Drucksache 16/3578 22. 05. 2014 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Peter Wilhelm Dröscher und Dr. Tanja Machalet (SPD) und A n t w o r t des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie Sozialer Arbeitsmarkt Die Kleine Anfrage 2326 vom 15. Mai 2014 hat folgenden Wortlaut: Wir fragen die Landesregierung: 1. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über bestehende oder angedachte Initiativen zur Schaffung eines sogenannten „Sozialen Arbeitsmarktes“? 2. Welche Anforderungen muss nach Ansicht der Landesregierung eine Initiative zum „Sozialen Arbeitsmarkt“ erfüllen? 3. Was unternimmt die Landesregierung in dieser Hinsicht und in Bezug auf die Unter stützung der Zielgruppe eines „Sozialen Arbeitsmarktes“ derzeit schon? Das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 22. Mai 2014 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Einem hohen Anteil von Langzeitarbeitslosen gelingt es trotz guter Arbeitsmarktlage und trotz mehrfacher Teilnahme an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen nicht, eine reguläre Beschäftigung aufzunehmen. Ursache sind hierfür nicht allein Defizite im Bereich von Fach- und sozialer Kompetenz, sondern auch gesundheitliche und soziale Probleme. Für diesen Personenkreis gibt es in einigen Bundesländern verschiedentliche programmatische Ansätze und Initiativen zur Schaffung eines „Sozialen Arbeitsmarktes“, die gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit und den Jobcentern durchgeführt und finanziert werden. In Baden-Württemberg wird modellhaft der sogenannte Passiv-Aktiv-Tausch erprobt. Konkret heißt das: Statt Regelbedarf und Kosten der Unterkunft zu finanzieren, können diese Leistungen der Grundsicherung als Zuschuss für eine bedarfsdeckende Beschäftigung und zur Finanzierung einer sozialpädagogischen Fachkraft eingesetzt werden. Also aktive Teilhabe, statt passivem Empfang der Mittel aus dem SGB-II-System. Dabei handelt es sich um sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse mit einem Lohn von mindestens 8,50 Euro. Da es sich hierbei um kein gesetzliches Instrument des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch handelt, kann dieser Modellversuch nur mit Landesmitteln durchgeführt werden. Im Januar 2013 startete das Land Nordrhein-Westfalen ebenfalls ein Programm „Öffentlich-geförderte Beschäftigung“ (ÖGB). Seit dem Jahr 2013 wurden mit diesem Projekt 1 070 Arbeitsplätze für Menschen geschaffen, die zum Teil fünf Jahre und mehr keiner sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen sind. Die Entlohnung muss tariflich oder ortsüblich sein. Aktuell unterstützt das Land Nordrhein-Westfalen 44 Projekte in gemeinnützigen und öffentlichen Betrieben. Die Förderung des Landes umfasst hier die Bausteine Coaching, Projektkoordinierung und Qualifizierung. Individuelle Lohnkostenzuschüsse werden von den Jobcentern aus dem Regelinstrumentarium des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch finanziert. Ist nach dieser gesetzlich maximalen Regelförderung durch das Jobcenter eine weitere Förderung erforderlich, kann für bis zu 24 Monaten für einzelne Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein individueller Lohnkostenzuschuss im Rahmen der ESFkofinanzierten Landesarbeitspolitik gefördert werden. Maximale Projektdauer sind vier Jahre. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 3. Juni 2014 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/3578 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Voraussetzung für die Förderung ist eine Verzahnung mit kommunalen Hilfen, wie Kinderbetreuung oder Schuldnerberatung. Analog dem Projekt in Baden-Württemberg werden auch hier zur Finanzierung die eingesparten kommunalen Mittel für Kosten der Unterkunft eingesetzt. Nordrhein-Westfalen setzt für dieses Programm rund 14,8 Millionen Euro ein. Das Saarland hat mit dem Landesprogramm „Arbeit für das Saarland – ASaar“ zur Flankierung der öffentlich-geförderten Beschäftigung im Saarland ebenfalls ein Programm, insbesondere für langzeitarbeitslose Erwachsene mit Unterstützungs- und Stabilisierungsbedarf , initiiert. Das Arbeitsministerium des Saarlandes stellt dafür bis zum Jahr 2017 jährlich drei Millionen Euro – insgesamt 15 Millionen Euro zur Verfügung. Mit diesem Programm sollen neue Arbeitsplätze geschaffen und Unternehmen Anreize gegeben werden, vor allem langzeitarbeitslosen Menschen wieder eine Perspektive zu geben. Insgesamt sollen hier 1 000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Das Programm baut auf dem Instrumentarium der Bundesagentur für Arbeit und der Jobcenter auf. Weiterhin können Prämien zum Arbeitsentgelt in Höhe von bis zu 3 500 Euro gezahlt werden. Gefördert werden aber auch gezielt ergänzende Aktivierungsund Qualifizierungsmaßnahmen sowie ein individuelles Fallmanagement. Ein ähnliches Programm will die Bundesregierung mit „Perspektiven in Betrieben“ ab dem Jahr 2015 auflegen. Hier sollen für 30 000 Langzeitarbeitslose ohne oder ohne verwertbaren Berufsabschluss Stellen gefunden werden. Die Arbeitgeber sollen degressiv ausgestaltete Lohnkostenzuschüsse erhalten. Dafür sollen 470 Millionen Euro aus dem ESF zur Verfügung gestellt werden. Hinzu kommen noch die Mittel aus dem Eingliederungsbudget der Jobcenter. Zu 2.: Wer bereits seit Jahren arbeitslos ist, dem fällt es zunehmend schwer, einen Job zu finden. Deshalb ist es gerade für langzeitarbeitslose Menschen wichtig, eine arbeitsmarktnahe Beschäftigung zu finden. Dazu zählt die öffentlich-geförderte Beschäftigung. Sie ist ein wichtiges Instrument zur sozialen Teilhabe, aber auch ein nicht zu unterschätzender Weg zu einer Arbeitsmarktintegration von Langzeitarbeitslosen. Für die Landesregierung erscheint es daher absolut notwendig, den Sozialen Arbeitsmarkt weiterzuentwickeln. Er darf aber keinesfalls eine Einbahnstraße sein, sondern muss immer die Möglichkeit der Rückkehr auf den ersten Arbeitsmarkt – zumindest theoretisch – ermöglichen. Öffentlich-geförderte Beschäftigung ist für Menschen notwendig, die aufgrund ihrer besonderen Lebensumstände auch besonderer Unterstützung bedürfen. Hierfür sind Maßnahmen beziehungsweise Instrumente erforderlich, die langfristig angelegte Integrationsstrategien beinhalten. Es sollen Integrationshemmnisse abgebaut und perspektivisch die Grundlagen für eine reguläre Beschäftigung geschaffen werden. Durch die bisherige Ausrichtung der öffentlich-geförderten Beschäftigung auf die Kriterien „Zusätzlichkeit“, „Öffentliches Interesse“ und „Wettbewerbsneutralität“ besteht die Gefahr, dass arbeitsweltfremde Beschäftigungsverhältnisse mit geringen Qualifizierungseffekten und eingeschränkter Integrationswirkung geschaffen werden. Aus Sicht der Landesregierung müssen die Kriterien so geändert werden, dass sie praktikabel und rechtssicher ausgelegt werden können. Sozialversicherungspflichtige öffentlich-geförderte Beschäftigung soll in Bezug auf Arbeitsgestaltung, Entlohnung und Inhalte eine größtmögliche Nähe zu regulärer Beschäftigung ermöglichen, um zum einen Stigmatisierungen zu vermeiden und zum anderen die Chancen auf eine Integration in den regulären Arbeitsmarkt erhöhen. Hierzu bedarf es entsprechender Begleitmaßnahmen, die auf die individuellen Defizite der Menschen eingehen. Ein Sozialer Arbeitsmarkt braucht aber auch verlässliche finanzielle Rahmenbedingungen. Dazu gehören vor allem ausreichende Eingliederungsmittel für die Jobcenter, aber auch alternative Finanzierungsmodelle, wie der Passiv-Aktiv-Tausch. Das heißt, dass eingesparte passive Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik eingesetzt werden. Damit soll insgesamt zwar kein zusätzlicher Kostenbedarf ausgelöst werden, aber finanzielle Effekte dieses Passiv-Aktiv-Tausches werden erst zeitverzögert eintreten. Zu 3.: Die Förderung von Maßnahmen für auf dem Arbeitsmarkt besonders benachteiligte Personen stellt seit den 1990er Jahren einen der Schwerpunkte der landes- und ESF-geförderten arbeitsmarktpolitischen Programme in Rheinland-Pfalz dar. Allein in der Förderperiode 2007 bis 2013 entfielen 45 Prozent der ESF-Mittel auf den Bereich der Prioritätsachse C. Nach wie vor bestehen in diesem Bereich erhebliche Handlungsbedarfe, um eine aktive Teilhabe dieser Personengruppen am beruflichen und gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Die zunehmende Zahl an Langzeitleistungsbeziehern im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch deutet mit Blick auf die arbeitsmarktpolitischen Instrumente auf einen wachsenden Bedarf längerfristig und ganzheitlich ausgerichteter Angebote hin, um eine weitere Verfestigung der Langzeitarbeitslosigkeit zu überwinden. Die Angebote des ESF sollen daher zukünftig das Angebotsspektrum des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch um ganzheitlich ausgerichtete Qualifizierungsmaßnahmen für nichterwerbstätige und arbeitslose Langzeitleistungsbeziehende ergänzen. Die gute Arbeitsmarktlage in Rheinland-Pfalz zeigt, dass sich das bisherige Engagement gelohnt hat und weiterhin lohnen wird. Von den rund 25 Millionen Euro ESF- und Landesmitteln wurden zum Stichtag 31. Dezember 2013 in 112 Projekten rund 12,5 Millionen Euro für langzeitarbeitslose Menschen verausgabt. 2 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/3578 Die Arbeitslosigkeit in Rheinland-Pfalz ist regional aber sehr unterschiedlich. Deshalb setzt die Landesregierung Schwerpunkte in den Regionen mit besonders hoher Arbeitslosigkeit, zum Beispiel in der Westpfalz. So konnte die Landesregierung bisher mit der Ko-Finanzierung des Bundesprogramms Kommunalkombi bereits gute Erfolge erzielen. Hier wurden bisher insgesamt 3,8 Millionen Euro verausgabt. Langzeitarbeitslosen Menschen konnte hier wieder ein Einstieg in das Erwerbsleben ermöglicht werden. Dieses Engagement wird die Landesregierung auch zukünftig in der Region Westpfalz weiter fortführen. Bis zur Einführung des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt wurden aus arbeitsmarktpolitischen Mitteln des Landes und des Europäischen Sozialfonds tausende von Arbeitsgelegenheiten mit Qualifizierung gefördert. Bedauerlicherweise wurden die rechtlichen Rahmenbedingungen durch das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt massiv verschärft und damit die Nutzungsmöglichkeiten für öffentlich-geförderte Beschäftigung erheblich eingeschränkt. Vor dem Hintergrund der Bedarfe vor Ort besteht hier aus Sicht der Landesregierung dringender Handlungsbedarf. Den Jobcentern und den Beschäftigungs- und Qualifizierungsträgern müssen wieder Instrumente an die Hand gegeben werden, die es ihnen ermöglichen, langfristig öffentlich-geförderte Beschäftigung – in welcher Form auch immer – für Langzeitleistungsbezieher anzubieten. Deshalb haben die Länder Hamburg, Bremen, Brandenburg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein zum Thema öffentlich-geförderte Beschäftigung im Juni 2013 einen Gesetzentwurf zur Neuausrichtung der öffentlich-geförderten Beschäftigung im Bundesrat eingebracht. Alexander Schweitzer Staatsminister 3