Drucksache 16/298 07. 09. 2011 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Kathrin Anklam-Trapp und Friederike Ebli (SPD) und A n t w o r t des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie Auswirkungen des Entwurfs eines Versorgungsgesetzes auf Rheinland-Pfalz Die Kleine Anfrage 202 vom 18. August 2011 hat folgenden Wortlaut: Das Bundeskabinett hat am 3. August 2011 den Entwurf eines GKV-Versorgungsstrukturgesetzes verabschiedet. Gegenüber dem Referentenentwurf enthält dieser nur wenige Änderungen. Allerdings wurden auf Drängen des Bundesfinanzministeriums die Kostenschätzungen überarbeitet. Zusätzlich wurde eine Regelung aufgenommen, die den steuerfinanzierten Sozialausgleich für die Zusatzbeiträge teilweise wieder in Frage stellt. Der Regierungsentwurf hat einschließlich Begründung einen Umfang von 180 Seiten. Er beinhaltet gegenüber dem geltenden SGB V teilweise tiefgreifende Änderungen. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Welche Maßnahmen stehen nach dem Entwurf künftig zur Verfügung, um eine gleichmäßigere Ansiedlung junger nieder- lassungsbereiter Ärzte zwischen ländlichem Raum und Ballungsgebieten zu erreichen? 2. Welchen Zusammenhang sieht die Landesregierung zu den im rheinland-pfälzischen Masterplan zur Stärkung der ärztlichen Ver- sorgung vorgesehenen Maßnahmen und welche Schlussfolgerungen zieht sie für diesen aus dem vorliegenden Gesetzentwurf? 3. Welche Auswirkungen erwartet die Landesregierung auf die Versicherten, nachdem auch das Bundesfinanzministerium von Kostensteigerungen infolge des Versorgungsstrukturgesetzes ausgeht? Das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 2. September 2011 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Der Gesetzentwurf enthält einige Maßnahmen, die – zu einem großen Teil abhängig von der jeweiligen Umsetzung durch die gemeinsame Selbstverwaltung – eine gleichmäßigere Ansiedlung von Ärztinnen und Ärzten bewirken können. Dazu gehören insbesondere – eine flexiblere Bedarfsplanung, die sich nicht mehr strikt an den Stadt- und Landkreisgrenzen orientieren soll und die Möglichkeit auf Landesebene, bei regionalen Besonderheiten von den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses abzuweichen; – eine stärkere Mitwirkung der Länder bei Fragen der Bedarfsplanung im Gemeinsamen Bundesausschuss und im Landesausschuss in Form eines Mitberatungsrechts, das den Ländern erlaubt, auf eine sinnvolle Weiterentwicklung und Umsetzung der Bedarfsplanung hinzuwirken; – die grundsätzliche Aufhebung der Residenzpflicht: Ärztinnen und Ärzte können also zukünftig leichter auf dem Land praktizieren und in der Stadt wohnen; – mehr finanzielle Anreize für die Tätigkeit in ländlichen Räumen, zum Beispiel die Möglichkeit, Preiszuschläge für förderungswürdige Leistungserbringer oder bestimmte Leistungen wie Hausbesuche zu vereinbaren, oder auch die Herausnahme von Ärztinnen und Ärzten in strukturschwachen Gebieten aus der sogenannten Abstaffelung; – die Möglichkeit für die Kassenärztlichen Vereinigungen, einen Strukturfonds zur Finanzierung von Fördermaßnahmen in unterversorgten Gebieten zu bilden (Kann-Regelung); Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 21. September 2011 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/298 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode – die Erweiterung der bestehenden Möglichkeit der Kassenärztlichen Vereinigungen, in überversorgten Gebieten den freiwilligen Verzicht auf die vertragsärztliche Zulassung finanziell zu fördern (Kann-Regelung) und Zulassungen in bestimmten Planungsregionen zu befristen; – die Anpassung der Regelung zur Verlegung eines Vertragsarztsitzes, wonach klargestellt wird, dass die Verlegung eines Vertragsarztsitzes nur dann genehmigt werden kann, wenn Gründe der vertragsärztlichen Versorgung nicht entgegenstehen. Die meisten dieser Regelungen wurden von den Gesundheitsministerinnen und Gesundheitsministern des Bundes und der Länder in der Kommission zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung in Deutschland vereinbart. Verschiedene Maßnahmen des Gesetzentwurfs, die nicht zuvor mit den Ländern vereinbart waren, können aber einer gleichmäßigeren Verteilung von Ärztinnen und Ärzten auch entgegenwirken. So wird die Vorgabe, Honorarabschläge in überversorgten Gebieten vorzusehen, aus dem Sozialgesetzbuch gestrichen. Die Gründung und der Betrieb von Medizinischen Versorgungszentren wird erschwert und die Schaffung eines spezialärztlichen Versorgungssektors kann sich nachteilig auf die Attraktivität der wohnortnahen haus- und fachärztlichen Grundversorgung auswirken. Für die rheinland-pfälzischen Ärztinnen und Ärzte ist das Vorhaben, die sogenannte Konvergenzregelung, nach der laut bestehender Rechtslage das Vergütungsniveau zwischen den Ländern angeglichen werden soll, aus dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch wieder zu streichen, besonders gravierend. Dabei könnte diese Regelung für eine gleichmäßigere Verteilung von Ärztinnen und Ärzten zwischen den Ländern sorgen. Zu 2.: Mit dem Masterplan zur Stärkung der ambulanten ärztlichen Versorgung verfolgt die Landesregierung im Wesentlichen das Ziel, die im Land bestehenden Handlungsmöglichkeiten zur zukünftigen Sicherung der medizinischen Versorgung unter Beteiligung der Partner aus dem Gesundheitswesen so weit wie möglich auszuschöpfen. Trotz dieser vielfältigen Ansätze in Rheinland-Pfalz bleibt festzuhalten, dass die wesentlichen Rahmenbedingungen für die medizinische Versorgung auf Bundesebene – etwa durch Änderungen im Vertragsarztrecht oder im Fünften Buch Sozialgesetzbuch in Verbindung mit Beschlüssen der gemeinsamen Selbstverwaltung – gesetzt werden. Aus diesem Grund hatten sich die Partner bei der Weiterentwicklung des Masterplans auch darauf verständigt, sich für aus ihrer Sicht wesentliche Änderungen auf Bundesebene einzusetzen. Dazu gehörten: – die Lockerung der Residenzpflicht, – die Weiterentwicklung der Bedarfsplanung (mehr Flexibilität und stärkere Orientierung an der Morbidität), – die Weiterentwicklung der Delegationsmöglichkeiten an nichtärztliche Berufsgruppen, – die weitere Stärkung der Allgemeinmedizin im Studium und im Praktischen Jahr. Diese Vorschläge wurden in die Beratungen mit dem Bundesgesundheitsministerium eingebracht. Sie finden sich im Ergebnis der Kommission zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung wieder, aber nur teilweise auch im vorliegenden Gesetzentwurf. Auf der anderen Seite enthält der Gesetzentwurf mit der erweiterten Möglichkeit, Entlastungsassistentinnen oder Entlastungsassistenten im Falle der Kindererziehung bis zu drei Jahren und bei notwendiger Pflege von Angehörigen bis zu einem Jahr zu beschäftigen , eine Maßnahme, die in Rheinland-Pfalz bereits im Zuge des Masterplans umgesetzt wurde. Der Masterplan sieht darüber hinaus ein geändertes Auswahlverfahren für das Medizinstudium mit Berücksichtigung der Ergebnisse eines Tests und einer abgeschlossenen Berufsausbildung in bestimmten Gesundheitsberufen und die Stärkung der Allgemeinmedizin im Studium vor. Beide Aspekte wurden vom Bundesgesundheitsministerium in den Eckpunkten für ein Versorgungsgesetz aufgenommen, finden sich aber nur deshalb nicht im Gesetzentwurf wieder, weil die Ausbildungsthemen nach dem Willen des Bundes außerhalb des Versorgungsstrukturgesetzes aufgegriffen werden sollen, um eine Zustimmungspflicht des Bundesrates zum Versorgungsstrukturgesetz zu umgehen. Der im Gesetzentwurf enthaltene Verzicht auf eine „Abstaffelung“ bei der Honorierung in unterversorgten Gebieten ist keine Neuerung des Versorgungsstrukturgesetzes, sondern entspricht einem Beschluss des Bewertungsausschusses, der in Rheinland-Pfalz ebenfalls grundsätzlich bereits zur Anwendung kommen könnte, sofern unterversorgte Gebiete zu verzeichnen wären. Dies gilt auch für die Vorgabe an den Gemeinsamen Bundesausschuss im Gesetzentwurf bei der Anpassung der Verhältniszahlen, die demografische Entwicklung zu berücksichtigen. Dies wird bundesweit – und damit auch in Rheinland-Pfalz – bereits umgesetzt und hat auch Auswirkungen auf die Förderregionen für das im Masterplan vereinbarte Förderprogramm des Landes im Bereich der hausärztlichen Versorgung. Die Landesregierung wird die Regelungen des Versorgungsstrukturgesetzes nach dessen Inkrafttreten gemeinsam mit den Partnern des Masterplans daraufhin prüfen, ob und inwieweit durch das Gesetz neue Handlungsmöglichkeiten für die Landesebene entstehen. 2 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/298 Sie wird darauf drängen, dass die Selbstverwaltung ihre aufgrund der vielen Kann-Regelungen vorhandenen Spielräume zum Wohle der Patientinnen und Patienten in Rheinland-Pfalz nutzt. Zu 3.: Das Versorgungsstrukturgesetz, sollte es in der vorliegenden Form in Kraft treten, führt zu erheblichen Kostensteigerungen für die gesetzlichen Krankenkassen und in der Folge zwangsläufig auch für die Versicherten. Die Kostenrisiken sind im Zusammenhang mit den Neuregelungen im Finanzierungssystem durch das GKV-Finanzierungsgesetz zu sehen. In der Folge tragen allein die Versicherten die Kostensteigerungen in der gesetzlichen Krankenversicherung über Zusatzbeiträge . Die Arbeitgeber sind außen vor. Mehr Geld für bestimmte Leistungserbringer bedeutet also ganz direkt Mehrkosten für jeden einzelnen Versicherten. Diese Mehrbelastung betrifft in erster Linie Versicherte mit niedrigem Einkommen, denn der Zusatzbeitrag differenziert nicht mehr nach dem Einkommen und der sogenannte Sozialausgleich ist erst ab einer Belastung von zwei Prozent des Einkommens vorgesehen . Aufgrund einer Intervention des Bundesfinanzministeriums ist im Gesetzentwurf nun eine Kostenbremse für den Bundeshaushalt, nicht aber für die Versicherten vorgesehen. Sollte sich ein Kostenanstieg zeigen, der Mehrausgaben des Bundes für den Sozialausgleich bewirkt, soll dies bei den Zahlungen des Bundes für den Sozialausgleich mindernd berücksichtigt werden. Diese Regelung führt den als steuerfinanziert konzipierten Sozialausgleich ad absurdum, wenn die Versicherten nicht nur die eigentlichen Kostensteigerungen tragen müssen, sondern auch die Aufwendungen für die Versicherten, die sich die Zusatzbeiträge infolge dieser Kostensteigerungen nicht mehr leisten können. Es zeigt sich aus Sicht der Landesregierung, dass die Verlässlichkeit eines steuerfinanzierten Sozialausgleichs nicht gewährleistet ist und daher zur solidarischen Finanzierung zurückgekehrt werden sollte. Malu Dreyer Staatsministerin 3