Drucksache 16/3152 16. 12. 2013 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Pia Schellhammer und Anne Spiegel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur Rechte Hetze gegen Unterbringung von Flüchtlingen in Rheinland-Pfalz Die Kleine Anfrage 2045 vom 26. November 2013 hat folgenden Wortlaut: In den vergangenen Wochen sind insbesondere in der Vorderpfalz verstärkt Flugblätter verteilt worden, auf denen fremdenfeindliche Parteien und Gruppierungen gegen die Unterbringung von Flüchtlingen hetzen. In Ludwigshafen hat am 13. November 2013 bereits eine Protestkundgebung der rechtsextremen Partei „Der III. Weg“ gegen eine Flüchtlingsunterkunft stattgefunden. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung bezüglich Versammlungen, Mahnwachen oder der Verteilung von Flugblättern gegen die Unterbringung Flüchtlingen in Rheinland-Pfalz in den letzten sechs Monaten vor? 2. Welche rechtsextremistischen Parteien und Gruppierungen sind in diesem Feld besonders aktiv? 3. Wie viele Personen sind nach Einschätzung, der Landesregierung im rechten fremdenfeindlichen Umfeld aktiv? 4. Wie kann auf diese fremdenfeindlichen Aktivitäten reagiert werden? 5. Wie versuchen die Landesregierung und die betroffenen Kommunen die Bevölkerung in der Nachbarschaft von bestehenden und geplanten Flüchtlingsunterkünften proaktiv zu informieren und bestehende Ängste und Sorgen abzubauen? Das Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 14. Dezember 2013 wie folgt beantwortet: Zu Frage 1: Für den Zeitraum 27. Mai 2013 bis 27. November 2013 liegen der Landesregierung Informationen über folgende Versammlungen, Mahnwachen und Flugblattverteilungen gegen die Unterbringung von Flüchtlingen in Rheinland-Pfalz vor: – Am 8. Juni 2013 versammelten sich auf dem Simeonstiftplatz in Trier 16 Personen in der Zeit von 14.20 bis 17.00 Uhr unter dem Motto „Gegen Spekulation und Asylbetrug – für ein nationales und soziales Trier! Soziale Gerechtigkeit wird durch unbeschränkte Kapitalflüsse und globale Niederlassungsfreiheit unmöglich“. Veranstalter war der NPD-Kreisverband Trier. Während der Kundgebung verteilten die Teilnehmer eine Broschüre „Pro Trier – Klartext für Volksfreunde“, Ausgabe 1/2013. – Der NPD-Bundesverband organisierte am 23. August 2013 am Hauptbahnhof in Trier eine Kundgebung mit bis zu fünfzehn Teilnehmern zu dem Thema „Asylflut und Europawahn stoppen – NPD in den Bundestag“. Die Versammlung dauerte von 10.15 bis 11.40 Uhr. – Der NPD-Landesverband Rheinland-Pfalz veranstaltete am 7. September 2013 in der Zeit von 10.28 bis 11.02 Uhr in der Maximilianstraße in Speyer eine Versammlung zur Thematik „Asylflut stoppen! Sicher leben!“, an der sieben Personen teilnahmen. – Am 14. September 2013 veranstaltete der NPD-Landesverband Rheinland-Pfalz eine Kundgebung unter dem Motto „Asylflut stoppen! Sicher leben! Jetzt hilft nur noch NPD!“ im Zedernweg in Mainz. Im Zeitraum 8.00 bis 8.47 Uhr beteiligten sich sieben Personen. Im weiteren Verlauf dieses Tages riefen die gleichen Veranstalter zu einer Versammlung unter dem gleichem Thema in der Dessauer Straße in Bad Kreuznach auf. Die Polizei registrierte in der Zeit von 17.45 bis 18.15 Uhr sieben Teilnehmer. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 15. Januar 2014 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/3152 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode – Am 4. Oktober 2013 nahmen 35 Personen an einer Kundgebung unter dem Motto „Kein Asylantenheim in Schifferstadt“ am Schiller platz in Schifferstadt teil. Die Versammlung begann um 18.20 Uhr und dauerte 20 Minuten und stand unter der Leitung eines Mannes aus dem Kreis Bad Dürkheim. Veröffentlichungen im Internet deuten darauf hin, dass am Vortag Flyer der Partei „Der III. Weg“ gegen die Einrichtung eines Wohnheimes für Asylbegehrende in Schifferstadt verteilt wurden. Die o. a. Person fungierte bei diesen Druckwerken als Verantwortlicher im Sinne des Presserechtes. – Eine Angehörige des NPD-Kreisverbandes Westpfalz veranstaltete am 26. Oktober 2013 zwei Kundgebungen zur Thematik „Asylantenheim? Nein Danke!“. In der Zeit von 9.00 bis 10.45 Uhr demonstrierten in der Hauptstraße in Rodalben neun Teilnehmer. An einer Kundgebung in der Homburger Straße in Zweibrücken nahmen von 12.00 bis 14.05 Uhr acht Personen teil. – Am 3. November 2013 brachten bislang unbekannte Täter insgesamt 60 handflächengroße Aufkleber zum Thema „Freiheit statt BRD“, „Islamisierung? Nein, danke!“ und „Asylmissbrauch stoppen“ an zwei Schaukästen im Eingangsbereich und an einer Seiten eingangstür des ehemaligen Freibadgeländes Lambsheim an. Dort errichtete die Gemeinde Wohncontainer zur Schaffung von Wohnraum für ca. 90 Flüchtlinge. Nach dem aufgedruckten Impressum waren die „Jungen Nationaldemokraten/Die Jugend für Deutschland ( JN)“, die „Aktion Widerstand.de“ und die „Bürgerbewegung Pro Deutschland“ für die Aufkleber inhaltlich verantwortlich. Die Wohncontainer waren zur Tatzeit unbewohnt. – Am 13. November 2013 versammelten sich unter Leitung der o. g. Person aus dem Kreis Bad Dürkheim zwischen 19.30 Uhr und 20.30 Uhr in der Bayreuther Straße in Ludwigshafen 35 Teilnehmer unter dem Motto „Überfremdung stoppen – Kein Asylantenheim in Ludwigshafen“. Nach Versammlungsende stellten polizeiliche Einsatzkräfte gegen 21 Uhr in der Nähe des Hauptbahnhofs Ludwigshafen eine Personengruppe fest, die ca. 1 000 neongelbe, ungefähr 10 x 7 Zentimeter große Aufkleber mit schwarzer Aufschrift „NS – Area“ und dem Hinweis „www.fn-hessen.net (Freies Netz Hessen)“ mitführte. Nach Identitätsfeststellung der Verantwortlichen stellte die Polizei zwei Exemplare als Beweismittel sicher. Ein weiteres Anbringen von Aufklebern in diesem Bereich unterblieb. – Unbekannte warfen am 27. November 2013 Flugblätter der Partei „Der III. Weg“ zum Thema „Asylantenflut stoppen – Kein Asyl bewerberheim in Ludwigshafen“ in Briefkästen von Anwohnern der Bayreuther Straße in Ludwigshafen. Zu den Fragen 2 und 3: Zu den rechtsextremistischen Organisationen, die sich in Rheinland-Pfalz aktuell dem Themenkomplex Flüchtlinge und Asyl vergleichsweise stärker widmen, zählen die „Nationaldemokratische Partei Deutschlands“ (NPD) und die Ende September dieses Jahres neu gegründete Partei „Der III. Weg“. Darüber hinaus findet das Thema Niederschlag in Teilen der Neonaziszene und in einschlägigen Internetforen. Die am Leitgedanken einer ethnisch homogenen Volksgemeinschaft ausgerichtete Weltanschauung der Rechtsextremisten schafft aus sich heraus ein Klima von Erniedrigung und Ausgrenzung. Menschen anderer Herkunft – pauschal als „Fremde“ bezeichnet – werden von Rechtsextremisten systematisch diffamiert; fremdenfeindliche Hetze ist seit jeher ein Schlüsselelement der rechtsextremistischen Agitation. Dieses Vorgehen orientiert sich bevorzugt an gesellschaftspolitischen Reizthemen, so am Themenfeld Flüchtlinge und Asyl. In Erinnerung ist die Entwicklung zu Beginn der 1990er Jahre, als Rechtsextremisten auf der Woge einer hitzigen Asyldebatte agitierten und agierten. Daher gilt, dass Rechtsextremisten aufgrund der von ihnen vertretenen Weltanschauung und politischen Überzeugungen generell eine ausgeprägt fremdenfeindliche Haltung einnehmen. Insofern muss davon ausgegangen werden, dass die in Rheinland-Pfalz festgestellten etwa 680 Rechtsextremisten allesamt als fremdenfeindlich charakterisiert werden können. Hinzu kommt ein nicht näher bezifferbares Sympathisantenumfeld. Zu Frage 4: Die Polizeibehörden sowie die als Versammlungsbehörden zuständigen Kreisverwaltungen und Stadtverwaltungen der kreisfreien und großen kreisangehörigen Städte sind sich der besonderen Brisanz rechtsextremistischer Versammlungen und Aufzüge bewusst und treffen unter Beachtung des Rechts auf Versammlungsfreiheit in jedem Einzelfall die zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nötigen versammlungsrechtlichen und sonstigen polizeilichen Maßnahmen. Darüber hinaus werden rechtsmotivierte Straftaten und Ordnungswidrigkeiten mit allen rechtlich zur Verfügung stehenden Mitteln verhindert und konsequent verfolgt. Zur Vorbereitung örtlicher sicherheitstechnischer Beratungen und auf möglicherweise zukünftig erforderlich werdende Schutzmaßnahmen haben die Polizeipräsidien landesweit alle Wohnungen und Unterkünfte von Asylbegehrenden erhoben, Ansprechpartner benannt und deren Erreichbarkeiten ausgetauscht. Die Thematik Fremdenfeindlichkeit und ihre Folgen ist darüber hinaus seit jeher ein essenzieller Bestandteil der Aufklärungs- und Präventionsarbeit der Landesregierung gegen Rechtsextremismus. Dies findet Ausdruck in zahlreichen Einzelmaßnahmen wie beispielsweise Informationsveranstaltungen, Publikationen und anderen Veröffentlichungen von Verfassungsschutz und Polizei, der Leitstelle Kriminalprävention des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur, der Landeszentrale für politische Bildung sowie weiteren Einrichtungen. Erst jüngst hat die Präventionsagentur gegen Rechtsextremismus angesichts der aktuellen Lageentwicklung zudem einen Hintergrundartikel in ihr Internetportal für die Landesverwaltung eingestellt. 2 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/3152 Ebenso wichtig ist neben einer umfassenden Prävention, wie sie in Rheinland-Pfalz stattfindet, ein möglichst breit getragenes bürgerschaftliches Engagement gegen Fremdenfeindlichkeit, Intoleranz und Hass. Dort, wo die Rechtsextremisten keinen Nährboden für ihre menschenverachtenden Thesen finden, haben sie auch keine Chance, sich zu entfalten und sich auf Dauer zu verankern. Dies ist in aller Regel der Fall, wenn die Demokratinnen und Demokraten geschlossen für Menschenwürde und Toleranz einstehen , indem sie sich engagieren und damit z. B. durch eine Teilnahme an Versammlungen gegen rechte Kundgebungen und Aufzüge ein Zeichen setzen. Zu Frage 5: Die Aufnahme und Unterbringung der Asylbegehrenden und der sonstigen Flüchtlinge ist nach dem Landesaufnahmegesetz Pflichtaufgabe der kommunalen Selbstverwaltung. Insofern liegen dem Ministerium für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen keine eigenen Erkenntnisse über Fragen im Zusammenhang mit Flüchtlingsunterkünften der Kommunen vor. Bezüglich der in der Zuständigkeit des Landes befindlichen Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Trier/Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende Trier (AfA), die im Sinne des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) Asylbegehrende dort aufnimmt und unterbringt , ist Folgendes festzustellen: Die soziale Betreuung der Asylbegehrenden erfolgt sowohl durch den landeseigenen Sozialdienst der AfA als auch durch Mitarbeitende von aus Mitteln des Landes oder der EU geförderten Wohlfahrtsverbänden, deren Arbeit durch ein gemeinsames Sozialbetreuungskonzept ineinandergreift. Durch gezielte Umfeld- und Öffentlichkeitsarbeit wird hierbei versucht, bestehende Vorbehalte in der Bevölkerung gegenüber der AfA und deren Bewohnerinnen und Bewohnern abzubauen und Verständnis für die Belange der dort untergebrachten Menschen zu wecken. So werden bei Besuchen und im Rahmen von Veranstaltungen Informationen und somit Gelegenheit gegeben, sich ein eigenes Bild zu machen und evtl. vorhandene Vorurteile zu korrigieren. Vor dem Hintergrund der Ausländerfeindlichkeit und von potenziellen Ausschreitungen gegen Fremde in unserem Land sind auch die vor Ort tätigen freien Wohlfahrtsverbände im Rahmen einer gemeinwesenorientierten Umfeldarbeit tätig und informieren die Bevölkerung über die Gründe, die zur Flucht geführt haben (wie Krieg, Verfolgung, Not und Folter), sowie über die Lebenssituation der Asylsuchenden in der Einrichtung und leisten die hierzu notwendige Aufklärungsarbeit (z. B. in Schulen und Kindergärten ). In Zusammenarbeit mit öffentlichen Einrichtungen, Einrichtungen der Jugendhilfe, Beiräten für Migration und Integration und politischen Parteien werden gegenwärtig folgende Maßnahmen durchgeführt: – Aufklärungsarbeit in Schulen und anderen Institutionen, – Podiumsdiskussionen zum Thema Asyl, – Mitarbeit in Arbeitskreisen und „Runden Tischen“, – Ermöglichen von Kontakten zwischen Asylsuchenden und Bevölkerung sowie – intensive Öffentlichkeitsarbeit mit den unterschiedlichen Medien. Roger Lewentz Staatsminister 3