Drucksache 16/3791 22. 07. 2014 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Anna Neuhof und Andreas Hartenfels (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten Neophyten in Rheinland-Pfalz Die Kleine Anfrage 2429 vom 30. Juni 2014 hat folgenden Wortlaut: In Rheinland-Pfalz ist eine Ausbreitung von Neophyten (nicht einheimischen Pflanzen) zu beobachten. So hat sich z. B. das Indische Springkraut – im 19. Jahrhundert als Zierpflanze eingeführt – insbesondere in feuchten Wäldern und Auen- und Uferlandschaften mit hohem Nährstoffgehalt ausgebreitet. In der Folge drängen die Neophyten die einheimische Flora zurück und können, wie die Herkulesstaude, zusätzlich eine gesundheitliche Gefährdung für Mensch und Tier darstellen. Vor diesem Hintergrund der besonderen naturschutzfachlichen Ansprüche der Rheinauen und der besonderen Vorbildfunktion der öffentlichen Hand fragen wir die Landesregierung: 1. Welche Neophyten stuft die Landesregierung aus Sicht des Natur- und Artenschutzes als problematisch in Rheinland-Pfalz ein? 2. Verfügt die Landesregierung über einen landesweiten Überblick der relevanten Verbreitungsregionen und -standorte von pro- blematischen Neophyten? 3. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um die Ausbreitung nicht einheimischer oder invasiver Arten gemäß § 40 BNatSchG zu verhindern? 4. Wer hat die Verantwortung für die Bekämpfung nicht einheimischer oder invasiver Arten? 5. Welche naturschutz- und umweltrelevanten Gesichtspunkte (Biodiversität, Gewässerschutz) müssen bei der Beseitigung von nicht einheimischen oder invasiven Arten beachtet werden? 6. Welche Rolle spielt der Klimawandel bei der Verbreitung von nicht einheimischen oder invasiven Arten? Das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten hat die Kleine Anfrage namens der Landes - regierung mit Schreiben vom 22. Juli 2014 wie folgt beantwortet: Nicht heimische Arten breiten sich in Europa im Zuge der hohen Mobilität des Menschen, der durch ihn gegebenen Verkehrswege und den Klimawandel aus. Die Arten werden meist unbeabsichtigt in die Natur ausgebracht. Nur in wenigen Fällen erfolgt eine direkte Ausbringung in die Natur. Bei den nicht einheimischen Arten, die sich in der heimischen Natur ausbreiten, wird unterschieden zwischen den Neobiota, die kaum Schäden in der Natur verursachen, und den invasiven Arten nach § 7 Abs. 2 Nr. 9 Bundesnaturschutzgesetz (BNatschG), die heimische Arten verdrängen können. Arten, von denen gesundheitliche Gefahren ausgehen, gelten im Sinne des Naturschutzes nicht als invasive Arten, da von ihnen kein Bedrohungspotential für Tier- und Pflanzenarten besteht . Dies gilt beispielsweise für die Beifußambrosie oder die Herkulesstaude. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage 2429 der Abgeordneten Anna Neuhof und Andreas Hartenfels (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) namens der Landesregierung wie folgt: Zu Frage 1: Nur Neophyten, die einheimische Arten verdrängen, also im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 9 BNatschG als invasive Arten bezeichnet werden, sind naturschutzfachlich als problematisch einzustufen. Dies gilt beispielsweise für die Kanadische Goldrute, Wasserpest, Topinambur, Indisches Springkraut, Stinktierkohl, Spätblühende Traubenkirsche, Gelbe Scheinkalla, Großblütiges Heusenkraut, Kudzu oder den Japanischen- bzw. Sachalin-Knöterich. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 14. August 2014 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/3791 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Zu Frage 2: Da die Verbreitung vieler dieser Arten sehr fluktuiert und einer großen zeitlichen und räumlichen Dynamik unterliegt, wäre ein Überblick über die Verbreitungsregionen nur sehr kurzfristig aktuell und mithin irreführend. Deswegen existieren nur lokale bzw. regionale Kenntnisse über die Verbreitung solcher Arten, aber kein landesweiter Überblick. Bei einzelnen Arten, wie z. B. der Beifußambrosie , werden derzeit die Kenntnisse über die Verbreitung aktualisiert. Zu Frage 3: Insofern die Ausbreitung von nicht heimischen Arten zur Gefährdung geschützter Arten oder Habitaten oder des Menschen führen kann, werden selektive Bekämpfungen durchgeführt. Das heißt, dass zielgerichtet an abgegrenzten Standorten das Vorkommen von bestimmten Pflanzenarten bekämpft wird. Diese Bekämpfungen können zum Bespiel zum Schutz von Biotopen vor invasiven Arten umgesetzt werden oder zum Schutz von Laichhabitaten für Fische und Amphibien. Beispielsweise werden invasive Arten seit Jahren im Naturschutzgebiet Mainzer Sand bekämpft, um die wertvollen Trockenrasen zu erhalten. Aus Gründen des gesundheitlichen Umweltschutzes installiert die Landesregierung zurzeit ein internetbasiertes Informationssystem mit zentraler Meldestelle für die Beifußambrosie (Ambrosia artemisiifolia). Bereits in der Vergangenheit haben die Dienstleistungszentren Ländlicher Raum (DLR) über diese hoch-allergene Pflanze informiert. Die (mechanische) Bekämpfung der Beifußambrosie erfolgt durch die Verfügungsberechtigten (Besitzer bzw. Bewirtschafter, i. d. R. Hobbygärtner oder Kommunalarbeiter ). An der Bundesstraße 9 bei Speyer führt der Landesbetrieb Mobilität in Kooperation mit dem DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück regelmäßig Mäharbeiten durch, um die Pflanzenart zurückzudrängen. Zum Beispiel kann die Ausbreitung der Herkulesstaude dort erfolgreich bekämpft werden, wo dies im gesamten Gewässereinzugsgebiet dauerhaft organisiert werden kann. Dies erfolgt derzeit an der Selz und Nister/Sieg, wo die Herkulesstaude vor allem entlang der Laichgebiete von Fischen bekämpft wird Zu Frage 4: Je nach Art und Charakter des Auftretens ist dies unterschiedlich geregelt. Mögliche Bekämpfungen fallen u. a. in die Zuständigkeit der Forstbehörden, der Landwirtschaftsbehörden, des Gewässerunterhaltungspflichtigen, der Ordnungsämter oder der Naturschutzbehörden , wobei deren Zusammenarbeit zur flächendeckenden Bekämpfung notwendig ist Eine Bekämpfungspflicht, basierend auf dem landwirtschaftlichen Fachrecht (Pflanzenschutzrecht) existiert lediglich für Quarantäne -Schadorganismenarten, welche in den Anhängen zur EU-Quarantäne-Richtlinie (2000/29/EG) gelistet sind. Neophyten sind nicht unter den bekämpfungspflichtigen Arten. Auf landwirtschaftlichen Flächen auftretende Arten, darunter eventuell auch Neophyten , werden von den Verfügungsberechtigten (Landwirte, Gärtner, Winzer etc.) im Rahmen von nach geltendem Pflanzenschutzrecht durchgeführten Pflanzenschutzmaßnahmen mitbekämpft. Zu Frage 5: Die gesetzlichen Bestimmungen im Rahmen von Bekämpfungsmaßnahmen sind je nach Methode und Örtlichkeit unterschiedlich. Dementsprechend muss dies im Einzelfall festgelegt werden. Dies gilt zum Beispiel für den Abstand zu Gewässern bei Bekämpfungen mit Herbiziden, aber auch bei mechanischen Bekämpfungen innerhalb der Brutzeit von heckenbrütenden Vögeln. Sollen bei der Bekämpfung von Neophyten Pflanzenschutzmittel (Herbizide) auf Nicht-Kulturland (außerhalb landwirtschaftlich genutzter Flächen) eingesetzt werden, so muss dies gemäß Pflanzenschutzgesetz beantragt und durch die zuständige Behörde (ADD) genehmigt werden. Dabei wird geprüft, ob durch die Anwendung der beantragten Mittel unvertretbare Auswirkungen auf den Naturhaushalt auftreten oder nicht. Im ersten Falle wird keine Genehmigung erteilt. Im Falle der Erteilung einer Genehmigung werden dabei Anwendungsauflagen erteilt, die bei der Ausbringung der Mittel einzuhalten sind, um eine Gefährdung des Naturhaushaltes (Wasserschutz, Biodiversität) sowie der menschlichen Gesundheit zu vermeiden. Zu Frage 6: Dies ist von Art zu Art unterschiedlich. Viele Arten profitieren vom wärmeren Klima. Hierbei werden jedoch viele Arten aus Südeuropa, die sich nach Rheinland-Pfalz ausbreiten, nicht als Neophyten angesehen, da sie selbständig ihr Verbreitungsareal nach Norden ausdehnen. Die meisten Neobiota mit nicht europäischer Herkunft (z. B. aus Nordamerika oder Asien), die sich in Rheinland -Pfalz etablieren, kommen auch gut mit den hier vorherrschenden Klimabedingungen zurecht. Meistens sind diese Arten sehr tolerant gegenüber Klimaschwankungen und erreichen gerade deswegen eine Etablierung bei uns in Mitteleuropa. Ulrike Höfken Staatsministerin