Drucksache 16/2898 22. 10. 2013 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Pia Schellhammer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur Rechtsextreme Aktivitäten anlässlich des Bundestagswahlkampfs in Rheinland-Pfalz Die Kleine Anfrage 1925 vom 27. September 2013 hat folgenden Wortlaut: Anlässlich des Bundestagswahlkampfs haben rechtsextreme Parteien mit ihren menschenverachtenden Positionen versucht, die Wählerinnen und Wähler in Rheinland-Pfalz zu überzeugen. Mit Infoständen und Plakaten haben die rechten Parteien auf sich aufmerksam gemacht. Aber auch Aktionen haben im rechtsextremen Spektrum stattgefunden, beispielsweise in größeren Städten wie Mainz, Ludwigshafen, Koblenz, Trier und Kaiserslautern. Dabei sollten auch Plätze vor Moscheen, interkulturellen Treffpunkten und Asylbewerberunterkünften für die Kundgebungen genutzt werden. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Welche rechtsextremen Parteien und Gruppierungen sind zur Bundestagswahl in Rheinland-Pfalz aktiv gewesen? 2. Welche Kundgebungen und anderweitigen Aktionen während des Bundestagswahlkampfs sind der Landesregierung bekannt? In welchen Städten und an welchen Plätzen fanden diese statt? 3. Wie viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer nahmen an den Kundgebungen jeweils teil und wie viele Gegenkundgebungen haben stattgefunden? 4. Welche Strategien haben die Landesregierung, die Kommunen und die Polizei als Reaktion auf diese Kundgebungen verfolgt? 5. Wie wurde auf Anmeldungen von Kundgebungen an bestimmten besonders sensiblen Orten reagiert? 6. Wie bewertet die Landesregierung rechtsextreme Aktivitäten und welche Konsequenzen zieht die Landesregierung daraus für ihr Vorgehen? Das Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 21. Oktober 2013 wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Die Landesregierung wird regelmäßig und umfassend durch die Verfassungsschutzbehörde insbesondere über Art und Ausmaß von Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind, unterrichtet (§ 7 Abs. 1 i. V. m. § 5 Landesverfassungsschutzgesetz – LVerfSchG). Unter Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung sind nach § 4 Abs. 1 LVerfSchG politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss zu sehen, der darauf gerichtet ist, einen der im Landesverfassungsschutzgesetz genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. Extremistische Bestrebungen sind demnach nur solche, die gegen den Kernbestand des Grundgesetzes gerichtet sind. Die Begriffe „extremistisch“ und „verfassungsfeindlich“ sind inhaltsgleich. Nur bei Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für den Verdacht extremistischer Bestrebungen erfolgt eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz (vgl. § 5 LVerfSchG). Diese rechtsstaatlichen Grundsätze gelten sinngemäß für die Exekutive schlechthin. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 13. Dezember 2013 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/2898 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Datum Ort Partei Veranstal- Anzahl Anzahl tungsart Teilnehmer Gegendemons- tranten 22.08.2013 Koblenz: Innenstadt, Zentralplatz NPD Kundgebung 10 bis 12 Personen ca. 300 Personen 23.08.2013 Trier: Bahnhofsplatz NPD Kundgebung 10 bis 15 Personen ca. 150 Personen 23.08.2013 Kaiserslautern: Guimaraes Platz NPD Kundgebung ca. 20 Personen ca. 80 Personen 07.09.2013 Landau: Stiftsplatz NPD Kundgebung sechs Personen keine 07.09.2013 Speyer: Geschirrplätzel NPD Kundgebung sieben Personen ca. 90 Personen 07.09.2013 Ludwigshafen: Berliner Platz NPD Kundgebung sechs Personen ca. 20 Personen 07.09.2013 Frankenthal: Vorplatz Busbahnhof NPD Kundgebung sieben Personen ca. 20 Personen 07.09.2013 Worms: Platz am römischen Kaiser NPD Kundgebung sieben Personen ca. 200 Personen 07.09.2013 Alzey: Vorplatz Stadthalle NPD Kundgebung zwölf Personen ca. 25 Personen 07.09.2013 Zweibrücken: Innenstadt, Hallplatz NPD Infostand elf Personen keine 10.09.2013 Bad Dürkheim: Innenstadt NPD Kundgebung sieben Personen keine 14.09.2013 Mainz: Innenstadt NPD Kundgebung sieben Personen ca. 135 Personen 14.09.2013 Bingen: Innenstadt NPD Kundgebung sieben Personen ca. 200 Personen 14.09.2013 Bad Kreuznach: Innenstadt NPD Kundgebung sieben Personen ca. 200 Personen 14.09.2013 Neuwied: Innenstadt NPD Kundgebung sieben Personen ca. 115 Personen 14.09.2013 Andernach: Innenstadt NPD Kundgebung sieben Personen ca. 30 Personen 14.09.2013 Ahrweiler: Innenstadt NPD Kundgebung sieben Personen ca. 35 Personen 14.09.2013 Trier: Innenstadt NPD Demonstration/ ca. 30 Personen ca. 120 Personen Aufzug 21.09.2013 Zweibrücken: Innenstadt NPD Infostand vier Personen keine 2 Zu Frage 1: An den Bundestagswahlen für den 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 beteiligte sich in Rheinland-Pfalz die rechtsextremistische „Nationaldemokratische Partei Deutschlands“ (NPD) mit einer Landesliste sowie Direktkandidatinnen und -kandidaten in zwölf Wahlkreisen. Zu den Fragen 2 und 3: Die Polizeibehörden haben im Rahmen der Einsatzbewältigung folgende – tabellarisch dargestellte – Erkenntnisse gewonnen. Zu den Fragen 4 und 5: Die Polizeibehörden sowie die als Versammlungsbehörden zuständigen Kreisverwaltungen und Stadtverwaltungen der kreisfreien und großen kreisangehörigen Städte sind sich der besonderen Brisanz rechtsextremistischer Versammlungen und Aufzüge bewusst und treffen unter Beachtung des Rechts auf Versammlungsfreiheit in jedem Einzelfall die zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nötigen versammlungs- und sonstigen polizeirechtlichen Maßnahmen. Eine wesentliche strategische Grundlage für das polizeiliche Vorgehen ist das als Verschlusssache eingestufte Handlungskonzept „Rechtliche und taktische Hinweise zur Bewältigung von polizeilichen Einsatzlagen im Zusammenhang mit rechtsmotivierten/-extremistischen Versammlungen, Veranstaltungen und anderen Erscheinungsformen“. In Erinnerung an die Opfer der menschenunwürdigen Behandlung unter der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft hat das Land die Gedenkstätte KZ Osthofen und die Gedenkstätte SS-Sonderlager/KZ Hinzert wegen ihrer historisch herausragenden , überregionalen Bedeutung mit Gesetz vom 28. September 2005 (GVBl. S. 442, BS 218-3) zu versammlungsrechtlich besonders geschützten Orten bestimmt. Dort kann gemäß § 15 Abs. 2 des Versammlungsgesetzes eine Versammlung oder ein Aufzug insbesondere verboten oder von bestimmten Auflagen abhängig gemacht werden, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung konkret feststellbaren Umständen zu besorgen ist, dass durch die Versammlung oder den Aufzug die Würde der Opfer beeinträchtigt wird. Die in der Antwort auf Frage 2 genannten Kundgebungen fanden jedoch an Orten außerhalb dieser versammlungsrechtlich besonders geschützten Gedenkstätten statt. Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/2898 Zu Frage 6: Die Landesregierung hat bereits wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass sie den Rechtsextremismus als zentrale gesellschafts- und sicherheitspolitische Herausforderung bewertet. Das Treiben der Rechtsextremisten ist menschenverachtend, demokratiefeindlich und schändlich. Gerade wir Deutschen wissen angesichts unserer jüngeren Geschichte nur zu gut, wohin es führen kann, wenn sich Hass, Aggressionen und Gewalt ungehemmt entfalten können. Dem gilt es entgegenzuwirken. In der Konsequenz bedeutet dies für die Landesregierung, dass sie an ihrem bewährten Kurs festhält: Die dauerhafte Bekämpfung des Rechtsextremismus hat Priorität und ist Aufgabe aller Ressorts im engen Schulterschluss mit zivilgesellschaftlichen Akteuren. Die Strategie des Landes, die auf umfassender Prävention, entschiedenem Einschreiten und vielfältigen Hilfsangeboten für Ausstiegswillige fußt, wird in diesem Sinne weiter mit aller Entschlossenheit verfolgt. Roger Lewentz Staatsminister 3