Drucksache 16/3020 28. 11. 2013 K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Ulrich Steinbach (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Ministeriums für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung Überprüfung der nationalen Berufszugangsregeln durch die Europäische Kommission Die Kleine Anfrage 1986 vom 7. November 2013 hat folgenden Wortlaut: Die Berufszugangsbedingungen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union unterscheiden sich sehr stark voneinander. Die Ausübung zahlreicher Berufe ist an den Besitz besonderer Qualifikationen geknüpft, die Berufsbezeichnungen sind vielfach geschützt. In seinen Schlussfolgerungen vom 2. März 2012 hatte der Europäische Rat auf die unverhältnismäßigen Hemmnisse beim Zugang zu reglementierten Berufen in den Mitgliedsstaaten hingewiesen. Er forderte diesbezüglich dazu auf, aktiv zu werden und sämtliche ungerechtfertigten regulatorischen Beschränkungen im Binnenmarkt abzuschaffen. Eine von der Europäischen Kommission an mehrere Mitgliedstaaten gerichtete Empfehlung, den Zugang zu freiberuflichen Dienstleistungen zu öffnen, wurde durch den Europä - ischen Rat unterstützt. Am 2. Oktober 2013 kündigte die Europäische Kommission in einer Mitteilung an, die nationalen Reglementierungen des Berufszugangs der einzelnen Mitgliedstaaten evaluieren zu wollen. Es sei nach Einschätzung der Kommission wichtig, zunächst zu identifizieren, welche Berufe in den Mitgliedstaaten wie reglementiert sind. In einem weiteren Schritt sollen die Potenziale der Aufhebungen national vorgeschriebener Qualifikationsanforderungen evaluiert werden. Von einer Dereglementierung des Berufszugangs verspricht sich die Europäische Kommission Wachstumsimpulse für die Wirtschaft sowie eine bessere Fachkräftemobilität in Europa. Die Mitgliedstaaten sind in diesem Zusammenhang dazu aufgefordert, im April 2015 und im Juni 2016 „nationale Aktionspläne“ vorzulegen. Darin soll dargelegt werden, wie der Berufszugang im Interesse der europäischen Bürgerinnen und Bürger wirkungsvoller geregelt werden könnte. Befürworter dieser Maßnahme betonen, dass trotz aller Anstrengungen die Arbeitsplatzmobilität der Fachkräfte in der Europäischen Union nach wie vor zu niedrig sei. Übermäßige restriktive Bedingungen für den Zugang zu bestimmten Berufen haben demnach besonders auf junge Menschen eine abschreckende Wirkung. Sie könnten deren Eintritt in den Arbeitsmarkt sogar verhindern . Gleichzeitig sei es für qualifizierte Fachkräfte aufgrund unterschiedlicher rechtlicher Bestimmungen oftmals schwierig, sich auf Arbeitsplätze in anderen Mitgliedstaaten zu bewerben. Eine Deregulierung des Berufszugangs sei demnach dringend notwendig , um es europäischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu erleichtern, im Ausland eine Arbeit zu finden. Dies wiederum sei zentraler Bestandteil einer für die Zukunft essenziellen Strategie zur Fachkräftesicherung. Kritiker führen an, dass kein negativer Zusammenhang zwischen Zugangsbeschränkungen und der wirtschaftlichen Entwicklung besteht. Eine von der Europäischen Kommission in Auftrag gegebene Studie bestätige vielmehr, dass die nationalen Qualifikationsanforderungen je nach Branche unterschiedlich wirken würden. Für die deutschen Bauhandwerke würden sogar tendenziell positive ökonomische Wirkung der Reglementierungen festgestellt werden. Beispielsweise der Meisterbrief sichere die Qualität von Handwerksdienstleistungen und diene letztlich dem Verbraucherschutz. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Wie bewertet die Landesregierung die Forderung der Europäischen Kommission, regulatorische Beschränkungen im Berufs- zugang zu deregulieren? 2. Wie bewertet die Landesregierung die Gefahren beziehungsweise Chancen, die sich durch eine Deregulierung des Berufszugangs für den rheinland-pfälzischen Arbeitsmarkt ergeben? 3. Wie bewertet die Landesregierung die Auswirkungen einer Deregulierung des Berufszugangs für die rheinland-pfälzische Wirtschaft? Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 23. Dezember 2013 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/3020 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode 4. Wie bewertet die Landesregierung die Auswirkungen einer Deregulierung des Berufszugangs speziell für das rheinland-pfälzische Handwerk? 5. Wie beurteilt die Landesregierung die von der Europäischen Kommission geforderten nationalen Aktionspläne und den diesbezüglich vorgegebenen Zeithorizont? 6. Wie gedenkt sich die rheinland-pfälzische Landesregierung bezüglich der von der Europäischen Union angestrebten Deregulierung des Berufszugangs auf Bundesebene zu positionieren? 7. Welche Möglichkeiten der Einflussnahme sollen wahrgenommen werden? Das Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 27. November 2013 wie folgt beantwortet: Angesichts unterschiedlicher Berufszugangsregelungen innerhalb der EU ist die grenzüberschreitende Berufstätigkeit oder die Niederlassung in anderen EU-Mitgliedstaaten noch eingeschränkt. Die EU will diese Hemmnisse abbauen und wendet sich daher mit ihrer Richtlinie zur Anerkennung der Berufsqualifikation gegen „unverhältnismäßige“ Berufszugangsregelungen. Die Landesregierung begrüßt es, die Vergleichbarkeit der Abschlüsse zu verbessern und den europaweiten Zugang zu reglementierten Berufen zu erleichtern, denn davon wird das Land sowohl als Exporteur von Dienstleistungen als auch angesichts wachsenden Fachkräftemangels profitieren. Sie wendet sich jedoch gegen Bestrebungen, auf diesem Weg das Qualifikationsniveau reglementierter Berufe pauschal abzusenken. Sie sieht in der guten fachlichen Qualifikation eine wesentliche Voraussetzung für die Qualität der Leistung und der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Zu Frage 1: Die Landesregierung begrüßt die Intention der EU-Kommission, den Binnenmarkt zu verwirklichen und Hindernisse der grenzüberschreitenden Berufstätigkeit oder der Niederlassung in anderen EU-Mitgliedstaaten zu überwinden. Sie hält daher die EUweite Überprüfung der Regeln auf übermäßige Regulierung für sinnvoll, wendet sich jedoch gegen eine generelle Absenkung der Zugangsvoraussetzungen. Qualifikationen sichern den Schutz von Verbrauchern, Klienten und Patienten. Sie tragen wie z. B. im Handwerk zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit bei. Zu den Fragen 2 und 3: Bei einer zu weitgehenden Deregulierung sieht die Landesregierung die Gefahr, dass die Qualität der angebotenen Leistungen und damit deren Wettbewerbsfähigkeit sinkt. In der Herstellung der Vergleichbarkeit der beruflichen Bildung auf hohem Niveau sieht die Landesregierung dagegen gute Chancen, die Voraussetzungen für rheinland-pfälzische Dienstleister, im europäischen Ausland zu arbeiten, zu erleichtern und qualifizierte Fachleute für den rheinland-pfälzischen Arbeitsmarkt zu gewinnen. Zu Frage 4: Die Landesregierung hält es für kontra produktiv, die Meisterpflicht, die zentraler Bestandteil und Garant für die Funktionsfähigkeit des dualen Systems ist und zudem eine hohe Ausbildungsquote, sichere Handwerksprodukte und stabile Arbeitsplätze garantiert , weiter aufzulockern. Zu Frage 5: Die Landesregierung kritisiert, dass mit der Mitteilung der Kommission zur Umsetzung der Anerkennungsrichtlinie ein erheblicher Zeitdruck bereits vor dem Inkrafttreten der Richtlinie ausgeübt wird. Sie kritisiert zudem das aufwendige Verfahren zur gegenseitigen Evaluierung der Umsetzung der Richtlinie. Sie kritisiert weiter den diesem Verfahren innewohnenden kontinuierlichen Druck zur Rechtfertigung von Regelungen, die ihren wirtschaftlichen und sozialen Wert bereits bewiesen haben. Zu den Fragen 6 und 7: Die Landesregierung hat ihre differenzierte Haltung in diesem Sinne bereits über einen gemeinsamen Antrag mit anderen Ländern im Bundesrat deutlich gemacht. Ergänzend zu diesem Instrument der Einflussnahme wird sie mit Nachdruck ihre Position gegenüber Bund und EU vertreten. Eveline Lemke Staatsministerin