Drucksache 16/3366 07. 03. 2014 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Andreas Hartenfels und Ulrich Steinbach (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten Erfassung von Nanomaterialien Die Kleine Anfrage 2165 vom 11. Februar 2014 hat folgenden Wortlaut: Seit nunmehr zehn Jahren wird Nanotechnologie weltweit als Basisinnovation, als Schlüsseltechnologie angesehen. Viele erwarten von nanotechnologischen Produkten Impulse für ein breites Spektrum gesellschaftlicher Anwendungsfelder und Innovationen für viele Branchen unserer Wirtschaft: bei Produkten, Prozessen und Materialien, mit positiven Auswirkungen für Wirtschaftswachstum und qualifizierte Arbeitsplätze, für Ressourcen- und Umweltschonung. Gleichzeitig wird die Notwendigkeit gesehen, möglichst frühzeitig Wissenslücken zu möglichen Auswirkungen von Nanomaterialien auf Mensch und Umwelt zu schließen und – mit Blick auf Beibehaltung des Vorsorgeprinzips – Risiken bei der Verwendung nanotechnologisch hergestellter Produkte einzugrenzen . Mögliche Gefährdungspotenziale müssen rechtzeitig identifiziert und Vorkehrungen dagegen getroffen werden. Um Transparenz für Verbraucher sowie für die Überwachungsbehörden in den Ländern zu schaffen, haben sich die Länder am 5. Juli 2013 im Bundesrat auf Initiative der Landesregierung für ein europaweites Nano-Produktregister ausgesprochen. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Wie beurteilt die Landesregierung die Innovationspotenziale von Nanomaterialien sowie die damit verbundenen positiven öko- nomischen Effekte im Kontext des bestehenden Gefahrenpotenzials? 2. Sind die derzeitigen Erfassungs-Regime für Nanomaterialien, wie etwa die REACH-Regelung, aus Sicht der Landesregierung aus- reichend, um deren Einsatz im notwendigen Umfang zu regulieren? 3. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass Nanomaterialien unter REACH als separate Stoffe registriert werden müssen und wird sie sich gegebenenfalls dafür auch auf europäischer Ebene einsetzen? 4. Sieht es die Landesregierung als notwendig an, eigene Prüf- und Risikobewertungsmethoden für die Nanomaterialien anzuwen- den? 5. Welche Schritte wurden seit Beschluss des Bundesrates zum Nanoproduktregister hinsichtlich der Einführung eines europawei- ten Nanoproduktregisters unternommen? Das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten hat die Kleine Anfrage namens der Landes - regierung mit Schreiben vom 10. März 2014 wie folgt beantwortet: Zu Frage 1: Das große Potenzial bei der Verwendung von Nanomaterialien zur branchenübergreifenden Verbesserung von Produktqualitäten bzw. bei der Schaffung neuartiger Produkte hat in den letzten Jahren nicht nur in Deutschland, sondern europa- und weltweit zu einer rasanten Anwendung der Nanotechnologie in nahezu allen Branchen geführt. Darüber hinaus konnte durch die Anwendung nanotechnologischer Verfahren bei einer Anzahl von Nanoprodukten ein geringerer Materialeinsatz bei verbesserter Qualität und gesteigertem Nutzwert der Produkte erreicht werden, was ökonomische und auch ökologische Vorteile nach sich gezogen hat. Gerade in den letzten Jahren wurde durch entsprechende Forschungsanstrengungen auf nationaler, internationaler und auch privatwirtschaftlicher Ebene die Datenbasis für eine Risikobeurteilung von Nanomaterialien/Nanopartikeln deutlich gestärkt. Trotzdem bleiben noch viele Fragen zu möglichen gesundheitlichen und umweltbezogenen Auswirkungen von Nanomaterialien offen. Allgemeiner wissenschaftlicher Konsens ist, dass insbesondere im Bereich des Arbeitsschutzes strenge Sorgfalt und Vermeidung der inhalativen Exposition gegenüber den Materialien angezeigt ist. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 31. März 2014 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/3366 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Das Risiko einer Gesundheitsbeeinträchtigung für Verbraucherinnen und Verbraucher bei ihrem vorrangig über die Haut (zum Teil auch geschädigte Haut) oder über den Magen-Darm-Trakt erfolgenden Kontakt mit industriell hergestellten Nanomaterialien, deren Nanopartikel ggf. nicht dauerhaft in Matrixstrukturen gebunden sind, wird dagegen kontrovers diskutiert. Wegen der möglichen Risiken für Beschäftigte, Verbraucherinnen und Verbraucher und Umwelt wurden inzwischen in einigen Bereichen Vorschriften speziell für Nanomaterialien erlassen, so für Lebensmittel, Kosmetika und Biozidprodukte. Im Hinblick auf die Expositionshöhe und Vielfalt an Nanomaterialien bedarf es evaluierter, weltweit anerkannter Messverfahren bei allen Anwendungsformen, insbesondere aber auch im Hinblick auf Umweltbelastungen durch Nanomaterialien, damit in Zukunft gesicherte Erkenntnisse vorliegen. Auch die Risikobetrachtung unter Lebenszeit- oder Recycling-Aspekten von Nanoprodukten steht noch am Anfang. Die Landesregierung verfolgt die Entwicklung aufmerksam und hat auch eigene Projekte zusammen mit dem Bundesamt für Risiko - bewertung (BfR) unter dem Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes und der Risiko-Klassifizierung von Nanomaterialien auf den Weg gebracht. Zu Frage 2: Die Landesregierung hält die REACH-Verordnung als rechtlichen Rahmen zur Aufnahme von Regelungen zu Nanomaterialien grundsätzlich für geeignet. Darüber hinaus erachtet sie jedoch eine Überprüfung der Verordnung als notwendig an. Die weitere Vorgehensweise, auch zu der Frage, wie spezifische Anforderungen für Nanomaterialien in der Verordnung aufgenommen werden sollen, werden die zuständigen Ressorts in engem Dialog mit den betroffenen Akteuren erörtern (siehe Antwort zu Frage 5). Zu Frage 3: Die spezifischen Eigenschaften hergestellter Nanomaterialien müssen in geeigneter Form erfasst und dokumentiert werden. Ob es sinnvoll ist, Formen eines Stoffes mit Korngrößenverteilungen, die unter die Definition von Nanomaterial fallen, als separaten Stoff zu registrieren, oder ob andere Möglichkeiten bestehen, zu einem Stoff verschiedene Modifikationen zu registrieren, sollte im Rahmen des Novellierungsprozesses der REACH-Verordnung geprüft werden. Zu Frage 4: Nein. Die Landesregierung beabsichtigt nicht, landeseigene Prüf- und Risikobewertungsmethoden anzuwenden. Aufgrund der geringen Dimensionen von Nanomaterialien könnten andere Aufnahmewege in den Körper und andere Wirkmechanismen bestehen, zum Beispiel beim Transport in die Lunge und in die Zellen. Daher müssen die bestehenden Prüf- und Risikobewertungsmethoden daraufhin wissenschaftlich überprüft werden, ob sie für alle in Frage kommenden Korngrößenverteilungen eines Stoffes geeignet sind. Zu Frage 5: Auf EU-Ebene dauern die Beratungen an. Die Landesregierung geht davon aus, dass die Bundesregierung sich auf der Grundlage des Beschlusses des Bundesrates positionieren wird. Die vorhergehende Bundesregierung – vertreten durch das damalige Verbraucherschutzministerium – hatte die Initiative der Länder nicht unterstützt. In Rheinland-Pfalz dauern die Gespräche mit der rheinland-pfälzischen Industrie und dem Verband der chemischen Industrie (VCI) auch nach dem Beschluss des Bundesrates zur Einführung u. a. eines europäischen Nanoproduktregisters an. Ein Ergebnis liegt noch nicht vor. Die Landesregierung hatte bereits im Vorfeld des Bundesratsbeschlusses in einer öffentlichen Expertenanhörung zur Nanotechnologie , in der alle involvierten Gruppen zu Wort kamen, grundsätzliche Unterstützung für ihre Initiative, z. B. durch die Vertreterin des Sachverständigenrates für Umweltfragen (SRU) der Bundesregierung, wie auch u. a. von dem Vertreter der Verbraucherschutzverbände und dem des BUND, erhalten. In Vertretung: Dr. Thomas Griese Staatssekretär