Drucksache 16/3023 28. 11. 2013 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Josef Dötsch und Johannes Zehfuß (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten Mindestlohn in Landwirtschaft und Weinbau Die Kleine Anfrage 1992 vom 7. November 2013 hat folgenden Wortlaut: Wir fragen die Landesregierung: 1. Welche Auswirkungen sieht die Landesregierung auf die Landwirtschaft und den Weinbau durch einen, wie von ihr geforderten, gesetzlich vorgeschriebenen flächendeckenden Mindestlohn? 2. Wie will die Landesregierung den daraus resultierenden Problemen für Landwirtschaft, Obst- und Weinbau in Rheinland-Pfalz entgegenwirken? 3. Wie sollen nach Ansicht der Landesregierung die Arbeitsplätze in Landwirtschaft, Obst- und Weinbau bei Umsetzung des gefor- derten Mindestlohns beibehalten werden? 4. Welche Maßnahmen wird die Landesregierung nach Einführung eines gesetzlich vorgeschriebenen flächendeckenden Mindest- lohns ergreifen, um den heimischen Obst- und Gemüseanbau in Rheinland-Pfalz dauerhaft zu sichern? Das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten hat die Kleine Anfrage namens der Landes - regierung mit Schreiben vom 28. November 2013 wie folgt beantwortet: Die am 27. November 2013 geschlossene Koalitionsvereinbarung zwischen CDU, CSU und SPD sieht die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns vor. Wörtlich heißt es dazu: „Zum 1. Januar 2015 wird ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro brutto je Zeitstunde für das ganze Bundesgebiet gesetzlich eingeführt.“ Immer mehr Menschen erzielen trotz Vollzeitbeschäftigung weniger als 2/3 des Median-Brutto-Lohnes und liegen damit unterhalb der Niedriglohnschwelle. Betroffen von Niedriglöhnen sind nicht nur gering Qualifizierte. Naturgemäß haben aber insbesondere Beschäftigte ohne abgeschlossene Berufsausbildung ein erhöhtes Niedriglohnrisiko. Laut der aktuellsten EU-Lohnstrukturerhebung mit Daten aus dem Jahr 2010 arbeiten in Deutschland mehr als die Hälfte der Menschen mit niedrigem Bildungsstand in einem gering vergüteten Arbeitsverhältnis. Mit diesem Ergebnis ist Deutschland (54,6 %) auf dem ersten Platz noch vor der Slowakei (51,5 %) und Rumänien (49,4 %). Niedriglöhne können eine Existenzsicherung nicht gewährleisten, sodass aufstockende Sozialleistungen in vielen Fällen trotz Vollzeitbeschäftigung in Anspruch genommen werden müssen. Insoweit konsequent führen Niedriglöhne in vielen Fällen dann auch dazu, dass die Betroffenen von den erworbenen Rentenansprüchen nicht leben können und im Alter auf zusätzliche Hilfen angewiesen sind. Vor diesem Hintergrund sieht auch die Landesregierung einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn als einen großen und wichtigen Schritt für die Wiederherstellung der Ordnung auf dem Arbeitsmarkt und hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit an. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage der Abgeordneten Josef Dötsch und Johannes Zehfuß (CDU) wie folgt: Zu Frage 1: Durch die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns wird sichergestellt, dass auch im Bereich der Landwirtschaft und des Weinbaus , wie in jeder anderen Branche, ein einheitlicher Mindeststandard an Lohnbedingungen festgelegt wird, die es einer vollzeitbe- Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 23. Dezember 2013 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/3023 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode schäftigten Arbeitnehmerin oder einem vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer ermöglichen, eine tatsächliche Lebensgrundlage schaffen zu können. Denn Niedriglöhne belasten nicht nur die öffentlichen Kassen, sie schränken die Betroffenen auch massiv in ihrer Lebensführung ein. Die Schere von Arm und Reich wird unbestritten stetig größer. Durch einen gesetzlichen flächendeckenden Mindestlohn, der alle Branchen und somit auch Landwirtschaft und Weinbau erfasst, kann damit auch dem schleichenden Ausgrenzungsprozess von einzelnen Beschäftigungsgruppen entgegengewirkt werden. Zu Frage 2: Die Landesregierung ist sich bewusst, dass der flächendeckende gesetzliche Mindestlohn einheitlich Branchen erfasst, die untereinander differenzieren und ihre jeweiligen Besonderheiten sowohl im Hinblick auf das aktuelle Lohnniveau als auch im Hinblick auf unterschiedliche internationale Wettbewerbslagen aufweisen. Trotz dieses Bewusstseins entspricht es der Überzeugung der Landesregierung, dass ein existenzsicherndes Einkommen unabhängig von der Art der Beschäftigung und unabhängig von der jeweiligen Branche gesetzlich festgelegt werden muss. Denn es ist Ausfluss der menschlichen Würde, mit der eigenen Arbeitskraft seine Existenz sichern zu können. Dies gilt im Bereich der Landwirtschaft und des Weinbaus ebenso wie im Metallbereich oder dem Baugewerbe. Den Besonderheiten des Obst-, Gemüse- und Weinbaus mit ihren arbeitsintensiven Spitzen zur Erntezeit und dem damit verbundenen Einsatz von Saison-Arbeitskräften wird dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass für Saisonarbeitskräfte, die nur befristet beschäftigt werden, der Mindestlohn entsprechend auch nur in den Zeiten der Beschäftigung zu zahlen wäre. Zu Frage 3: Die Landesregierung sieht keine Grundlage für eine Annahme, dass die bestehenden Arbeitsplätze in der Landwirtschaft sowie dem Obst- und Weinbau nicht erhalten bleiben sollten. Denn den erhobenen Befürchtungen negativer Beschäftigungswirkungen eines gesetzlichen Mindestlohns kann die neuere empirische Forschung entgegengehalten werden. So hat die Evaluation der acht Branchenmindestlöhne in Deutschland, die das Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2010 in Auftrag gegeben hatte, gezeigt, dass in keiner der acht Branchen statistisch signifikante negative Wirkungen auf die Beschäftigung festgestellt werden konnten. Empirische Studien in den USA, in Großbritannien und in den EU-Staaten mit Mindestlohnregelungen ergaben keine Beschäftigungsverluste durch Mindestlöhne. Nunmehr kommen sogar Studien der Mindestlöhne in Südafrika zum selben Ergebnis. Auch hier ließ sich im Hinblick auf die Beschäftigungseffekte kein eindeutiger Beleg dafür finden, dass die Einführung von Mindestlöhnen in den fünf Branchen (Einzelhandel, Sicherheitswesen, Forstwirtschaft, Taxibeförderung und Haushaltsdienste ) einen signifikanten Einfluss auf die Beschäftigung hatte. Bereits Anfang des Jahres haben sich die Tarifpartner in der Landwirtschaft (GLFA und IGBAU) für einen Mindestlohn von 8,50 Euro brutto pro Stunde ab dem 1. Dezember 2017 verständigt. Darunter fallen auch die klassischen Saisonarbeiter. Dieser Tarifabschluss wurde am 14. Mai 2013 für die räumlichen Geltungsbereiche Rheinhessen-Pfalz und Rheinland-Nassau übernommen . Die Landesregierung sieht daher auch im Einklang mit den Tarifvertragspartnern und Betriebsparteien in dem Ziel, auf betrieblicher wie tariflicher Ebene praktikable Lösungen herbeizuführen, die sowohl das Beschäftigungsinteresse der Beschäftigten als auch die wirtschaftliche Lage und Entwicklungsperspektiven der Betriebe berücksichtigen. Die am 27. November 2013 geschlossene Koalitionsvereinbarung zwischen CDU, CSU und SPD sieht ebenfalls die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns vor. Wörtlich heißt es dazu: „Zum 1. Januar 2015 wird ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro brutto je Zeitstunde für das ganze Bundesgebiet gesetzlich eingeführt.“ Bezogen auf die Landwirtschaft bedeutet dies wohl ein geringes Vorziehen der tarifvertraglichen Regelung auf den Anfang des Jahres 2017. Zu Frage 4: Die Landesregierung sichert durch verschiedene Maßnahmen nicht nur einen leistungsfähigen Obst- und Gemüsebau, sondern grundsätzlich eine wettbewerbsfähige Landwirtschaft. Neben einem umfangreichen Angebot an Ausbildungs-, Versuchswesen- und Beratungsdienstleistungen der Dienstleistungszentren Ländlicher Raum (DLR) setzt sich die Landesregierung für geeignete Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Landwirtschaft ein. Sie hat sich aktuell im Rahmen der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) für die kommende EU-Förderperiode 2014 bis 2020 besonders für eine mittelständisch-bäuerlich geprägte Landwirtschaft in allen ihren verschiedenen Betriebsformen eingesetzt. In den Verhandlungen am 4. November 2013 im Rahmen einer Sonder-Agrarministerkonferenz zur nationalen Umsetzung der GAP-Reform hat sie sowohl bei den Direktzahlungen aus der 1. Säule der GAP als auch für die Agrarstrukturverbesserungs- und ländlichen Entwicklungsmaßnahmen in der 2. Säule der GAP gute, wegweisende Ergebnisse erzielt. Hier sind insbesondere der bundeseinheitliche Zuschlag für die ersten Hektare und die bundeseinheitliche Basisprämie für die erste Säule der GAP zu nennen. In der 2. Säule der GAP werden mit dem ländlichen Entwicklungsprogramm „Umweltmaßnahmen, Ländliche Entwicklung, Landwirtschaft, Ernährung“ (EULLE) neben Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen auch die investiven Maßnahmen zur Rationalisierung und Kostensenkung in Form einzelbetrieblicher und überbetrieblicher Maßnahmen auf hohem Niveau fortgesetzt. Mit diesem flankierenden Paket der agrarpolitischen Maßnahmen zielt die Landesregierung darauf ab, dass auch in Zukunft eine flächendeckende leistungsfähige, umwelt- und tiergerechte Landwirtschaft und der Weinbau in Rheinland-Pfalz dauerhaft erhalten bleiben. Ulrike Höfken Staatsministerin