Drucksache 16/3338 24. 02. 2014 K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Andreas Hartenfels (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Ministeriums für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung Neues Europäisches Vergaberecht Die Kleine Anfrage 2145 vom 31. Januar 2014 hat folgenden Wortlaut: Am 15. Januar 2014 hat das Europäische Parlament in Straßburg mit großer Mehrheit das Gesetzespaket zur Modernisierung der öffentlichen Auftragsvergabe verabschiedet. Während die allgemeinen und sektorspezifischen EU-Richtlinen zur öffentlichen Beschaffung von Waren und Dienstleistungen einer Revision unterzogen wurden, sind Dienstleistungskonzessionen nun erstmals Gegenstand einer europäischen Regelung. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche neuen Regelungen sieht die EU vor und wie bewertet die Landesregierung diese? 2. Welche Auswirkungen haben diese Neuregelungen auf das Handeln der Landesregierung? 3. Welche Chancen stecken in den Neuregelungen insbesondere unter umweltpolitischen Gesichtspunkten? 4. Wie wirken sich die Neuregelungen auf die Kommunen und Zweckverbände aus? 5. Wie können kleine oder mittlere Unternehmen von der Neuregelung profitieren? 6. Welche Auswirkungen hat das neue Gesetz für integrative oder soziale Unternehmen? Das Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 21. Februar 2014 wie folgt beantwortet: Den vom EU-Parlament am 15. Januar 2014 verabschiedeten drei Richtlinien zum Vergaberecht hat der Europäische Rat am 11. Februar 2014 zugestimmt. 20 Tage nach Veröffentlichung der Richtlinien im Amtsblatt der Europäischen Union beginnt die zweijäh - rige Umsetzungsfrist für die Mitgliedstaaten, sodass im Frühjahr 2016 das neue Vergaberechtsregime gelten wird. Zunächst müssen die umfangreichen Richtlinien ausgewertet werden. Trotz einiger verbindlicher Neuerungen lassen sich jedoch gegenwärtig die konkreten Auswirkungen auf das deutsche Vergaberecht im Detail noch nicht abschätzen, da viele Regelungen von den Mitgliedstaaten unterschiedlich ausgestaltet werden dürfen. Hiermit sind in der zur Verfügung stehenden Zeit von zwei Jahren die Vertrags- und Vergabeausschüsse (VOL, VOB, VOF) des Bund-Länder-Arbeitskreises für das öffentliche Vergabewesen und die Bundesregierung (BMWi) befasst. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Zu Frage 1: Mit ihrem Inkrafttreten werden die beiden neugefassten Vergaberichtlinien (klassische Vergabe- und Sektorenvergabe-Richtlinie) an die Stelle der bislang geltenden EU-Vergaberichtlinien aus dem Jahre 2004 (Richtlinien 2004/18/EG und 2004/17 EG) treten. Die Konzessionsrichtlinie regelt erstmals auf EU-Ebene gesetzlich die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen, die bisher in wesentlichen Fragen bereits durch ein gefestigtes Richterrecht des EuGH erfasst wurde. Die neue Konzessionsrichtlinie gilt für Konzessionen im Bereich der Bau- und Lieferleistungen. Die klassische Richtlinie und die Sektorenrichtlinie sehen insbesondere folgende Neuregelungen vor: – Neben den bisher bekannten Vergabearten (offenes und nicht offenes Verfahren, das Verhandlungsverfahren mit und ohne vorherige Veröffentlichung, der wettbewerbliche Dialog) wird die sogenannte Innovationspartnerschaft neu eingeführt. Sie kommt zur Anwendung, wenn der öffentliche Auftraggeber ein innovatives Produkt oder eine innovative Dienstleistung oder Bauleis - tung nachfragt. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 20. März 2014 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/3338 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode – Die Vergaberichtlinien sind nicht anzuwenden, wenn öffentliche Auftraggeber direkt an andere juristische Personen des öffentlichen Rechts einen Auftrag erteilen. Dies gilt unter bestimmten Voraussetzungen auch für Stellen, an denen juristische Personen des Privatrechts beteiligt sind. – Die Eignungskriterien sollen eine zweckmäßige, mit dem Auftragsgegenstand in Zusammenhang stehende und verhältnismäßige Eignungsprüfung sicherstellen. Der von den Bietern nachzuweisende Mindestjahresumsatz wurde vom Drei- auf das Zweifache des geschätzten Auftragswertes reduziert. Zudem sind Erleichterungen durch Stärkung der Eigenerklärung in der Angebots - phase vor Zuschlagserteilung vorgesehen. – Die Vergabe von Aufträgen in Lose wird im Vergleich zur bisherigen Richtlinie gestärkt. Danach können die öffentlichen Auftraggeber einen Auftrag in Form mehrerer Lose vergeben sowie Größe und Gegenstand der Lose bestimmen. Auftraggeber haben grundsätzlich gesondert zu begründen, aus welchen Gründen sie einen Auftrag nicht in Lose unterteilen. – Die elektronische Vergabe wird verbindlich eingeführt und als Grundsatz festgelegt. Ein genauer Zeitrahmen für die Pflicht zur elektronischen Vergabe ist nicht vorgesehen. Die Mitgliedstaaten können den Zeitpunkt der Einführung selbst bestimmen. – Zentrales Kriterium für die Vergabe eines Auftrages ist das wirtschaftlich günstigste Angebot. Zu den für die Zuschlagsentscheidung maßgebenden Kriterien zählen Qualitäts-, Umwelt- oder Sozialaspekte, sofern sie auftragsbezogen sind. Die vorbezeichneten Änderungen sind grundsätzlich geeignet, einen Beitrag zur Vereinfachung und für mehr Rechtssicherheit im Vergaberecht sowie zur Stärkung der kleinen und mittleren Unternehmen zu leisten. Die Möglichkeiten zur Einbeziehung qualitativer , umweltbezogener und sozialer Aspekte bei der Vergabe öffentlicher Aufträge werden verbessert. Zudem werden Voraussetzungen für innovative Lösungen im öffentlichen Beschaffungswesen geschaffen. Zu Frage 2: Die neuen Richtlinien bilden den Rechtsrahmen für europaweite Auftragsvergaben, d. h. für Auftragsvergaben oberhalb der EUSchwellenwerte , welche jedoch nur einen geringen Teil des Vergabevolumens ausmachen. Viele Regelungen der neuen klassischen Richtlinie können von den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich ausgestaltet werden. Es ist nun Aufgabe der Vertrags- und Vergabeausschüsse (VOL, VOB, VOF) und des Bund-Länderarbeitskreis für das öffentliche Vergabewesen, welche in den anstehenden Gesetzgebungsprozess eingebunden sind, diese Spielräume zu nutzen. Zu Frage 3: Öffentliche Auftraggeber können bei ihrer Beschaffung verlangen, dass spezifische umweltbezogene und soziale Merkmale eingehalten werden, die durch Gütezeichen nachzuweisen sind. Solche Gütezeichen müssen bestimmte Anforderungen erfüllen, insbesondere mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen und allen Betroffenen zur Verfügung stehen. Grundlage für die Zuschlagserteilung ist das wirtschaftlich günstigste Angebot. Wird dieses nach dem besten Preis-Leistungsverhältnis ermittelt, können die Vergabestellen verstärkt qualitative, umweltbezogene, innovative sowie soziale Aspekte in die Vergabe - entscheidung einfließen lassen. Zudem können Lebenszykluskosten (Anschaffungskosten, Verbrauch von Energie und anderen Ressourcen , Recyclingkosten) bei der Wertung der Angebote berücksichtigt werden. Zu Frage 4: Die interkommunale Zusammenarbeit wird nach Umsetzung der neuen Vergaberichtlinien vereinfacht, da öffentliche Auftraggeber die Möglichkeit haben, ohne Ausschreibung direkt an andere juristische Personen des öffentlichen Rechts zu vergeben, darüber hinaus unter bestimmten Voraussetzungen auch an Stellen, an denen juristische Personen des Privatrechts beteiligt sind. Zu Frage 5: Durch die Stärkung der Losvergabe und die Eigenerklärung während des Bieterprozesses und die Beschränkung des Nachweises des Mindestumsatzes auf das Zweifache des Auftragswertes, wird den mittleren und kleinen Unternehmen der Marktzugang erleichtert . Zu Frage 6: Für soziale (personenbezogene) Dienstleistungen sehen die neuen Richtlinien Sonderregelungen vor. Dies betrifft u. a. Dienstleistungen im Sozial- und Gesundheitswesen sowie im Bildungs- und Kulturbereich. Für öffentliche Aufträge über diese Dienstleis - tungen gilt ein Schwellenwert von 750 000 Euro netto. Soweit der Wert des Auftrags für die sozialen Dienstleistungen unterhalb dieses Nettowertes liegt, soll er vom europäischen Vergaberecht nicht erfasst werden. Für Rettungsdienste ist eine Bereichsausnahme vorgesehen, sodass die Notfallrettung an gemeinnützige Organisationen ohne formale EU-weite Ausschreibung vergeben werden kann. Schon bisher war es möglich, bestimmte Aufträge für geschützte Werkstätten oder integrative Betriebe zu reservieren. Diese Möglichkeit wird auch auf Soziale Unternehmen ausgedehnt, deren Ziel die soziale und berufliche Integration von benachteiligten Menschen ist und die mindestens zu 30 % behinderte oder benachteiligte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigen. Eveline Lemke Staatsministerin