Drucksache 16/3281 13. 02. 2014 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Thorsten Wehner, Kathrin Anklam-Trapp und Martin Haller (SPD) und A n t w o r t des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten Drahtwurmschäden im Kartoffelbau Die Kleine Anfrage 2117 vom 23. Januar 2014 hat folgenden Wortlaut: Als Drahtwürmer werden die Larven der Schnellkäfer (Elateridae) bezeichnet. Durch den Klimawandel hat sich der Drahtwurm in den vergangenen Jahren zunehmend verbreitet. Ohne Pflanzenschutz oder andere Maßnahmen können hierdurch größere Schäden für den Kartoffelanbau in Rheinland-Pfalz entstehen. Eine zeitlich begrenzte Sondergenehmigung für ein Pflanzenschutzmittel mit dem Wirkstoff Fipronil für das Jahr 2014 war vom Bundes amt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) bislang abgelehnt worden. Hintergrund war insbesondere die Annahme, dass europaweit Rückstandshöchstgehalte für Fipronil in Kartoffeln von 0,01 mg/kg auf 0,005 mg/kg gesenkt werden sollten. Eine reguläre Zulassung wurde nach Angaben des herstellenden Unternehmens bereits vor sechs Jahren beim Umweltbundesamt beantragt. Gemäß der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 781/2013 vom 14. August 2013 dürfen die Mitgliedstaaten zum Schutz von Bienen fipronilhaltige Pflanzenschutzmittel nur noch zur Behandlung von Saatgut zulassen, das zur Aussaat im Gewächshaus bestimmt ist, sowie für Saatgut von Lauch-, Zwiebel-, Schalotten- und Kohlpflanzen, die im Freien kultiviert und vor der Blüte geerntet werden . Die Entscheidung des BVL hinsichtlich des Mittels „Goldor Bait“ zur Anwendung im Kartoffelbau ist allerdings noch nicht rechtskräftig. In den letzten Jahren galt eine eingeschränkte 120-Tage-Zulassung für das Fipronil-Pflanzen schutzmittel „Goldor Bait“, das als Granulat verwendet wird. Nach Expertenangaben sind zwei Drittel der Kartoffelanbauflächen in Rheinland-Pfalz vom Drahtwurm befallen. Wir fragen die Landesregierung: 1. Wie bewertet die Landesregierung die Bedeutung des Kartoffelanbaus für die Landwirt schaft im Land? 2. Welche alternativen Pflanzenschutzmittel bzw. Möglichkeiten der Vorbeugung von Draht wurmschäden im Kartoffelbau stehen derzeit zur Verfügung? 3. Wurden nach Kenntnis der Landesregierung die europaweiten Rückstandshöchstgehalte für Fipronil in Kartoffeln bereits ge- senkt bzw. steht dies derzeit noch auf der Agenda? 4. Wird die Landesregierung eine befristete Notfallzulassung nach Artikel 53 der Ver ord nung (EG) Nr. 1107/2009 des Fipronil- Pflanzenschutzmittels zur Bekämpfung des Draht wurms unterstützen? Das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten hat die Kleine Anfrage namens der Landes - regierung mit Schreiben vom 11. Februar 2014 wie folgt beantwortet: Zu Frage 1: Der Kartoffelanbau ist in Deutschland seit Jahren rückläufig. Das gilt auch für die Kartoffelanbaufläche in Rheinland-Pfalz, welche im Jahr 2012 nur noch rund 7 900 ha betrug. Die Kartoffeln-Erntemenge betrug im selben Jahr 303 800 t, bzw. einem Ertrag von 387,8 dt/ha. 321 Landwirte der Region sind in der Pfälzischen Früh-, Speise- und Veredlungskartoffel-Erzeugergemeinschaft e. V. zusammengeschlossen . Die Kartoffelanbauer im Lande haben gravierende Probleme mit der Drahtwurmbekämpfung, die den Anbau in Frage stellt. Die derzeit einzig verlässliche Bekämpfungsmöglichkeit ist der Einsatz von „Goldor Bait“ per Notfallgenehmigung. Es wird befürchtet, dass diese Möglichkeit künftig wegfällt. Die wirtschaftlichen Verluste für die Betriebe wären enorm, wenn keine Mög- Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 7. März 2014 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/3281 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode lichkeiten der Drahtwurmkontrolle gefunden werden. Je nach Befallsgrad dürften sie sich zwischen 1,2 und 20 Mio. € bewegen. Fehlen die Möglichkeiten einer effektiven Drahtwurmkontrolle, so ist die sehr erfolgreiche regionale Vermarktung in ernster Gefahr, da die Betriebe zunehmend den Kartoffelanbau aufgeben. Zu Frage 2: Die lange Zeit unabsehbare Genehmigungssituation hat deutlich gezeigt, dass dringend umweltschonende, nicht-chemische nachhaltige Bekämpfungsalternativen erarbeitet werden müssen. Die bisher untersuchten Maßnahmen der nicht-chemischen Drahtwurmbekämpfung erreichten nicht ausreichende Wirkungsgrade. Fruchtfolgemaßnahmen, natürliche Gegenspieler (Laufkäferarten oder parasitische Bodenpilze), der Einsatz von Pflanzenstärkungsmitteln, Kompostextrakten und biologischen Pflanzenschutzmitteln (entomopathogene Pilze), aber auch Massenfängen mittels Pheromon-Fallen, der Einsatz von Kalkstickstoff zur Düngung oder Bodenbearbeitung mit rotierenden Werkzeugen (Fräsen) konnten dieses für den Kartoffelbau existenzbedrohende Problem nicht lösen. Daher habe ich Mitte Dezember mit der Pfälzischen Früh-, Speise- und Veredlungskartoffel-Erzeugergemeinschaft (EZG) bei einem Gespräch in meinem Hause auch alternative Bekämpfungsmöglichkeiten des Drahtwurms im vorderpfälzischen und rheinhessischen Kartoffelanbau eruiert. Ich habe dabei die Durchführung eines gemeinsamen Projektes vereinbart. Hierin sollen alternative Bekämpfungsmöglichkeiten erprobt und optimiert werden. Hoffnung verspricht die so genannte „Biofumigation“. Bei der Methode werden stark senfölhaltige Pflanzen auf Kartoffeläckern angebaut, die nach dem Aufwuchs zerkleinert und in den Acker eingearbeitet werden. Bei der Zersetzung des Pflanzenmaterials entstehen Stoffe, die Drahtwürmer abtöten könnten. Weitere hierin zu erprobende Strategien sind die Entwicklung von Köderverfahren mit weniger risikobehafteten Insektiziden, die auch im ökologischen Landbau erlaubt sind. Das Projekt soll demnächst gestartet werden. Zu Frage 3: Im November 2013 hatte das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) die entsprechenden Anträge zunächst abgelehnt. Der entscheidende Grund war eine erwartete Absenkung des Rückstandshöchstgehaltes für Fipronil in Kartoffeln von 0,01 mg/kg auf 0,005 mg/kg. Nach den vorliegenden Rückstandsdaten ist der abgesenkte Wert bei der Anwendung von „Goldor Bait“ nicht einhaltbar. Zwar ist nach wie vor davon auszugehen, dass der Rückstandshöchstgehalt auf EU-Ebene abgesenkt wird, es liegen jedoch inzwischen verlässliche Informationen der Europäischen Kommission vor, dass die im Jahr 2014 erzeugten Kartoffeln davon noch nicht betroffen sein werden. Ein gesundheitliches Risiko für Verbraucher besteht bei Rückständen in Kartoffeln bis 0,01 mg/kg laut einer Stellungnahme der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit vom 15. Januar 2014 nicht. Bei dieser Sachlage hat das BVL den Widersprüchen der Antragsteller stattgegeben. Zu Frage 4: Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) hat am 23. Januar 2014, nachdem die Rückstandsthematik geklärt war, die Anwendung des Pflanzenschutzmittels „Goldor Bait“ zur Bekämpfung des Drahtwurms in Kartoffeln genehmigt. Bei „Goldor Bait“ handelt es sich um ein Ködergranulat mit dem Wirkstoff Fipronil, das beim Legen der Kartoffeln in die Pflanzfurche gestreut wird. Es handelt sich um eine Zulassung für Notfallsituationen gemäß Art. 53 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 i. V. m. § 29 Pflanzenschutzgesetz, die vom 27. Januar 2014 bis zum 26. Mai 2014 gilt. Die deutschlandweit genehmigte Präparatmenge in Höhe von 160 t wird voraussichtlich den geschätzten Bedarf abdecken können. Die Zulassung ist mit Anwendungsbestimmungen und Auflagen verbunden, die insbesondere auf den Schutz von Bienen abzielen. Bei Beachtung aller Vorschriften zur Anwendung wird das Risiko für Bienen zwar als gering bewertet, dennoch ist der Wirkstoff Fipronil allenfalls als kurzfristige Übergangslösung bis zur Erarbeitung von umweltschonenderen Alternativen vorstellbar. Ziel muss ein möglichst baldiger Ausstieg aus der chemischen Drahtwurm-Bekämpfung mit „Goldor Bait“ sein. Sowohl bei der Einhaltung der Anwendungsvorschriften für „Goldor Bait“ als auch bei der Erarbeitung von alternativen Bekämpfungsstrategien wird das Land Rheinland-Pfalz die Kartoffelanbauer unterstützen. Ulrike Höfken Staatsministerin