Drucksache 16/3575 21. 05. 2014 K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Gerd Schreiner (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums der Finanzen Folgen der kalten Progression für den Landeshaushalt Die Kleine Anfrage 2301 vom 23. April 2014 hat folgenden Wortlaut: Ich frage die Landesregierung: 1. Welche jährlichen Steuermehreinnahmen für den Landeshaushalt, die durch den Effekt der sogenannten „Kalten Progression“ entstehen, hat das Land Rheinland-Pfalz für den laufenden Doppelhaushalt 2014/2015 und für die folgenden Jahre in der Finanzplanung veranschlagt? 2. Aus welchen Überlegungen glaubt die Landesregierung beim Verzicht des Staates auf die Einnahmen aus der kalten Progression die erwarteten Mindereinnahmen für den Landeshaushalt nicht durch Einsparungen auf der Ausgabenseite ausgleichen zu können? 3. Welche Auswirkungen in Jahresschritten hat nach Einschätzung der Landesregierung die kalte Progression auf die verfügbaren Einkommen in der sogenannten „Progressionszone“ des Einkommensteuertarifes? 4. Wie beurteilt die Landesregierung die Wirkungen der kalten Progression mit Blick auf den Grundsatz der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit? 5. Wie beurteilt die Landesregierung den schon seit langem diskutierten Vorschlag, den progressiven Tarif der Einkommensteuer immer automatisch den Auswirkungen der jährlichen Inflation anzupassen? Das Ministerium der Finanzen hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 21. Mai 2014 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Die Steuereinnahmen werden im Rahmen der Haushaltsplanung des Landes grundsätzlich auf Basis der aktuell vorliegenden Steuerschätzung veranschlagt. Dabei werden schon beschlossene und absehbare Steuerrechtsänderungen berücksichtigt. Für den laufenden Haushalt 2014/2015 wurden die Ergebnisse der Steuerschätzung vom November 2013 zugrunde gelegt. Mehreinnahmen aufgrund der kalten Progression sind nicht explizit veranschlagt. Allerdings ist die Wirkung der kalten Progression in der Steuerschätzung implizit berücksichtigt. Auf Basis von Berechnungen der Bundesregierung kann von einem Effekt in Höhe von rund 50 Mio. Euro p. a. ausgegangen werden. Zu 2.: In den Krisenjahren 2008/2009 insbesondere konjunkturpolitisch motivierte Steuerrechtsänderungen haben seither zu einer gesamtstaatlichen Belastung von dauerhaft rund 36 Mrd. Euro p. a. geführt. Für Rheinland-Pfalz bedeutet dies Mindereinnahmen von jährlich rund 580 Mio. Euro. Die beschlossenen Maßnahmen in der Einkommensteuer können im gesamtwirtschaftlichen Zusammenhang auch als vorweggenommene Neutralisation der kalten Progression interpretiert werden. Die Wirkung der kalten Progression wurde somit schon im Vorgriff neutralisiert. Die Erfordernisse der Schuldenbremse stellen Bund und Länder zudem vor große Herausforderungen. Der notwendige Prozess, den strukturell ausgeglichenen Haushalt zu verwirklichen, wird gerade für die Länder dadurch erschwert, dass ihre Pensionslasten von Jahr zu Jahr stark ansteigen. Die ambitionierte Ausgabendisziplin, die die Landesregierung im Doppelhaushalt und in der Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 3. Juni 2014 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/3575 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Finanzplanung vorgelegt hat, sollte deshalb nicht durch zusätzliche Forderungen nach Steuersenkungen konterkariert werden. Bei gleichzeitiger Notwendigkeit, die staatliche Infrastruktur funktions- und zukunftsfähig zu erhalten, tritt jede Steuersenkung in Konkurrenz zu den Konsolidierungserfordernissen. Zusätzliche Steuersenkungen müssen deshalb aus Sicht der Landesregierung seriöserweise mit Gegenfinanzierungsmaßnahmen unterlegt sein. Für eine Neutralisation der kalten Progression ohne Gegenfinanzierung sieht die Landesregierung – ebenso wie die Bundesregierung – derzeit keinen Spielraum. Zu 3.: Die verfügbaren Einkommen in der Progressionszone des Einkommensteuertarifs bleiben bei unveränderten Einkommen unverändert . Steigen die Bruttoeinkommen, so steigen auch die verfügbaren Einkommen. Allerdings ist bei einem progressiven Einkommensteuertarif das jeweils zusätzliche Einkommen mit einem höheren Grenzsteuersatz zu versteuern als der vorher gezahlte Durchschnittssteuersatz. Die jeweiligen jährlichen Auswirkungen hängen von dem Einkommenszuwachs, den individuellen Besteuerungsmerkmalen sowie der absoluten Höhe des Einkommens ab. Zu 4.: Der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit ist im Einkommensteuergesetz durch die direkte und indirekte Progression abgebildet. Bei einem progressiven Einkommensteuertarif entsteht der Effekt der sogenannten kalten Progression wie unter 3. beschrieben. Zu 5.: Eine automatische Anpassung des progressiven Tarifs der Einkommensteuer an die Auswirkungen der jährlichen Inflation würde die politischen Gestaltungsmöglichkeiten des Gesetzgebers stark einschränken. Die Landesregierung hält daher an ihrer Auffassung fest, dass eine Beseitigung der kalten Progression angesichts der Lage der öffentlichen Haushalte und der verfassungsrechtlich festgelegten Schuldenbremse einer tragfähigen Gegenfinanzierung bedarf. Eine zukunftsorientierte und generationengerechte Finanzpolitik erfordert den konsequenten Erhalt der notwendigen Einnahmebasis für Bund, Länder und Kommunen. Dr. Carsten Kühl Staatsminister