2011 – 76 Tiere. Landesweit wurden im Jagdjahr 2012/2013 303 Stück Rotwild als Fallwild (ohne Verkehrsunfälle) verzeichnet. Die 198 Stück Rotwild im Landkreis Ahrweiler übersteigen somit deutlich die Summe des sonstigen Fallwildes aus den übrigen 23 Landkreisen und zwölf kreisfreien Städten in Rheinland-Pfalz. Während in anderen Landkreisen mit vergleichbarer Höhenlage und ähnlichem Witterungsverlauf die Fallwildquote im vergangenen Jagdjahr rückläufig war, hat sie sich im Bereich Ahrweiler nahezu verdreifacht. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 25. November 2013 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/2865 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Folgende Tabelle listet die Fallwildzahlen beim Rotwild getrennt nach den Landkreisen und kreisfreien Städten für die Jagdjahre 2008/2009 bis 2012/2013 auf: Landkreis/ 2008/2009 2009/2010 2010/2011 2011/2012 2012/2013 kreisfreie Stadt Fallwild Fallwild Fallwild Fallwild Fallwild Verkehr sonstiges Verkehr sonstiges Verkehr sonstiges Verkehr sonstiges Verkehr sonstiges Ahrweiler 10 45 9 49 17 76 18 50 22 198 Bad Kreuznach 1 6 5 3 0 5 10 2 3 3 Birkenfeld 15 5 18 3 9 3 27 3 19 3 Cochem-Zell 0 4 0 2 3 0 3 2 1 3 Mayen-Koblenz 0 2 0 6 3 1 0 0 1 0 Neuwied 4 10 1 6 2 16 3 14 2 10 Rhein-Hunsrück 10 7 3 6 6 5 6 10 18 3 Rhein-Lahn 1 0 1 0 1 1 1 1 2 2 Westerwald 2 0 0 0 2 3 2 2 1 2 Stadt Koblenz 3 0 0 0 0 2 0 0 1 0 Bernkastel-Wittlich 23 9 24 2 16 4 10 14 13 4 Bitburg-Prüm 5 9 17 10 23 21 14 19 16 10 Vulkaneifel 34 5 12 12 10 3 12 10 4 6 Trier-Saarburg 40 9 26 4 55 15 33 15 23 18 Stadt Trier 0 1 0 0 2 0 1 0 0 0 Bad Dürkheim 4 2 3 0 3 5 2 3 1 1 Kaiserslautern 0 0 1 0 2 0 0 3 1 0 Mainz-Bingen 0 19 0 12 0 5 0 13 0 32 Südl. Weinstraße 0 0 0 0 0 0 0 0 3 2 Südwestpfalz 0 0 0 0 0 0 0 0 3 5 Stadt Landau 1 0 0 0 0 0 0 1 0 1 Stadt Primasens 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 Summe 153 133 120 115 154 165 143 162 131 303 Summe 143 88 111 66 137 89 125 112 109 105 ohne Ahrweiler Auch bei Reh- und Schwarzwild ergeben sich landesweit keinerlei Hinweise auf Besonderheiten innerhalb der letzten Winterperiode . Bei diesen Wildarten liegt der prozentuale Anteil des Fallwilds in einem fünfjährigen Vergleichszeitraum innerhalb der üblichen Schwankungsbreite, teilweise sogar unterhalb der Werte der Vorjahre. Im Zeitraum vom 1. Januar bis 14. April 2013 wurden dem Landesuntersuchungsamt, Institut für Tierseuchendiagnostik, insgesamt fünf Stück Rotwild (nur Kälber) zur Bestimmung der Todesursache vorgelegt, drei aus dem Bereich Ahrweiler und zwei aus dem Bereich Mainz-Bingen. Die Tiere waren hochgradig mit Parasiten befallen und wiesen Schädigungen der von Parasiten befallenen Organe auf. Die Pansen waren hingegen gut mit Grünfutter gefüllt. Zu Frage 2: Gemäß § 25 des Landesjagdgesetzes (LJG) von 2010 ist grundsätzlich jegliche Art der Fütterung und der Kirrung von Schalenwild verboten. Ausnahmen von diesem grundsätzlichen Verbot werden durch die Landesverordnung über die Fütterung und Kirrung von Schalenwild vom 4. August 2005 geregelt. Nach § 1 Abs. 2 dieser Landesverordnung ist die Fütterung von Schalenwild nur bei besonderen Witterungsbedingungen oder bei Naturkatastrophen zulässig. Sie bedarf der Genehmigung der unteren Jagdbehörde, die im Benehmen mit der örtlich zuständigen unteren Forstbehörde entscheidet. Antragsberechtigt ist die jagdausübungsberechtigte Person. Am 21. und 22. Januar 2013 gingen bei der unteren Jagdbehörde Ahrweiler diverse Anträge auf Erteilung von Fütterungsgenehmigungen aus dem Bereich des Kesselinger Tals ein. Diese Anträge wurde alle innerhalb von 24 Stunden bewilligt und für alle betroffenen Jagdbezirke eine Fütterungsgenehmigung bis zum 15. März 2013 ausgesprochen. 2 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/2865 Auch die am 12. März gestellten Anträge auf Verlängerung der Fütterungsmöglichkeiten sind innerhalb von 24 Stunden genehmigt worden mit einer Verlängerung der Fütterungsmöglichkeit bis zum 1. April 2013. Vor Ablauf dieser Frist hat dann die untere Jagdbehörde von Amts wegen die Fütterungszeit nochmals verlängert, und zwar bis zum 15. April 2013. Zu Frage 3: Gemäß § 32 Abs. 4 LJG dürfen die zur Aufzucht notwendigen Elterntiere in den Setzzeiten bis zum Selbstständigwerden der Jungtiere nicht bejagt werden. Die Landesjagdverordnung (LJVO) vom 25. Juli 2013 besagt nichts anderes. Im Gegenteil, sie weist sowohl in § 13 (Hege und Bejagung außerhalb der Bewirtschaftungsbezirke) als auch in § 42 (Bestimmung der Jagdzeiten) ganz konkret darauf hin, dass der Schutz der Elterntiere gemäß § 32 Abs. 4 LJG uneingeschränkt gilt und zu beachten ist. Darüber hinaus gibt § 13 Abs. 2 Satz 2 LJVO vor, dass die Bejagung von Rot-, Dam- und Muffelwild auch außerhalb der Bewirtschaftungsbezirke im Rahmen der nach § 42 Abs. 1 LJVO festgelegten Jagdzeiten erfolgt. Damit ist hinsichtlich des Rotwildes der Schutz von sowohl abhängige Jungtiere führenden als auch hochtragenden Alttieren gewährleistet. Zu Frage 4: Die Landesjagdverordnung (LJVO) bestimmt in § 13 Abs. 1, dass außerhalb der Bewirtschaftungsbezirke Rot-, Dam- und Muffelwild nicht gehegt werden darf. Diese Vorgabe konkretisiert lediglich die vom Gesetzgeber in § 13 Abs. 1 LJG getroffene Regelung, nach der zur Vermeidung von Wildschäden Rot-, Dam- und Muffelwild nur innerhalb der für diese Wildarten jeweils gesondert abgegrenzten Bezirke bewirtschaftet werden dürfen (Bewirtschaftungsbezirke). Sie stellt keine Neuregelung gegenüber vorherigen Vorschriften dar und geht in ihrem Ursprung bis in der Mitte der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts zurück. Zur Begrenzung der Wildschäden , die das Rotwild insbesondere im Wald verursacht, wurde zum damaligen Zeitpunkt eine Aufteilung des Landes in „Bewirtschaftungsgebiete “ mit unterschiedlich zulässigem Bestand vorgenommen. Bei der Novellierung des Landesjagdgesetzes im Jahr 1979 hatte der Landtag Rheinland-Pfalz erstmals eine gesetzliche Grundlage in dieser Angelegenheit geschaffen. In § 23 Abs. 8 LJG wurde das fachlich zuständige Ministerium ermächtigt, durch Rechtsverordnung aus Gründen der Wildhege und zur Vermeidung übermäßiger Wildschäden Bewirtschaftungsbezirke für Schalenwild (Kern-, Rand- und Freigebiete) und die zulässige Wilddichte festzulegen. Die Landesverordnung über Bewirtschaftungsbezirke für Rot-, Dam- und Muffelwild vom 7. April 1989 legte in § 4 (Bejagung in Freigebieten) Folgendes fest: „In Freigebieten sind Abschussplanung, -festsetzung und -durchführung darauf auszurichten, dass vorhandene Stücke von Rot-, Dam- und Muffelwild innerhalb der Jagdzeit erlegt werden.“ Diese Regelung besteht in § 13 Abs.2 Satz 3 LJVO unverändert fort. Gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 LJG ist der Abschuss des Wildes so zu regeln, dass die berechtigten Ansprüche der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft auf Schutz gegen Wildschäden sowie die Belange des Naturschutzes, der Landschaftspflege und der Bekämpfung von Tierseuchen gewahrt bleiben. Die höchstzulässige Wilddichte und der hieraus resultierende höchstzulässige Gesamtbestand der Wildart ergibt sich folgerichtig aus der jagdbezirksweisen Beurteilung der Anforderungen des § 31 Abs. 1 Satz 1 LJG. Die in der Landesverordnung über die Bewirtschaftungsbezirke für Rot-, Dam- und Muffelwild vom 7. April 1989 verankerte numerische Vorgabe einer höchstzulässigen Wilddichte der bewirtschafteten Wildart einheitlich für das gesamte Kern- bzw. Randgebiet des Bewirtschaftungsbezirkes wird den vorgenannten Anforderungen des Landesjagdgesetzes nicht gerecht; auf diese Vorgaben und die daran geknüpfte bisherige Unterscheidung von Kern- und Randgebieten der Bewirtschaftungsbezirke ist daher in der Landesjagdverordnung verzichtet worden. Damit ist einer jahrelangen Forderung der Jägerschaft – insbesondere aus dem Raum Ahrweiler – entsprochen worden. Nach § 13 Abs. 2 Satz 4 LJVO ist die Erlegung von mittelalten und alten Hirschen (Klassen II und I) nur mit Einwilligung der unteren Jagdbehörde zulässig. Diese Regelung ersetzt das bisherige Verbot der Erlegung von doppelseitigen Kronenhirschen und dient der Vermeidung eventueller Anreize zur illegalen Hege des Rotwildes. Die Einwilligung zur Erlegung von Hirschen der Klassen I und II ist gemäß § 13 Abs. 2 Satz 5 LJVO zu erteilen, wenn die Erlegung zur Schadensabwehr erforderlich ist. Das Erfordernis ist durch die jagdausübungsberechtigte Person hinreichend zu begründen. Zur Vermeidung von Verwaltungsaufwand gilt die Einwilligung als erteilt, wenn die untere Jagdbehörde die Erlegung nicht innerhalb von zwei Wochen (14 Tagen) nach Eingang der Anzeige untersagt hat. Um dem Bewirtschaftungsverbot den erforderlichen Nachdruck zu verleihen, soll die untere Jagdbehörde die Erlegung des vorkommenden Wildes unter Fristsetzung anordnen, wenn die jagdausübungsberechtigte Person ihrer Verpflichtung nicht nachkommt . 3 Drucksache 16/2865 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Die Anordnung ist zu treffen, wenn die Erlegung zur Abwehr drohender Schäden erforderlich ist oder die berechtigten Interessen der Land- oder Forstwirtschaft aufgrund vorliegender fachbehördlicher Stellungnahme mindestens gefährdet sind. Diese besonderen Fälle rechtfertigen die Anordnung mit Fristsetzung auch unabhängig von den Schonzeiten, wenn ein Zuwarten bis zur nächsten Jagdzeit die billigende Inkaufnahme von (weiteren) Schäden bedeuten könnte; der Schutz der zur Aufzucht von Jungtieren erforderlichen Elterntiere gemäß § 32 Abs. 4 LJG gilt auch hierbei uneingeschränkt. Insgesamt stellt die Landesjagdverordnung durch Hinweise auf den geltenden Elterntierschutz (§ 13 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 LJVO) und die Jagdzeitenbestimmungen (§ 13 Abs. 2 Satz 2 LJVO) klar, dass außerhalb der Bewirtschaftungsbezirke hinsichtlich vorkommenden Rot-, Dam- oder Muffelwildes keine geringeren Anforderungen an die tierschutzgerechte Jagdausübung gelten als innerhalb der Bewirtschaftungsbezirke. Ulrike Höfken Staatsministerin 4