Drucksache 16/3619 05. 06. 2014 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Elisabeth Bröskamp (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Ministeriums für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen Unterhaltsvorschuss und Rückholquoten in Stadt und Kreis Neuwied Die Kleine Anfrage 2337 vom 15. Mai 2014 hat folgenden Wortlaut: Der Unterhaltsvorschuss (nach UhVorschG) soll die finanzielle Situation von Alleinerziehenden und ihren Kindern verbessern, wenn der unterhaltspflichtige Elternteil seiner Verpflichtung nicht nachkommt. Durch die Leistungen des UhVorschG tritt der Staat in Vorleistung. Finanziert wird er durch Bundes- und Landesmittel. Sowohl für die Auszahlung aber auch für die Rückforderung sind die Kommunen zuständig. Bitte alle Fragen nach Stadt und Kreis Neuwied (Verbandsgemeinden getrennt) und für die letzten fünf Jahre beantworten. Prozentual und Absolut. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie viele Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren, die bei einem alleinerziehenden Elternteil leben, haben in Stadt und Kreis Neuwied einen Anspruch auf Unterhaltszahlungen und wie viele Kinder und Jugendliche erhalten Leistungen nach dem UhVorschG? 2. Wie hoch ist der Anteil der unterhaltspflichtigen Eltern, die ihrer Unterhaltspflicht nicht nachkommen? 3. Wie viele Kinder erhalten keinen Unterhaltsvorschuss nach dem UhVorschG, weil das Kind die Altersgrenze oder die Höchst- bezugsdauer von 72 Monaten erreicht hat und obwohl das unterhaltspflichtige Elternteil seiner Unterhaltspflicht nicht nachkommt ? 4. Wie hoch ist die Rückholquote in Stadt und Kreis Neuwied und im Land Rheinland-Pfalz? 5. Wie hoch ist das Armutsrisiko von Kindern alleinerziehender Eltern, wenn sie keinen Unterhaltsvorschuss mehr nach dem UVG erhalten, da die Altersgrenze und die/oder die Bezugsdauer überschritten ist? 6. Wie bewertet die Landesregierung, das Höchstalter beim Unterhaltsvorschuss auf 18 Jahren anzuheben und die Bezugsdauer von 72 Monaten aufzuheben? Das Ministerium für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 5. Juni 2014 wie folgt beantwortet: Zielsetzung des Unterhaltsvorschussgesetzes ist, den Schwierigkeiten zu begegnen, die alleinstehenden Elternteilen und ihren Kindern entstehen, wenn der andere Elternteil, bei dem das Kind nicht lebt, sich der Pflicht zur Zahlung von Unterhalt ganz oder teilweise entzieht, hierzu nicht oder nicht in hinreichendem Maße in der Lage ist oder wenn er verstorben ist. Nach § 8 Unterhaltsvorschussgesetz werden die zu zahlenden Geldleistungen zu einem Drittel vom Bund getragen, die nach § 7 eingezogenen Beträge sind zu einem Drittel an den Bund abzuführen. An den auf das Land entfallenden Ausgaben und Einnahmen sind durch das Landesgesetz zur Ausführung des Unterhaltsvorschussgesetzes vom 29. Juni 2000 die mit der Durchführung des Unterhaltsvorschussgesetzes beauftragten Kommunen mit 50 v. H. beteiligt. Die mit der Kleinen Anfrage geforderten Daten und Angaben liegen der Landesregierung allenfalls getrennt nach Stadt und Kreis vor. Erhebungen in Bezug auf einzelne Verbandsgemeinden werden von den Landkreisen nicht gefordert. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 26. Juni 2014 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/3619 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Zu Frage 1: Der Landesregierung liegen keine Daten darüber vor, wie viele minderjährige Kinder und Jugendliche Anspruch auf Unterhaltszahlungen haben. Der zivilrechtliche Unterhaltsanspruch von Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren, die bei einem alleinerziehenden Elternteil leben, wird statistisch nicht erfasst. Die Anzahl der Berechtigten nach dem Unterhaltsvorschussgesetz wird jährlich statistisch erhoben. In den folgenden Tabellen werden sie nach Stadt und Kreis Neuwied aufgeschlüsselt für die letzten fünf Jahre aufgelistet: Tabelle 1 a – UV-Berechtigte Stadt Neuwied 2 Jahr Zahlfälle jeweils Einstellungen im Laufe zusammen am 31. Dezember des Berichtsjahres 2009 522 191 713 2010 504 194 698 2011 540 166 706 2012 489 185 674 2013 496 218 714 Jahr Zahlfälle jeweils Einstellungen im Laufe zusammen am 31. Dezember des Berichtsjahres 2009 572 236 808 2010 538 241 779 2011 468 266 734 2012 433 212 645 2013 452 203 655 Tabelle 1 b – UV-Berechtigte Kreis Neuwied Zu Frage 2: Dazu liegen der Landesregierung keine Daten vor. Der zivilrechtliche Unterhaltsanspruch im Eltern-Kind-Verhältnis wird statistisch nicht erfasst. Zu Frage 3: Statistisch erhoben werden lediglich die Fälle, in denen die Zahlung nach dem Erreichen der Höchstbezugsdauer von 72 Monaten eingestellt wird. Angaben darüber, wie viele Kinder nach dem Erreichen der Höchstbezugsdauer von 72 Monaten keinen Unterhaltsvorschuss mehr erthalten, obwohl der barunterhaltspflichtige Elternteil seiner Unterhaltspflicht nicht mehr nachkommt, liegen nicht vor. Tabelle 3 a – Einstellung wegen Alter oder Höchstleistungsdauer – Stadt Neuwied Einstellungen wegen Erreichens der Höchstleistungsdauer von 72 Monaten Jahr absolut Prozent (von den Einstellungen im Laufe des Berichtsjahres) 2009 46 24,80 2010 37 19,07 2011 30 18,07 2012 28 15,14 2013 33 15,14 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/3619 Zu Frage 4: Die Rückgriffsquote ist das Verhältnis zwischen den Ausgaben aus gezahlten Unterhaltsvorschussleistungen und Einnahmen nach § 7 des Unterhaltsvorschussgesetzes (Rückgriff bei Unterhaltspflichtigen). In den folgenden Tabellen werden die Ausgaben und Einnahmen und die sich daraus ergebende Rückgriffsquote für die Stadt und den Kreis Neuwied dargestellt: Tabelle 4 a – Rückholquote – Stadt Neuwied 3 Tabelle 3 b – Einstellung wegen Alter oder Höchstleistungsdauer – Kreis Neuwied Einstellungen wegen Erreichens der Höchstleistungsdauer von 72 Monaten Jahr absolut Prozent (von den Einstellungen im Laufe des Berichtsjahres) 2009 48 20,34 2010 43 17,84 2011 46 17,29 2012 32 15,09 2013 33 16,26 Jahr Ausgaben Einnahmen Rückgriffsquote (inklusive Bundes- und Landesteil) nach § 7 UVG insgesamt 2009 680 119,23 € 180 399,84 € 26,52 % 2010 817 579,80 € 200 672,17 € 24,54 % 2011 842 904,83 € 192 843,13 € 22,88 % 2012 821 024,44 € 174 411,73 € 21,24 % 2013 819 729,20 € 150 586,51 € 18,37 % Tabelle 4 b – Rückholquote – Kreis Neuwied Jahr Ausgaben Einnahmen Rückgriffsquote (inklusive Bundes- und Landesteil) nach § 7 UVG insgesamt 2009 939 846,13 € 267 640,58 € 28,43 % 2010 1 025 924,77 € 296 581,03 € 28,91 % 2011 923 173,76 € 352 330,67 € 38,17 % 2012 826 120,78 € 336 997,44 € 40,79 % 2013 830 086,44 € 336 181,20 € 40,50 % Nach Ansicht der Landesregierung ist die Rückgriffsquote allerdings kein geeigneter Indikator für die Leistungsfähigkeit einer Unterhaltsvorschussstelle. Der Rückgriff geschieht in vielen Fällen zeitverzögert. Es werden also bei der jährlichen Betrachtung Ausgaben mit Einnahmen verglichen, die Unterhaltsvorschusszahlungen und damit Forderungen aus Vorjahren betreffen, gegebenenfalls sogar von Unterhaltspflichtigen, deren Kinder nicht mehr im Bezug stehen. Ein Drittel bis ein Viertel der Unterhaltsvorschusszahlungen werden als sog. Ausfallleistung gezahlt, d. h. die Unterhaltspflichtigen können nicht für den Rückgriff herangezogen werden, weil sie nicht leistungsfähig, nicht ermittelbar oder verstorben sind. Hat ein Kind keinen Unterhaltsanspruch, ist ein Rückgriff von vornherein nicht möglich, da kein Unterhaltsanspruch nach § 7 Absatz 1 Unterhaltsvorschussgesetz auf das Land übergehen kann. Der verstärkte Zuzug von Alleinerziehenden kann insbesondere in großen Städten eine „schlechte“ Rückgriffquote zur Folge haben. Drucksache 16/3619 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Zu Frage 5: Der Landesregierung liegen lediglich Erkenntnisse nach der von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen Evaluation zentraler ehe- und familienbezogener Leistungen in Deutschland im Hinblick auf die Wirkungen des Unterhaltsvorschusses vor. Demnach stabilisiere der Unterhaltsvorschuss das Haushaltseinkommen von Alleinerziehenden in den Fällen, in denen der andere Elternteil seinen Unterhaltsverpflichtungen nicht nachkomme. Der Vorschuss verhindere, dass Haushalte in dieser Notlage, aus der sie sich aufgrund der erschwerten Betreuungssituation oft nicht selbst befreien könnten, in die Grundsicherung fielen. Eine Stigmatisierung der Haushalte könne, so das Ergebnis der Evaluation, vermieden werden. Da der Unterhaltsvorschuss anders als das Arbeitslosengeld II auch in höheren Einkommensbereichen gezahlt werde, wirke er zudem positiv auf die Erwerbstätigkeit von alleinerziehenden Müttern und somit auf das Ziel einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf 1). Als zielgenauer Transfer trage der Unterhaltsvorschuss wirksam dazu bei, die Armutsrisiken bedürftiger Familien zu verringern 2). Die Evaluation hat weiter festgestellt, dass die direkte Wirkung des Unterhaltsvorschusses auf das Armutsrisiko beträchtlich ist. Durch die Zahlungen der Vorschusskassen sinke das Armutsrisiko der Empfängerinnen und Empfänger um 22,6 Prozentpunkte, das aller Alleinerziehenden immerhin noch um 3,2 Prozentpunkte. Der Unterschied zwischen beiden Veränderungen ist deshalb groß, weil der Unterhaltsvorschuss nur einem vergleichsweise kleinen Prozentsatz der Alleinerziehenden zugutekommt. Für einzelne Gruppen von Leistungsempfängerinnen und -empfängern (mit kleinen und mehreren Kindern) sei die armutsvermeidende Wirkung des Unterhaltsvorschusses noch deutlich. Gehe man jedoch über die direkte Betrachtung der geleisteten Zahlungen hinaus, so ändere sich das Bild grundlegend: Weil der Unterhaltsvorschuss in den unteren Einkommensbereichen angerechnet wird und dort die Einkommen weitgehend unverändert lässt, führe er effektiv nur zu einem geringen Rückgang des gesamten Armutsrisikos von Alleinerziehenden. Auch ohne den Unterhaltsvorschuss wären die Alleinerziehenden mit niedrigem Einkommen also nicht ärmer, weil in diesem Fall die Leistungen der Grundsicherung an die Stelle des Unterhaltsvorschusses träten. Dabei handele es sich allerdings nur um eine enge finanzielle Sichtweise. Von Fragen der Stigmatisierung, des Verwaltungsaufwandes und von rechtssystematischen Erwägungen werde dabei abstrahiert. Aus fiskalischer Sicht bestehe ein finanzieller Unterschied zum Arbeitslosengeld II darin, dass der Staat einen Teil der vorgeschossenen Unterhaltszahlungen durch Rückgriff auf die Unterhaltsschuldner zurückerhalte 3). Zu Frage 6: Die Landesregierung befürwortet eine Anhebung auf das vollendete 14. Lebensjahr, da für Jugendliche ab 14 Jahren bereits eigenes Einkommen aus Schul- bzw. Berufsausbildung (BAföG, BAB, Ausbildungsvergütung) realisierbar ist. Mit steigendem Lebensalter steigt auch der für die Bemessung des Unterhaltsvorschusses maßgebliche Mindestunterhalt nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Eine Verlängerung des Bezugszeitraums über die derzeit geltenden 72 Monate hinaus und eine Ausweitung ohne zeitliche Begrenzung wären aus Sicht der Landesregierung zwar durchaus wünschenswert, doch mit hohen Kosten verbunden und von daher derzeit eher nicht realisierbar. Zu beachten ist auch, dass bei Alleinerziehenden, die einkommensabhängige Sozialleistungen beziehen (Arbeitslosengeld II, Sozialgeld), der Unterhaltsvorschuss angerechnet wird, sodass sich deren Lage durch eine verlängerte Bezugsdauer nicht verbessern würde. Irene Alt Staatsministerin 4 1) Evaluation zentraler ehe- und familienbezogener Leistungen in Deutschland – Endbericht vom 20. Juni 2013 – Forschungszentrum Familienbewusste Personalpolitik (FFP) und Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), S. 9. 2) A. a. O., S. 13. 3) A. a. O., S. 96 und 97.