Drucksache 16/3438 26. 03. 2014 K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Dr. Bernhard Braun (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Ministeriums für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung Speichertechnologien als Baustein der erfolgreichen Energiewende in Rheinland-Pfalz Die Kleine Anfrage 2211 vom 5. März 2014 hat folgenden Wortlaut: Die rot-grüne Landesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag von 2011 einen Schwerpunkt auf die Umsetzung der Energiewende in Rheinland-Pfalz gesetzt. Mit einem steigenden Anteil der volatilen erneuerbaren Energien am rheinland-pfälzischen Strommix, wird auch die Frage nach der Stromspeicherung zunehmend Relevanz gewinnen. Um Erzeugungsschwankungen auszugleichen, wird es künftig notwendig sein, dass Stromspeicher während einer erhöhten Stromproduktion die überschüssige Energie aufnehmen um sie im Bedarfsfall wieder an das Netz abgeben zu können. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Welche Forschungs- und Modellprojekte in Sachen Speichertechnologien sind der Landesregierung in Rheinland-Pfalz bekannt? 2. Wie beurteilt die Landesregierung die Erfolgsaussichten einzelner Speichertechnologien speziell für die Gegebenheit in Rhein- land-Pfalz (Power-to-Gas, Power-to-Heat, Batteriespeicher, Pumpspeicherkraftwerke, Druckluftspeicher etc.)? 3. Ab wann wird der Einsatz weiterer Speicher, nach Einschätzung der Landesregierung, in Rheinland-Pfalz notwendig sein, um die Versorgungssicherheit im Land weiterhin zu gewährleisten? 4. Wie schätzt die Landesregierung die künftigen Rahmenbedingungen für die Speichertechnologieforschung ein, die sich durch den Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung ergeben? 5. Welche Maßnahmen führt die Landesregierung durch bzw. plant die Landesregierung um die Forschung an Speichertechnologien in Rheinland-Pfalz zu fördern? Das Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 26. März 2014 wie folgt beantwortet: Der Ausbau der erneuerbaren Energien in Rheinland-Pfalz mit dem Ziel einer bilanziell vollständigen Deckung des Strombedarfs aus regenerativen Energiequellen bis zum Jahr 2030 wird insbesondere durch den Ausbau der Windkraft und der Photovoltaik getragen werden. Aus dem damit verbundenen hohen Anteil an dargebotsabhängiger Stromerzeugung ergeben sich besondere Anforderungen sowohl hinsichtlich der Integration von Windkraft und Photovoltaik in sichere Versorgungsstrukturen als auch in Bezug auf die Flexibilisierung des gesamten Energieversorgungssystems. Zu den wichtigsten Flexibilisierungsoptionen der Energieversorgung zählen u. a. der Stromaustausch auf regionaler, nationaler und europäischer Ebene, eine flexible und hocheffiziente Stromerzeugung in konventionellen Kraftwerken (z. B. in Kraft-Wärme-Kopplungs -Gaskraftwerken), die Flexibilisierung des Stromverbrauchs durch Demand-Side-Management sowie die Energiespeicherung. Im Rahmen der im Februar 2014 veröffentlichten Verteilnetzstudie Rheinland-Pfalz wurde für das Land Rheinland-Pfalz ein Speicherkonzept erstellt und die Einsatzreihenfolge der einzelnen Flexibilitätsoptionen priorisiert. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 16. April 2014 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/3438 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Zu Frage 1: Ein Forschungsschwerpunkt, der sich ausschließlich mit Themen der Energieforschung oder speziell mit dem Thema „Speichertechnologien “ befasst, wurde von den Hochschulen im Rahmen der Forschungsinitiative des Landes nicht beantragt. An den Hochschulen und Forschungseinrichtungen in Rheinland-Pfalz gibt es einige Aktivitäten mit einem direkten oder indirekten Bezug zum Thema Speichertechnologien. Die Fachhochschule Bingen und die Transferstelle für rationelle und regenerative Energienutzung (TSB) des Instituts für Innovation, Transfer und Beratung (ITB) arbeiten an Themen zur dezentralen Energieversorgung, bei denen für unterschiedliche elektrochemische Energiespeicher anwendungsorientierte Studien erstellt wurden. In Mainz hat sich das Fraunhofer ICT-IMM auch zu einem bedeutenden Kompetenzträger im Bereich der Speichertechnologien entwickelt. Die Forschungsarbeiten der Abteilung „Energietechnik und Katalyse“ betreffen die Umwandlung (Reformierung) regenerativer und fossiler Energieträger in Wasserstoff, der dann in portablen, mobilen und stationären Systemen in Brennstoffzellen verstromt wird. Neben serientauglichen Fertigungsprozessen für Reaktoren und Reaktorsysteme für konventionelle und regenerative Brennstoffe beschäftigt sich das IMM mit den Bereichen Flüssig-Wasserstofftechnik, Abgasreinigungssysteme und Biotreibstoffsyntheseverfahren . Das Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik (ITWM) in Kaiserslautern entwickelt mathematische Modelle und Software für unterschiedliche Fragestellungen im Bereich der Energieforschung. Die Entwicklung von Speichertechnologien und Energiespeichersystemen, z. B. neuer Batterien für Elektro-Fahrzeuge, wird im Bereich Li-Ionen-Batterien durch elektrochemische Simulation unterstützt. Mit der offenen Energiemanagement-Plattform „mySmartGrid“ kann die dezentrale Erzeugung und Speicherung von Energie gezielt gefördert werden. Das Institut für Verbundwerkstoffe IVW an der TU-Kaiserslautern entwickelt Leichtbaulösungen für Druckluftspeicher, die in entsprechenden Anlagen und Systemen für elektrische Speicherlösungen Verwendung finden können. Die umfangreichen wissenschaftlichen Kompetenzen im Bereich der Informatik am Standort Kaiserslautern spielen für die Gestaltung des künftigen Energiesystems eine wesentliche Rolle, insbesondere bei der Entwicklung von Informationssystemen, Steuerungstechniken und Architekturentwürfen für die intelligente Integration der Netze. Neben den Forschungs- und Technologieentwicklungsaktivitäten an rheinland-pfälzischen Hochschulen und Universitäten werden im Land aktuell verschiedene Modellprojekte zu Speichertechnologien mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Union, des Bundes und des Landes Rheinland-Pfalz durchgeführt. Hierzu zählen u. a. die nachfolgend aufgeführten Energiespeicherprojekte: Power-to-Gas-Anlage der Stadtwerke Mainz AG Die Stadtwerke Mainz AG plant die Errichtung und den Betrieb einer Power-to-Gas-Anlage im Energiepark Mainz-Hechtsheim. Im Energiepark werden alle wesentlichen Bausteine der Energiespeicherung mit Wasserstoff (Windkraft, Elektrolyse, Gaseinspeisung, Wasserstoffverdichter, Druckspeicher, Trailerbefüllung) erprobt und weiteren potenziellen Anwendern sowie Interessierten erläutert. Pilotanlage zur Methanisierung von Kohlendioxid mit Wasserstoff im Energiepark Pirmasens-Winzeln Zur Optimierung des Verfahrens zur Biosynthese von Methan aus Kohlendioxid und Wasserstoff sind in der Pilotanlage des Prüfund Forschungsinstitut Pirmasens e. V. (PFI) im Energiepark Pirmasens-Winzeln umfangreiche Versuchsreihen zur Verfahrensoptimierung vorgesehen. Ziel ist es, die Technologie weiter zu entwickeln und diese vom Labormaßstab bis zur Schwelle großtechnischer Anwendung zu skalieren. Modellprojekt „myPowerGrid“ des Fraunhofer ITWM, Kaiserslautern Das Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik (ITWM) entwickelt im Rahmen des myPowerGrid-Projekts moderne Softwaretechnologie zur Realisierung sowie ein Businessmodell zur wirtschaftlichen Umsetzung eines verteilten, batteriegestützten Stromspeichers. „myPowerGrid“ ermöglicht über eine Internetplattform die Vernetzung einer Vielzahl von dezentral installierten Stromspeichern zu einer virtuellen Großbatterie. Projekt „VEVIDE“ (Transferstelle Bingen und Kooperationspartner) In dem Gemeinschaftsprojekt „Vevide“ der Transferstelle Bingen, der EWR Netz GmbH, der Technischen Werke Ludwigshafen AG, der DEEnO Energie AG und der SP EnergyControl GmbH wird aus unterschiedlichen, in der Wirtschaft in hoher Anzahl bereits vorhandenen Energiespeichern, wie z. B. Druckluftspeichern oder Kälte- bzw. Wärmespeichern in Kombination mit KWKAnlagen oder Wärmepumpen, aber auch elektrischen Zusatzheizanlagen in Wärmenetzanlagen oder Wasserpumpenanlagen mit Hochspeichern, ein großer virtueller Energiespeicher geschaffen. 2 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/3438 Projekt „Industrialisierung und Anwendung stationärer Energiespeichersysteme“ des StoREgio Energiespeichersysteme e. V., Ludwigshafen Der Verein StoREgio Energiespeichersysteme e. V. arbeitet insbesondere an den praktischen Herausforderungen für einen wirtschaftlichen Einsatz stationärer Energiespeichersysteme. Zusammen mit anderen Verfahren bieten Speichersysteme die erforderliche Flexibilität für ein intelligentes Energiemanagement im Rahmen von Smart Grids. RWE Smart Country/Modellregion Bitburg-Prüm RWE nimmt bis 2014 an dem vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Pilotprojekt „Netze für die Stromversorgung der Zukunft“ teil. Unter mehr als 400 Landkreisen wurde als reales Demonstrationsnetzgebiet für das Modellprojekt der Eifelkreis Bitburg-Prüm ausgewählt. Die Summe der installierten Leistung regenerativer Erzeugungsanlagen im Demonstrationsnetzgebiet liegt 300 Prozent über der Höchstlast. Zu Frage 2: Entsprechend den Ergebnissen der Verteilnetzstudie Rheinland-Pfalz werden in einem zukünftigen regenerativen Stromversorgungssystem mittel- und langfristig sowohl Kurzzeit- (z. B. Batteriesysteme) und Tagesenergiespeicher (Pump- und Druckluftspeicherkraftwerke , aber auch Biogasanlagen in Kombination mit Gasspeichern) als auch saisonale Energiespeicher (Power-to-Gas- oder Power-to-Heat-Technologien) zur Gewährleistung einer sicheren Stromversorgung notwendig werden. Der aktuelle technologische Entwicklungsstand der verschiedenen Energiespeichertechnologien ist allerdings sehr unterschiedlich. So zeichnen sich Pumpspeicherkraftwerke bereits seit fast 100 Jahren im praktischen Betrieb durch hohe elektrische Wirkungsgrade , Zuverlässigkeit, geringe Speicherkosten aufgrund der hohen Anlagennutzungsdauer und durch ihre Schwarzstartfähigkeit aus. Mit der Flexibilisierung bestehender Biogasanlagen durch die Nachrüstung mit Biogasspeichern und Erweiterung der bestehenden Stromerzeugungskapazitäten könnten zukünftig im Bereich der Bioenergie weitere Energiespeicherkapazitäten auf der Basis erprobter Anlagenkomponenten geschaffen werden. Andere Speichertechnologien weisen dagegen noch erhebliche Entwicklungsbedarfe hinsichtlich der Steigerung des Wirkungsgrades (z. B. Druckluftspeicher oder Power-to-Gas-Technologien) sowie in Bezug auf notwendige Technologiekostenreduktion (z. B. Batteriespeicher, Redox-Flow-Zellen) auf, die einer breiten Anwendung dieser Technologien derzeit noch entgegenstehen. Da Umfang und Geschwindigkeit der Ausschöpfung der vorhandenen Entwicklungspotenziale der verschiedenen Speichertechnologien nur schwer einzuschätzen sind, ist es derzeit nicht möglich, die Erfolgsaussichten einzelner Speichertechnologien abschließend zu beurteilen. Zu Frage 3: Gemäß der Priorisierung der Flexibilitätsoptionen im Speicherkonzept der Verteilnetzstudie Rheinland-Pfalz erlangen die beiden geplanten Pumpspeicherkraftwerke in Schweich und Niederheimbach ab ihrer vorgesehenen Inbetriebnahme im Jahr 2020 Bedeutung für die Versorgungssicherheit des Landes. PV-Batteriespeicher in Kombination mit Einspeisebegrenzung spielen voraussichtlich erst in der mittel- bis langfristigen Perspektive, d. h. um ca. 2030 eine Rolle beim Ausgleich von Einspeise- und Lastschwankungen im Gesamtsystem. In der langfristigen Perspektive und eingebettet in ein bundesweites Stromsystem mit einem sehr hohen Anteil an regenerativer Stromerzeugung spielen ab ca. 2030 Power-to-Heat-Technologien und später auch Power-to-Gas-Technologien eine wichtige Rolle für das zukünftige Energieversorgungssystem. Zu Frage 4: Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung sind keine Aussagen zu speziellen Technologien oder deren Förderung gemacht worden. Stromspeicher werden als unverzichtbarer Baustein einer erfolgreichen Energiewende gesehen. Es wird dort ausgeführt, dass ein „Mix verschiedener Stromspeicher erforderlich sein wird“. Die derzeitigen Aktivitäten an den Hochschulen und Forschungseinrichtungen des Landes, speziell im Bereich der Simulation und des Managements von Speichertechnologien, sind daher wichtige Elemente bei der Entwicklung und Realisierung von künftig benötigten Speicherlösungen. Weiterhin wird auf das laufende 6. Energieforschungsprogramm des Bundes verwiesen mit der gemeinsamen Forschungsinitiative „Energiespeicher“. Zu Frage 5: Abhängig von der Verfügbarkeit von Landeshaushaltsmitteln sowie von EFRE-Mitteln der kommenden Förderperiode 2014 bis 2020, wird das Land auch zukünftig Modellprojekte zur technologischen Entwicklung und Markteinführung von Energiespeichern finanziell unterstützen. Das Wirtschaftsministerium steht derzeit in engem Austausch mit mehreren Vorhabenträgern von innovativen Speicherprojekten. Eveline Lemke Staatsministerin 3