Drucksache 16/305 08. 09. 2011 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Anna Neuhof (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten Naturnaher Waldbau und nachhaltige Nutzung Die Kleine Anfrage 198 vom 18. August 2011 hat folgenden Wortlaut: Der naturnahe Waldbau und die nachhaltige Nutzung sind Teil der globalen Verantwortung für Rohstoffsicherung, Klimaschutz und Biodiversität. Wälder und die Forstwirtschaft haben eine besondere Bedeutung für die Erhaltung der biologischen Vielfalt in Rheinland-Pfalz (80 Prozent der Natura-2000-Gebiete liegen im Wald). Naturnahe artenreiche Mischwälder mit standortangepassten Baumarten geben Stabilität auch unter sich ändernden klimatischen Bedingungen. Eine nachhaltige Forstwirtschaft liefert verlässlich den Rohstoff für eine Wertschöpfung, die viele Arbeitsplätze in unserem Land sichert. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. In welcher Weise beabsichtigt die Landesregierung, der besonderen Bedeutung der Wälder für die Vielfalt des Lebens Rechnung zu tragen? 2. Wie soll dies insbesondere in wirtschaftlich genutzten Wäldern realisiert werden? 3. Wie soll das Konzept im Forstbetrieb vor Ort umgesetzt werden? 4. Steht das Konzept im Einklang mit den Kriterien der Waldzertifizierung nach PEFC bzw. FSC? Das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 8. September 2011 wie folgt beantwortet: Rheinland-Pfalz ist mit 42 % Bewaldung das waldreichste Land der Bundesrepublik Deutschland. Vor dem Hintergrund der globalen Gefährdung der Wälder und ihrer Bedeutung für die Biodiversität, den Klimaschutz und die Bereitstellung von Holz und anderen erneuerbaren Ressourcen kommt der waldbezogenen Umweltpolitik in Rheinland-Pfalz eine herausragende Bedeutung zu. Unser Ziel ist es, die Multifunktionalität des Waldes zu erhalten und ihn mit Blick auf künftige Generationen naturnah und ökologisch stabil zu entwickeln. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna Neuhof (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) namens der Landesregierung wie folgt: Zu Frage 1: Frau Ministerin Ulrike Höfken hat ein Fachkonzept zur Erhaltung der Biodiversität im Wald vorgestellt. Wichtiger Bestandteil dieses Konzeptes ist neben bewährten Elementen wie dem naturnahen Waldbau, der im Staatswald bereits seit nunmehr 20 Jahren praktiziert wird, und den Konzepten zur Erhaltung und Entwicklung der genetischen Vielfalt des Waldes ein neues Konzept zum Umgang mit Alt- und Biotopbäumen im Staatswald des Landes. Da viele waldtypische Organismen an Alterungs- und Zerfallsphasen mit deren typischen Habitatrequisiten wie Höhlen und Rindenspalten gebunden sind, gilt es, solche in Wirtschaftswäldern selteneren Strukturen zu erhalten und zu mehren. Einen Beitrag hierzu leisten Waldflächen, auf denen keine Nutzung stattfindet, wie beispielsweise die Naturwaldreservate oder die Kernzonen des Biosphärenreservates. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 16. September 2011 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/305 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Zu Frage 2: Im Rahmen des naturnahen Waldbaus wurde die Totholzmenge in den Wäldern bereits deutlich gesteigert. Im Landesdurchschnitt sind rund 14 m³ Totholz pro ha Waldfläche vorhanden, im Staatswald sogar 17 m³. Im Rahmen der neuen Konzeption sollen Altund Biotopbäume in älteren Wäldern gruppenweise ausgewählt und dem Zerfall überlassen werden. Diese sogenannten Biotopbaumgruppen sollen zusammen mit größerflächigen nutzungsfreien Elementen sowie den Naturwaldreservaten die Vernetzung waldspezifischer Habitatelemente und damit die Biodiversität erhöhen. Eine gruppierte Erhaltung von Alt- und Biotopbäumen ist Voraussetzung für die Erfüllung der im Wald geltenden Arbeitssicherheitsstandards und dient damit zugleich dem Schutz der im Wald arbeitenden Menschen. Zu Frage 3: Das Alt- und Biotopbaumkonzept wird im Staatswald des Landes in Kürze mit einem umfassenden Schulungsprogramm für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Landesforsten und der Naturschutzverwaltung sowie für Verbandsvertreter beginnen und verbindlich eingeführt. Ab diesem Zeitpunkt wird in allen älteren Wäldern, in denen Maßnahmen stattfinden, mit der Auswahl von Biotopbaumgruppen begonnen. Parallel werden darüber hinaus auch andere Elemente des Konzepts wie etwa Sonderstandorte, in denen zukünftig temporär oder dauerhaft keine Nutzung stattfinden soll, von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vor Ort identifiziert. Die Elemente des Konzepts werden in einem geografischen Informationssystem von Landesforsten erfasst, sodass auch eine Zielerreichungskontrolle möglich ist. Zu Frage 4: Die oben beschriebene Konzeption steht im Einklang mit den Kriterien der Waldzertifizierung nach FSC (Forest Stewardship Council ) und PEFC (Programme for the Endorsement of Forest Certification). Der deutsche FSC-Standard fordert eine betriebliche Strategie für die Anreicherung und den Erhalt von Biotop- und Totholz. Hierbei werden langfristig zehn Biotopbäume pro ha angestrebt. Das bei Landesforsten entwickelte Konzept steht im Einklang mit diesen Anforderungen. So sind sowohl die Ausweisung im Rahmen forstlicher Bewirtschaftungsmaßnahmen als auch die vorgesehene Markierung der Biotopbaumgruppen sehr eng an dem FSC-Standard orientiert. Inwieweit hinsichtlich der langfristig angestrebten Biotopbaumzahl pro ha bei der anstehenden Zertifizierung des rheinland-pfälzischen Staatswaldes konkrete Zwischenziele formuliert werden müssen, ist im Rahmen des Vor-Audits zu klären. Der deutsche FSC-Standard fordert darüber hinaus auf einem Anteil von 5 % der Betriebsfläche sogenannte Referenzflächen, auf denen keine Nutzung erfolgt. Als Referenzflächen können auch die großflächigeren Elemente des Alt- und Biotopbaumkonzeptes, insbesondere Naturwaldreservate, eingebunden werden, sofern sie die entsprechende Mindestflächengröße aufweisen. Die Anforderungen von PEFC sind nicht höher und daher ebenfalls mit den Überlegungen kompatibel. Ulrike Höfken Staatsministerin