Drucksache 16/3278 13. 02. 2014 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Nicole Müller-Orth, Anna Neuhof und Dietmar Johnen (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten Hormoneinsatz in der Schweinezucht Die Kleine Anfrage 2122 vom 23. Januar 2014 hat folgenden Wortlaut: Anfang Januar 2014 hat der BUND Deutschland eine Untersuchung zum Hormoneinsatz in der Schweinezucht veröffentlicht. Nach Aussage des BUND werden in der Schweinezucht Sexualhormone zur Zyklus synchro nisation eingesetzt. Dies entspricht weder einer guten fachlichen Praxis in der landwirtschaft lichen Erzeugung noch dem Tierschutz. Ferner sind Auswirkungen auf Böden und Wasser zu erwarten. Eine Anreicherung im Muskelfleisch der Tiere und schädliche Auswirkungen auf die Ver braucherinnen und Verbraucher bedürfen dringend regelmäßiger Kontrolle. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über den Einsatz von Hormonpräparaten zur Brunstsynchronisation, Ovulationsinduktion sowie zur Geburtseinleitung in der Schweinezucht? 2. Welche Folgen hat der Hormoneinsatz für die Tiere, die Verbraucherinnen und Ver braucher und die Umwelt? 3. Sieht die Landesregierung Interventionsmöglichkeiten im Bundesrat oder der Agrarminis ter konferenz, um ein bundesweites Verbot des Einsatzes von Sexualhormonen zu den o. g. Zwecken zu erwirken? 4. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, durch Änderungen der gesetzlichen Grundlagen die rasante Entwicklung in Richtung einer industrialisierten Tierhaltung aufzuhalten – zu Gunsten einer mittelständischen und bäuerlichen Schweinezucht? Das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten hat die Kleine Anfrage namens der Landes - regierung mit Schreiben vom 11. Februar 2014 wie folgt beantwortet: Zu Frage 1: Die nachfolgenden Aussagen beruhen auf einer Basis von 242 Bestandserhebungen durch den staatlichen Schweinegesundheitsdienst in 131 sauenhaltenden Betrieben in den letzten drei Jahren. Die in der Regel inhabergeführten Familienbetriebe hielten im Jahr 2012 durchschnittlich 185 Sauen. Die Bestandsbesuche deckten im Jahr 2012 etwa 40 % aller in Rheinland-Pfalz gehaltenen Sauen ab. In 60 % der vom Schweinegesundheitsdienst besuchten Betriebe wird mit einem Produktionsrhythmus gearbeitet. Es handelt sich nahezu ausschließlich um Betriebe mit mindestens 50 gehaltenen Sauen. Der Anteil der Jungsauen (Sauen vor der ersten Geburt) in diesen Betrieben wird mit rund 20 % der gehaltenen Sauen beziffert. 1. Brunstsynchronisation: Zur biotechnischen Brunstsynchronisation von Sauen wird das Gestagen-Präparat Altrenogest eingesetzt (vergleichbar den humanmedizinischen Präparaten zur Empfängnisverhütung). Das Präparat bewirkt eine sichere Ruhigstellung der Eierstöcke exakt für die Zeit der Verabreichung. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 6. März 2014 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/3278 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Von den Jungsauen werden in Rheinland-Pfalz bis zu 50 % mit Altrenogest in die bestehenden Gruppen eingegliedert. Von einer hormonellen Behandlung der Sauen nach dem Absetzen der Ferkel zum schnelleren Brunsteintritt und zur Vermeidung von Fruchtbarkeitsproblemen wird in Rheinland-Pfalz seitens der Tiergesundheitsdienste abgeraten, weil eine effektive Therapie bzw. Prophylaxe hierdurch fachlich nicht belegbar ist. 2. Ovulationsinduktion: Um den Zyklus der Jungsauen zeitgleich mit der übrigen Gruppe zu erreichen, wird den meisten Tieren, die Altrenogest verabreicht bekommen, anschließend einmalig PMSG injiziert. Eine verhaltensorientierte Brunst ist am 4. bis 6. Tag nach Ende der Altrenogestgabe zu beobachten. Eine zusätzliche Gabe von HCG (oder synthetisches GnRH) zur stundengenauen Terminierung des Eisprungs, wie in Großanlagen üblich, wird in den Betrieben in Rheinland-Pfalz sehr selten eingesetzt. Die genetische Selektion hat auch in Rheinland-Pfalz bereits eine so hohe Überlebensrate von befruchteten Embryonen hervorgebracht, dass die Anzahl der nunmehr geborenen Ferkel bereits an die physiologische Grenze kommt. Das natürliche Duldungsverhalten der Sauen erbringt die nachhaltig besten Besamungsergebnisse. Die Hormone FSH und LH werden nach Kenntnissen des Schweinegesundheitsdienstes in der Praxis in Rheinland-Pfalz nicht verwendet . 3. Geburtseinleitung: Geburten können mit dem Gelbkörper auflösenden Prostaglandin 2 alpha eingeleitet werden. Eine vorzeitige Geburtseinleitung führt zu vermehrten Todesfällen bei den Neugeborenen in Folge körperlicher Unreife. Dies widerspricht dem Tierschutz und der Intention der Tierhalter, deren primäres Interesse die Geburt möglichst vieler vitaler Ferkel ist. Eine solche Behandlung wird daher nur aus medizinischen Gründen bei verzögerten Geburten im Einzelfall empfohlen. Oxytocin (oder dessen Derivat Carbetocin) dient der Steigerung der Wehentätigkeit und wird in allen Ferkel erzeugenden Betrieben bei verzögerten Geburten eingesetzt. Der Einsatz erfolgt nach Anweisung des Tierarztes im Einzelfall. Das Ziel ist eine Steigerung der Wehentätigkeit und damit die Vermeidung von Totgeburten durch eine zu lange Verweildauer der Ferkel im Geburtskanal. Zu Frage 2: 1. Folgen für die Tiere: Die überwiegend inhabergeführten Familienbetriebe in Rheinland-Pfalz sind beim Einsatz von Hormonen zur Reproduktionssteuerung meist sehr zurückhaltend und reflektiert. Die Grenzen und Probleme eines Hormoneinsatzes werden von den betreuenden Hoftierärzten und dem Schweinegesundheitsdienst aufgezeigt. 2. Folgen für die Verbraucherinnen und Verbraucher Bundesweit entfallen nach grober Schätzung etwa 4 % der Schweineschlachtungen auf Zuchtsauen (und Zuchteber). Zuchtsauen kommen in Rheinland-Pfalz nur vereinzelt zur Schlachtung. Der überwiegende Anteil geht an Schlachtbetriebe in Nordrhein-Westfalen . In dem mit Abstand größten Schweineschlachtbetrieb in Rheinland-Pfalz sind nur ca. 0,1 % der geschlachteten Schweine Zuchtsauen. Untersuchungen von Lebensmitteln (inkl. Schlachttiere) auf Rückstände erfolgen im Rahmen des Nationalen Rückstandskontrollplans (NRKP). Die Probenahmen werden nach risikoorientierten Kriterien festgelegt. Die Probenahme zur Untersuchung auf den verbotenen Einsatz von Masthilfsmitteln (insbesondere Hormone) zielt in erster Linie auf Mastschweine ab. Vereinzelt werden auch Zuchtschweine beprobt. Bei Mastschweinen wurden in den Jahren 2010 bis 2013 jährlich zwischen 79 und 96 Proben *), d. h. in diesem Zeitraum insgesamt 340 Proben, von Mastschweinen auf Rückstände von Stoffen mit hormoneller Wirkung untersucht. In 2010 und 2011 wurde dabei jeweils in einem Mastschwein ein Nachweis von β-Boldenon geführt. In beiden Fällen wurden „niedrige Konzentrationen“ festgestellt, die auch natürlichen Ursprungs sein konnten. Die Vor-Ort-Kontrollen ergaben keine Unregelmäßigkeiten in den Erzeugerbetrieben. Bei Zuchtschweinen wurden in den Jahren 2010, 2012 und 2013 jeweils drei Proben von Zuchtschweinen auf Rückstände von Stoffen mit hormoneller Wirkung untersucht. Alle Ergebnisse waren negativ. Deutschlandweit wurden in den Jahren 2010 bis 2012 jeweils zwischen 13 100 und 14 990 Proben von Schweinen auf verbotene Stoffe mit anaboler Wirkung und auf nicht zugelassene Stoffe untersucht. Zwischen 0,49 % (in 2012) und 0,93 % (in 2010) der untersuchten Proben enthielten unzulässige Rückstandsgehalte. Darunter sind auch bestimmte Antibiotika zu subsummieren, sodass diese Beanstandungszahlen keine validen Rückschlüsse auf die Anwendung verbotener Stoffe mit anaboler Wirkung zulassen. 2 *) 2010: 79, 2011: 79, 2012: 86, 2013: 96 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/3278 3. Folgen des Hormoneinsatzes in der Umwelt Untersuchungen auf hormonell wirksame Substanzen im Grundwasser liegen nicht vor. Von einem relevanten Umweltrisiko durch einen Hormoneinsatz in der Schweinehaltung wird bei der geringen Schweinedichte (< 20 % Selbstversorgung) nicht ausgegangen. Zu Frage 3: Der Einsatz von Hormonen zur Leistungsförderung (Wachstumsbeschleunigung) bei Nutztieren ist in Deutschland seit 1958 verboten . In der Europäischen Union war der Einsatz von Hormonen zur Leistungsförderung zu keinem Zeitpunkt zulässig. Stoffen mit östrogener, androgener oder gestagener Wirkung dürfen bei Tieren, die der Lebensmittelgewinnung dienen, gemäß der Verordnung über Stoffe mit pharmakologischer Wirkung grundsätzlich nicht eingesetzt werden. Die Verwendung u. a. zur Brunstsynchronisation , Ovulationsinduktion, die Vorbereitung von Spender- oder Empfängertieren für den Embryotransfer, Behandlung von Fruchtbarkeitsstörungen bei Einzeltieren und Abbruch einer unerwünschten Trächtigkeit stellen derzeit noch zulässige Ausnahmen vom grundsätzlichen Anwendungsverbot dar. Durch eine entsprechende Änderung der Verordnung über Stoffe mit pharmakologischer Wirkung, insbesondere durch Streichung von Ausnahmetatbeständen vom Anwendungsverbot in Anlage 3, kann der Einsatz dieser Stoffe zur Brunstsynchronisation untersagt werden. Zu Frage 4: Eine rechtliche Maßnahme, die bereits ergriffen wurde, ist die in 2013 vollzogene Änderung des Baugesetzbuchs, mit der die Möglichkeiten für gewerbliche Betriebe Ställe im Außenbereich zu errichten, eingeschränkt wurden. Gewerbliche Tierhaltungen mit Ställen, die die Schwellenwerte der Umweltverträglichkeitsprüfung überschreiten (z. B. 1 b 15 000 Hennen oder Truthühner, 30 000 Junghennen oder Mastgeflügel, 600 Rinder, 1 500 Mastschweine oder 560 Sauen) können nur noch nach einer entsprechenden Bauleitplanung der Gemeinde errichtet werden. Zudem wurden die Förderbestimmungen für einzelbetriebliche Investitionsmaßnahmen mit Restriktionen hinsichtlich der maximalen Viehbesatzdichte versehen, z. B. 2,0 Großvieheinheiten/ha landwirtschaftlich genutzte Fläche. Weitere rechtliche Maßnahmen mit dem Ziel, die Zahl der maximal zulässigen Anzahl der gehaltenen Tiere im Sinne einer industriellen Produktion zu begrenzen, sind grundsätzlich über eine stärkere Bindung an die verfügbare (Futter-)Fläche oder den Nachweis von eigenen Flächen zur Ausbringung tierischer Exkremente möglich. Solche Bestimmungen sollten jedoch auf nationaler – besser auf EU-Ebene – greifen, da diese Maßnahmen zu einer Erhöhung der Produktionskosten und damit Wettbewerbsnachteilen gegenüber Regionen führen können, in denen geringere Anforderungen bestehen. Eine weitere Verlagerung und regionale Konzentration der Tierhaltung ist bei kleinräumigen Regelungen nicht auszuschließen , was dem eigentlichen Ziel einer regionalen und umweltverträglichen bäuerlichen Landwirtschaft zuwiderläuft. Im Bereich der Schweine- und Geflügelmast ist der Einsatz von Antibiotika in bestimmten Aufzucht- und Mastphasen unakzeptabel hoch. Mit der 16. Novelle des Arzneimittelgesetzes werden diese Tierhaltungsbetriebe verpflichtet, ihren Antibiotikaeinsatz regelmäßig zu melden und bei Überschreitung bestimmter Werte Maßnahmen zur Antibiotikareduktion einzuleiten. Die Stärkung einer regionalen Vermarktung, eine eindeutige Kennzeichnung tiergerecht erzeugter Lebensmittel sowie eine gute Verbraucherinformation und Ernährungsberatung sind weitere wichtige Bausteine, die wesentlich zum Erhalt einer mittelständischen und bäuerlichen Landwirtschaft beitragen. Ulrike Höfken Staatsministerin 3