Drucksache 16/3140 12. 12. 2013 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Anna Neuhof (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur Tierversuche am Fachbereich Lebensmittelchemie und Umwelttoxikologie der Universität Kaiserslautern I Die Kleine Anfrage 2033 vom 19. November 2013 hat folgenden Wortlaut: In Deutschland wurden 2011 an knapp drei Millionen Tieren Versuche durchgeführt. Sowohl die Aufzucht und Haltung als auch die durchgeführten Testverfahren bedeuten für die Tiere oft Schmerzen und Leid. Bei vielen dieser Verfahren ist die Aussagekraft eingeschränkt oder es gibt sogar Alternativverfahren, die ohne Verwendung von Tieren auskommen. In Rheinland-Pfalz werden unter anderem am Fachbereich Lebensmittelchemie und Umwelttoxikologie der Universität Kaiserslautern Tierversuche durchgeführt. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. In welchen Forschungsprojekten des Fachbereichs Lebensmittelchemie und Umwelttoxikologie der Universität Kaiserslautern wurden in den letzten fünf Jahren Versuche an Tieren durchgeführt (Projektname und -laufzeit)? 2. Wie hoch ist jeweils der Anteil der gesetzlich vorgeschriebenen bzw. anzeigepflichtigen sowie der genehmigungspflichtigen Tier- versuche am Institut für Lebensmittelchemie und Umwelttoxikologie sowie an der Universität Kaiserslautern insgesamt? 3. Wie viele Tiere, aufgeschlüsselt nach Tierart, Anzahl der Tiere, Versuchsart und Nutzen des Versuchs, wurden in den letzten fünf Jahren an der Universität Kaiserslautern verwendet? 4. Werden die durchgeführten Tierversuche einer retrospektiven Bewertung unterzogen, aus der sich der von den Forschenden angegebene Nutzen und das Vorliegen der ethischen Vertretbarkeit nachprüfen lassen? Falls keine retrospektive Bewertung durchgeführt wird, welche konkrete Überprüfung der Forschungsergebnisse findet statt, um nachzuweisen, inwieweit ein Nutzen für den Menschen erzielt werden konnte, der höher ist als das Leid der Tiere? 5. Welche Kontrollen durch die zuständige Veterinärbehörde fanden in den letzten fünf Jahren statt? Welche Beanstandungen gab es? Das Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 11. Dezember 2013 wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Die Technische Universität Kaiserslautern hat keinen Fachbereich Lebensmittelchemie und Umwelttoxikologie; nachfolgende Angaben beziehen sich auf den Lehrbereich Lebensmittelchemie und Toxikologie an der Technischen Universität Kaiserslautern bzw. die Technische Universität Kaiserslautern insgesamt. Unterschieden wird zwischen genehmigungspflichtigen Tierversuchen und anzeigepflichtigen Tierversuchen. Von der Genehmigungspflicht ausgenommenen, aber einer Anzeigepflicht unterstellt sind folgende Vorhaben an Wirbeltieren oder Kopffüßern (Cephalopoden): durch Gesetz oder Rechtsverordnung, durch das Arzneibuch oder durch unmittelbar geltenden Rechtsakt der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union vorgeschriebene, in einer Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundes vorgesehene oder behördlich angeordnete Tierversuche (früher nach § 8 Abs. 7 Nr. 1 TierSchG, nach der Änderung vom 4. Juli 2013 nach § 8 a Abs. 1 Nr. 1 a bis c TierSchG); als Impfungen, Blutentnahmen oder sonstigen diagnostischen Maßnahmen nach bereits erprobten Verfahren durchgeführte Versuche, wenn sie der Erkennung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder körperlichen Beschwerden bei Menschen oder Tieren oder der Chargenprüfung oder der Zulassung von Seren, Blutzubereitungen, Impfstoffen Antigenen, Testallergenen im Rahmen dienen (früher nach § 8 Abs. 7 Nr. 2 TierSchG, nach der Änderung vom 4. Juli 2013 nach § 8 a Abs. a Nr. 2 a und b TierSchG); belastende Verfahren an lebenden Tieren zur Herstellung, Aufbewahrung oder Ver- Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 15. Januar 2014 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/3140 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode mehrung von Stoffen, Produkten oder Organismen (früher nach § 10 a TierSchG, nach der Änderung vom 4. Juli 2013 nach § 8 a Abs. 1 Nr. 3 a TierSchG); vollständige oder teilweise Entnahme von Organen oder Geweben zum Zwecke der Transplantation, Anlage von Kulturen oder isolierter Untersuchung (früher § 6 Abs. 1 Nr. 4 TierschG, nach der Änderung vom 4. Juli 2013 nach § 8 a Abs. 1 Nr. 3 b TierSchG); Behandlungen oder Eingriffe zum Zwecke der Aus-, Fort- oder Weiterbildung (früher nach § 10 TierSchG, nach der Änderung vom 4. Juli 2013 nach § 8 a Abs. 1 Nr. 4 TierSchG); Tierversuche an Zehnfußkrebsen (Dekapoden; früher nach § 8 a Abs. 1 TierSchG; nach der Änderung vom 4. Juli 2013 nach § 8 a Abs. 3 TierSchG). Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu Frage 1: Im Lehrbereich Lebensmittelchemie und Toxikologie der Technischen Universität Kaiserslautern wurden die folgenden Versuchsvorhaben genehmigt und durchgeführt: 2007 Projekttitel: Genexpression in der Mausleber nach Applikation nicht-dioxinartiger polychlorierter Biphenyle (NDL-PCBs); Genehmigung des Versuchsvorhabens erteilt bis zum 17. Februar 2011. 2008 Titel des Versuchsvorhabens: Ganzheitliche Studie zur genotoxischen Wirkung von Acrylamid in der Ratte: Wirkschwelle nach Einzeldosis und modulierende Wirkungen wiederholter Acrylamid-Exposition und gleichzeitiger Aufnahme von Kaffee auf biologische Effekte; Genehmigung erteilt bis zum 1. Juli 2011. 2011 Projekttitel: Untersuchungen metabolischer Parameter im Blut und Genexpression in der Mausleber nach Applikation von 2,3,7,8-Tetrachlorodibenzoparadioxin (TCDD); Genehmigung des Versuchsvorhabens erteilt bis zum 31. Juli 2013. Zu Frage 2: In den Jahren 2008 bis 2013 wurden an der Technischen Universität Kaiserslautern keine rechtlich vorgeschriebenen Tierversuche durchgeführt. Hinsichtlich der anzeigepflichtigen und genehmigungspflichtigen Tierversuchsanträge meldet der Tierschutzbeauftragte der Technischen Universität Kaiserslautern das Verhältnis wie folgt: Für die Technische Universität Kaiserslautern waren fünf Anträge (keiner davon im Lehrgebiet Lebensmittelchemie und Toxikologie ) anzeigepflichtig. Genehmigungspflichtig waren acht Anträge (drei davon im Lehrgebiet Lebensmittelchemie und Toxikologie). Zu Frage 3: Die genehmigungspflichtigen Tierversuche an der Technischen Universität Kaiserslautern dienten der Grundlagenforschung oder dem Zwecke der Ausbildung. Im Einzelnen werden sie wie folgt aufgeschlüsselt: 2 Tierart Verwendet für Gesamt Grundlagenforschung 1) Ausbildung 2) sonstige Zwecke 3) Mäuse 11 727 2 124 8 13 859 Ratten 2 304 420 5 2 729 Kaninchen 22 0 0 22 Vögel 0 13 5 18 Amphibien 72 263 0 335 Fische 0 4 5 9 Codes gemäß Angaben im Bundesgesetzblatt – BGBl. I Nr. 50 S. 2156 ff. – vom 12. November 1999: 1) Code-Nr. 61 – Bearbeitung einer Fragestellung aus der Grundlagenforschung; 2) Code-Nr. 68 – Aus-, Fort- und Weiterbildung; 3) Code-Nr. 69 – sonstige Zwecke (hierunter fallen beispielsweise Verfahren zur Herstellung und Erhaltung infektiöser Agenzien, Vektoren, Neoplasmen, Antikörper oder sonstiger biologischer Materialien, die nicht für einen der oben genannten Zwecke bestimmt sind. Auf den Lehrbereich Lebensmittelchemie und Toxikologie entfallen davon 1 046 Mäuse (rd. 7,5 %) und 140 Ratten (rd. 5,1 %). Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/3140 3 Zu Frage 4: Die Technische Universität Kaiserslautern leistet mit ihren Forschungsprojekten zu biomedizinischen Fragestellungen einen gesellschaftlichen Beitrag zu Fortschritt und Innovation auf einem Gebiet, welches national wie international eine große Bedeutung hat. Der Nutzen der Tierversuche wird in erster Linie durch Publikationen deutlich, die sowohl in englischsprachigen (und daher weltweit zugänglichen) Zeitschriften, die der Begutachtung durch peers (Peer-Review-Verfahren) unterliegen, als auch in Form von Doktor-, Diplom-, Master- und Bachelorarbeiten veröffentlicht werden. Bei der Grundlagenforschung ergibt sich definitionsgemäß der Nutzen im Erkenntnisgewinn. Der grundlagenbasierte Erkenntnisgewinn und die biomedizinische Komponente als Anwendungsaspekt leisten Beiträge zu Ursachen, Verständnis und Behandlung von beispielsweise Krebserkrankungen. Das intensive Verfahren zur Genehmigung von Tierversuchen, an dem auch Tierschutzorganisationen beteiligt sind, ist allen Forschungsvorhaben an Tieren vorgeschaltet; es berücksichtigt in der Bewertung die Abwägung des erwarteten Nutzens und die Interessen des Tierschutzes. Für eine retrospektive Bewertung gab es keine Rechtsgrundlage; eine retrospektive Bewertung wurde seitens der Behörde dem Antragsteller nicht abverlangt. Das Gleiche gilt für eine sonstige nachträgliche Überprüfung der Relation von Nutzen und Tierbelas - tung. Zu Frage 5: Die Kreisverwaltung Kaiserslautern ist seit 1. Januar 2012 die zuständige Veterinärbehörde für die Kontrolle der Versuchstierhaltungen in der Stadt Kaiserslautern und somit auch in der Universität. Vorher wurden die zuständigen Mitarbeiter der Stadtverwaltung Kaiserslautern von den Tierärzten des Landesuntersuchungsamts als Sachverständige begleitet. Es gab innerhalb der letzten fünf Jahre an der Technischen Universität Kaiserslautern in den Jahren 2008 und 2010 zwei Kontrollen (10. April 2008; 27. April 2010), jeweils ohne Beanstandungen. Aufgrund der Änderungen im Tierschutzgesetz sind innerhalb der kommenden Monate neue Erlaubnisse nach § 11 TierSchG für die Haltung und Zucht von Versuchstieren zu erteilen, in diesem Zusammenhang sind erneute Besichtigungen vorgesehen. In Vertretung: Vera Reiß Staatssekretärin