Drucksache 16/3604 03. 06. 2014 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Matthias Lammert und Adolf Kessel (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur Steigende Gewalt gegen Polizisten Die Kleine Anfrage 2327 vom 15. Mai 2014 hat folgenden Wortlaut: Wir fragen die Landesregierung: 1. Wie hat sich die Gewaltbereitschaft gegen Polizisten in Rheinland-Pfalz in den vergangenen fünf Jahren entwickelt? 2. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über die Ursachen gestiegener Gewalt bereitschaft gegen Polizisten? 3. Teilt die Landesregierung die Befürchtung, dass angesichts dieser Entwicklung mit einer neuen Polizeibeschwerdestelle das Miss - trauen gegen die Arbeit der Polizei gefördert wird? 4. Welche Konsequenzen zieht die Landesregierung aus der gewachsenen Gewaltbereit schaft gegen Polizisten? Das Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 3. Juni 2014 wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Die Polizeibeamtinnen und -beamten der rheinland-pfälzischen Polizei setzen sich tagtäglich für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes ein. Dabei riskieren sie oftmals ihre eigene Gesundheit. Mit Sorge betrachtet die Landesregierung die Entwicklung der Gewaltbereitschaft gegen Polizeibeamtinnen und -beamte. Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und -beamte ist nicht zu tolerieren. Die Landesregierung ist diesem Phänomen in der Vergangenheit konsequent entgegengetreten und wird dies auch in Zukunft tun. Das Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur hat bereits im Jahr 2010 eine landesweite Arbeitsgruppe aus Experten der Polizei eingerichtet, die sich mit der Thematik auseinandergesetzt hat. Als Ergebnis dieser intensiven Bemühungen auf Landes- wie auch in den unterschiedlichen Gremien auf Bundesebene wurden zwischenzeitlich Maßnahmen erarbeitet, die Übergriffe auf die Polizei möglichst verhindern sollen. Bei vollendeten Übergriffen gilt es, die Folgen für die Polizeibeamtinnen und -beamten weitestgehend gering zu halten und die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Dies vorausgeschickt, beantwortet die Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt: Zu Frage 1: Die Entwicklung von Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und -beamte des Landes Rheinland-Pfalz lässt sich anhand der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) seit 2011 deutlich differenzierter darstellen. Seit diesem Jahr werden insbesondere die Körperverletzungsdelikte zum Nachteil von Polizeibeamten explizit erfasst. Vor diesem Hintergrund sind nachfolgend die Daten der Gewaltdelikte der Jahre 2012 und 2013 dargestellt. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 26. Juni 2014 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/3604 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Im Jahr 2013 wurden insgesamt 489 Körperverletzungsdelikte, einschließlich Versuchshandlungen, zum Nachteil von Polizeibeamtinnen und -beamten erfasst. Im Vergleich zu 2012 (436 Fälle) bedeutete dies einen Anstieg von 53 Fällen (12,2 Prozent). In erster Linie handelt es sich hierbei um einfache Körperverletzungsdelikte. Ausweislich des Lagebildes kamen 2012 insgesamt 536 Polizeibeamtinnen und -beamte zu körperlichem Schaden. Das führte in 62 Fällen dazu, dass die beteiligten Polizeibeamtinnen und -beamten mehr als drei Tage dienstunfähig waren. 2013 waren es noch 493 Verletzte, von denen 43 länger als drei Tage dienstunfähig waren. Zu Frage 2: Konkrete Aussagen zu den Ursachen für einen Anstieg der Gewaltbereitschaft gegenüber Polizeibeamtinnen und -beamten lassen sich anhand von Studien oder Lagebildern nicht ableiten. Gleichwohl wurden Untersuchungen durchgeführt, die Aufschluss über Tathintergründe und Motivation der Täter geben. Im Jahr 2012 wurde durch eine Polizeibeamtin des rheinland-pfälzischen Landeskriminalamtes eine wissenschaftliche Arbeit an der Ruhr-Universität Bochum zu Auslösefaktoren von gewalttätigen Übergriffen auf Polizeibeamtinnen und -beamten aus Sicht der Täter verfasst. Die Studie kommt zu nachfolgenden, wesentlichen Aussagen zu Ursachen gewaltsamer Übergriffe auf Polizeibeamtinnen und -beamte: – Übergriffe entwickeln sich spontan und sind nicht geplant, – bisherige Kontakte des Täters zur Polizei werden durch ihn als negativ bewertet; zumeist liegen Vorstrafen vor, – der Täter empfindet in einer konkreten Situation polizeiliches Verhalten als provozierend und/oder falsch, – der Täter steht zumeist unter dem Einfluss berauschender Mittel (Alkohol, Drogen), – gewaltsamen Übergriffen liegt zumeist ein gewisser Öffentlichkeitscharakter zu Grunde, der einen Übergriff scheinbar forciert. Das Kriminalistische Forschungsinstitut in Niedersachsen (KFN) hat sich zudem in Untersuchungen mit der Gewalt gegen Polizei - beamte auseinandergesetzt. Es wurden bundesweit mehr als 20 000 Polizeibeamtinnen und -beamte befragt, darunter auch etwa 3 000 rheinland-pfälzische. Die Untersuchung führte unter anderem zu Aussagen hinsichtlich tatbegünstigender Umstände, die wiederum zur Vorbeugung genutzt werden konnten. Im Ergebnis zeigte die Studie des KFN, dass in nahezu 75 Prozent der Gewalttaten gegen Polizeibeamte, die zu einer Dienst - unfähigkeit führten, der Täter alleine handelte. Hiervon waren rund 60 Prozent unter 25 Jahren alt. Mehr als zwei Drittel der Tatverdächtigen standen bei der Tat unter Alkoholeinfluss. In ca. 65 Prozent der Fälle war der Täter bereits zuvor strafrechtlich in Erscheinung getreten. Auch in Rheinland-Pfalz zeigen sich diese Ergebnisse, an denen die polizeilichen Maßnahmen und Konzepte ansetzen, um Übergriffe auf Polizeibeamte verhindern zu können. Das rheinland-pfälzische Landeskriminalamt erstellt jährlich auf Basis der vorhandenen Statistik ein Lagebild, welches das Phänomen „Gewalt gegen Polizeibeamte“ abbildet. Neben statistischen Werten lassen sich hieraus wesentliche Erkenntnisse zu Tätern, zu Tatörtlichkeiten, zu besonders stark belasteten Tagen und den zu Grunde liegenden Einsatzsituationen gewinnen. Diese Daten werden allen Polizeibehörden und -einrichtungen zur Verfügung gestellt, um sie zur Einsatznachbereitung, für künftige Einsätze sowie Aus- und Fortbildungsmaßnahmen zu nutzen. Zu Frage 3: Ziel der Beschwerdestelle ist es, als neutrale Stelle einen niedrigschwelligen Zugang für Bürgerinnen und Bürger sowie Angehörige der Polizei zu schaffen. Die Landesregierung hat großes Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der rheinland-pfälzischen Polizei und unterstützt die hervorragende Arbeit unserer Polizeibeamtinnen und -beamten. Einen Widerspruch zwischen Gewaltdelikten gegen Polizeibeamte und der Einrichtung einer neutralen Beschwerdestelle ist nicht zu erkennen. Durch die Einrichtung einer Beschwerdestelle besteht vielmehr die Möglichkeit, das Vertrauen der rheinland-pfälzischen Bürgerinnen und Bürger in ihre Polizei weiter zu steigern und das Bild einer transparenten Bürgerpolizei zu stärken. 2 2012 2013 Veränderung Körperverletzungsdelikte 436 489 + 53 zum Nachteil von Polizeibeamten + 12,2 % Anzahl 536 493 – 43 der verletzten Polizeibeamten – 8,0 % Dienstunfähigkeit 62 43 – 19 länger als drei Tage – 30,6 % Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/3604 Zu Frage 4: Auf Basis eines Lagebildes über die Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und -beamte werden Erkenntnisse zur Verhinderung derartiger Delikte erlangt, die regionale, zeitliche und anlassbezogene Besonderheiten berücksichtigen. Die landesweite Arbeitsgruppe hat umfassende Verbesserungsmöglichkeiten zum Schutz der Polizeibeamtinnen und -beamten erarbeitet . Im Ergebnis wurden – ablauforganisatorische Veränderungen, – Maßnahmen in Aus- und Fortbildung sowie – die Beschaffung entsprechender Schutzausstattung umgesetzt. Wesentlich erscheint in diesem Zusammenhang auch die Nachbereitung von konkreten Ereignissen um daraus für zukünftige Einsätze zu lernen. Hierzu wurden bei den Polizeidienststellen Eigensicherungsberater benannt. Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und -beamte muss auch weiterhin entschieden und konsequent entgegengetreten werden. Hierzu hat die Landesregierung bereits frühzeitig zahlreiche Maßnahmen ergriffen, die einerseits den Schutz der Polizeibeamtinnen und -beamten verbessern und andererseits das konsequente Vorgehen gegen Straftäter unterstützen. Roger Lewentz Staatsminister 3