Drucksache 16/3823 05. 08. 2014 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Elisabeth Bröskamp (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Ministeriums für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen Rückholquote beim Unterhaltsvorschuss Die Kleine Anfrage 2441 vom 15. Juli 2014 hat folgenden Wortlaut: Als eine der zentralen sozial- und familienpolitischen Leistungen für Kinder alleinerziehender Elternteile nimmt der Unterhaltsvorschuss eine besondere Stellung innerhalb der Familienleistungen ein. Der Unterhaltsvorschuss soll helfen, Alleinerziehende zu unterstützen, wenn der unterhaltspflichtige Elternteil seiner Pflicht nicht nachkommt oder nicht nachkommen kann. Ziel ist demnach , die Alleinerziehenden und ihre Kinder situativ aufzufangen und von staatlicher Seite nicht grundsätzlich für den Unterhalt aufzukommen. Entsprechend werden staatlicherseits Beträge vonseiten des Unterhaltsschuldners eingefordert. Dennoch sind die Rückholquoten oft relativ gering und von Kommune zu Kommune sehr unterschiedlich. Vor dem Hintergrund einer immer weiter steigenden Zahl von Alleinerziehenden, die für ihre Kinder auf den Unterhaltsvorschuss angewiesen sind, und einer gleichzeitig schwierigen Haushaltslage in Bund und Ländern, ist eine Gesamtevaluation der Umsetzung und Wirkung des Unterhaltsvorschussgesetzes dringend geboten. Da ein Drittel der Kosten für Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz der Bund trägt, würde eine Verbesserung der Rückholquote auch dem Bundeshaushalt zugutekommen. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. In wie vielen Fällen tritt die Landesregierung in Rheinland-Pfalz in Unterhaltsvorschussleistungen und über welchen Zeitraum werden diese von den jeweiligen Elternteilen bezogen? 2. Wie hoch war die Rückholquote des Unterhaltsvorschusses in Rheinland-Pfalz in den letzten fünf Jahren (bitte nach einzelnen Ge- meinden und Kommunen aufschlüsseln)? 3. Wie erklärt sich die Landesregierung die Unterschiede bei den Rückholquoten in den einzelnen Kommunen? 4. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um die Rückholquote weiter zu verbessern, und welche sind für die Zukunft geplant? 5. Wie beurteilt die Landesregierung die aktuelle Gesetzeslage der Altersbeschränkung beim Unterhaltsvorschuss von maximal 72 Leistungsmonaten und einer Maximalhöhe von 133 Euro pro Monat für ein Kind bis unter sechs Jahren und 180 Euro für ältere Kinder bis unter zwölf Jahren? Das Ministerium für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 5. August 2014 wie folgt beantwortet: Zielsetzung des Unterhaltsvorschussgesetzes ist, den Schwierigkeiten zu begegnen, die alleinstehenden Elternteilen und ihren Kindern entstehen, wenn der andere Elternteil, bei dem das Kind nicht lebt, sich der Pflicht zur Zahlung von Unterhalt ganz oder teilweise entzieht, hierzu nicht oder nicht in hinreichendem Maße in der Lage ist oder wenn er verstorben ist. Nach § 8 Unterhaltsvorschussgesetz werden die zu zahlenden Geldleistungen zu einem Drittel vom Bund getragen, die nach § 7 eingezogenen Beträge sind zu einem Drittel an den Bund abzuführen. An den auf das Land entfallenden Ausgaben und Einnahmen sind durch das Landesgesetz zur Ausführung des Unterhaltsvorschussgesetzes vom 29.6.2000 die mit der Durchführung des Unterhaltsvorschussgesetzes beauftragten Kommunen mit 50 % beteiligt . Zu Frage 1: Im Jahr 2013 wurde in Rheinland-Pfalz in insgesamt 28 566 Fällen Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz gewährt. In 8 066 Fällen wurden die Zahlungen im Laufe des Jahres 2013 eingestellt. Davon haben 3 278 Personen die Leistung zwischen einem und 24 Monaten, 1 833 zwischen 25 und 48 Monaten und 2 955 zwischen 49 und 72 Monaten bezogen. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 20. August 2014 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/3823 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Zu Frage 2: Die Rückgriffsquote ist das Verhältnis zwischen den Ausgaben aus gezahlten Unterhaltsvorschussleistungen und Einnahmen nach § 7 des Unterhaltsvorschussgesetzes (Rückgriff bei Unterhaltspflichtigen). Die geforderten Daten und Angaben liegen der Landesregierung nicht nach einzelnen Gemeinden vor. Erhebungen in Bezug auf einzelne Gemeinden werden von den Landkreisen nicht gefordert, weshalb lediglich Angaben nach Städten und Kreisen erfolgen können. Zwischen 2007 und 2013 konnten in Rheinland-Pfalz jeweils rund ein Viertel der gezahlten Unterhaltsleistungen bei den Unterhaltsschuldnern wieder eingetrieben werden, wobei sich in den einzelnen Kommunen die Quoten sehr unterschiedlich darstellen. Im Jahr 2013 hat der Landkreis Daun mit einer Rückforderungsquote von über 46 % am erfolgreichsten Forderungen gegen Unter - haltsschuldner eintreiben können. Die Stadt Bad Kreuznach war mit knapp 11 % am wenigsten erfolgreich. 2 Verwaltung 2013 2012 2011 2010 2009 Kreisverwaltung Ahrweiler 28,05 28,64 28,20 27,25 29,79 Kreisverwaltung Altenkirchen 15,39 17,28 18,54 16,58 22,40 Kreisverwaltung Alzey-Worms 26,69 22,34 19,90 18,11 23,89 Stadtverwaltung Andernach 23,90 22,20 17,76 20,59 20,38 Kreisverwaltung Bad Dürkheim 38,56 31,03 31,44 23,09 21,73 Kreisverwaltung Bad Kreuznach 28,29 30,82 29,84 27,39 35,18 Stadtverwaltung Bad Kreuznach 10,93 14,17 14,88 18,70 16,28 Kreisverwaltung Bernkastel-Wittlich 35,77 39,87 39,34 33,57 40,87 Kreisverwaltung Birkenfeld 15,63 17,74 24,21 26,50 35,36 Kreisverwaltung Bitburg-Prüm 27,45 34,68 31,84 32,10 34,75 Kreisverwaltung Cochem-Zell 35,66 37,59 41,01 32,68 37,23 Kreisverwaltung Daun 46,56 37,20 36,51 28,44 38,02 Kreisverwaltung Donnersbergkreis 25,83 28,16 31,84 28,52 34,82 Stadtverwaltung Frankenthal 21,92 21,34 25,02 23,96 27,06 Kreisverwaltung Germersheim 15,38 19,73 17,68 16,61 18,05 Stadtverwaltung Idar-Oberstein 18,92 21,78 20,16 18,86 20,61 Kreisverwaltung Kaiserslautern 17,76 16,57 18,29 19,35 22,50 Stadtverwaltung Kaiserslautern 21,99 21,87 21,33 23,64 26,21 Stadtverwaltung Koblenz 26,08 25,37 20,20 16,93 20,81 Kreisverwaltung Kusel 30,10 32,11 28,31 23,46 27,14 Stadtverwaltung Landau 29,55 32,23 31,68 23,89 34,79 Kreisverwaltung Rhein-Pfalz-Kreis 21,41 24,87 22,01 17,24 23,20 Stadtverwaltung Ludwigshafen 19,58 19,62 18,61 17,83 18,11 Stadtverwaltung Mainz 14,99 26,44 15,01 10,28 4,58 Kreisverwaltung Mainz-Bingen 30,89 33,81 30,75 24,58 28,83 Stadtverwaltung Mayen 17,54 22,37 26,11 19,77 21,03 Kreisverwaltung Mayen-Koblenz 28,71 25,70 25,12 25,56 28,21 Stadtverwaltung Neustadt 30,24 21,83 16,79 19,71 23,15 Kreisverwaltung Neuwied 40,50 40,79 38,17 28,91 28,48 Stadtverwaltung Neuwied 18,37 21,24 22,88 24,54 26,52 Stadtverwaltung Pirmasens 21,42 25,09 19,82 17,85 21,33 Kreisverwaltung Rhein-Hunsrück 39,96 40,40 39,08 31,84 30,45 Kreisverwaltung Rhein-Lahn-Kreis 23,64 27,43 28,07 27,98 31,43 Stadtverwaltung Speyer 43,18 39,11 38,68 34,91 37,00 Kreisverwaltung Südliche Weinstraße 31,51 32,42 28,11 28,31 20,70 Kreisverwaltung Südwestpfalz 22,02 16,17 14,32 18,53 13,00 Stadtverwaltung Trier 35,17 34,69 32,69 30,63 41,91 Kreisverwaltung Trier-Saarburg 40,54 39,29 37,21 28,87 32,15 Kreisverwaltung Westerwaldkreis 33,05 34,83 31,58 27,45 27,10 Stadtverwaltung Worms 26,55 26,37 28,13 25,38 24,64 Stadtverwaltung Zweibrücken 22,47 25,21 22,99 25,74 26,87 Rheinland-Pfalz insgesamt 26,07 27,05 25,59 23,27 25,58 Durchführung des Unterhaltsvorschussgesetzes. Rückgriffsquoten (Einnahmen gemäß § 7 UVG in v. H. zu den Ausgaben) Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/3823 Nach Ansicht der Landesregierung ist die Rückgriffsquote allerdings kein geeigneter Indikator für die Leistungsfähigkeit einer Unter - haltsvorschussstelle. Der Rückgriff geschieht in vielen Fällen zeitverzögert. Es werden also bei der jährlichen Betrachtung Ausgaben mit Einnahmen verglichen, die Unterhaltsvorschusszahlungen und damit Forderungen aus Vorjahren betreffen, gegebenenfalls sogar von Unterhaltspflichtigen, deren Kinder nicht mehr im Bezug stehen. Ein Drittel bis ein Viertel der Unterhaltsvorschuss - zahlungen werden als sog. Ausfallleistung gezahlt, d. h. die Unterhaltspflichtigen können nicht für den Rückgriff herangezogen werden , weil sie nicht leistungsfähig, nicht ermittelbar oder verstorben sind. Hat ein Kind keinen Unterhaltsanspruch, ist ein Rückgriff von vornherein nicht möglich, da kein Unterhaltsanspruch nach § 7 Absatz 1 Unterhaltsvorschussgesetz auf das Land übergehen kann. Der verstärkte Zuzug von Alleinerziehenden kann insbesondere in großen Städten eine „schlechte“ Rückgriffquote zur Folge haben. Daher richten sich die Maßnahmen der Landesregierung zur Unterstützung der Unterhaltsvorschussstellen in der Regel nicht nur auf die Verbesserung der Rückholquote, sondern auch auf die Sicherstellung eines möglichst guten Qualitätsstandards der Unter - haltsvorschussstellen. Zu Frage 3: Seit Vorliegen ländervergleichender Statistiken (1982) konnten in Rheinland-Pfalz im Bundesvergleich stets überdurchschnittlich gut Rückforderungen durchgesetzt werden. In einzelnen Jahren konnten sogar Rückholquoten erreicht werden, die mit bis zu sechs Prozentpunkten sehr deutlich über dem Bundesdurchschnitt lagen. Die Höhe der Rückgriffsquote bestimmt sich nach einer Reihe unterschiedlicher Faktoren. Hauptgrund für die generell recht niedrige Rückholquote ist sicher die mangelnde Leistungsfähigkeit der barunterhaltspflichtigen Elternteile. Die überwiegende Zahl der unterhaltspflichtigen Elternteile verfügt nur über geringe Einkünfte, aus denen sie lediglich ihren eigenen Selbstbehalt decken können . Eine Heranziehung zum Unterhalt ist dann nicht oder allenfalls begrenzt möglich. Betroffen sind besonders Eltern, die – Arbeitslosengeld I oder Arbeitslosengeld II beziehen, – nur eine geringfügige Beschäftigung bzw. eine Beschäftigung im Niedriglohnbereich ausüben, – sich im Verfahren der Privatinsolvenz befinden (in den vergangenen Jahren ist die Zahl stetig gestiegen), – Tilgungen für ein Familieneigenheim, in dem unterhaltsvorschussberechtigte Kinder mietzinsfrei wohnen, leisten, weil diese nach der Entscheidung des BVerwG vom 24. Februar 2007 (5 C 17.04) keine Unterhaltszahlungen i. S. des § 2 UVG sind und damit einerseits Unterhaltsvorschuss zu gewähren ist, andererseits diese Tilgungsleistungen die Leistungsfähigkeit des Barunterhaltspflichtigen mindern oder gar zu dessen Leistungsunfähigkeit führen. Auch die Verschlechterung der Abzweigungsmöglichkeiten nach § 48 SGB I bei Leistungen für den Barunterhaltspflichtigen durch die Reformgesetze seit 2005 (Hartz IV) beeinträchtigen die Rückholquoten. Die Einführung eines Pfändungsschutzkontos dient zwar dem Schutz der Schuldner, bedeutet aber zugleich eine weitere Hürde bei der Durchsetzung titulierter Ansprüche. Weiter hat die Handhabung von Beistandschaften nach § 55 f SGB VIII in den Kommunen Auswirkungen auf die Rückholquote. Ein Jugendamt, das offensiv Beistandschaften fördert, treibt bei leistungsfähigen Elternteilen den Unterhalt ein, ohne dass Unterhaltsvorschuss beantragt werden muss. Das verschlechtert beim Unterhaltsvorschuss dann die Rückholquote, da Unterhaltsvorschuss hier häufiger wegen Leistungsunfähigkeit des barunterhaltspflichtigen Elternteils gewährt wird, als bei Kommunen, die einen weniger starken Fokus auf die Ausübung und das Angebot von Beistandschaften richten. Zu Frage 4: Die Unterhaltsvorschussstellen in Rheinland-Pfalz werden vom Landesjugendamt kontinuierlich fachlich in ihrer Aufgabenwahrnehmung begleitet, insbesondere durch – regelmäßige Fachtagungen zu speziellen Themen unter Beteiligung externer Referentinnen und Referenten, – Qualifizierung von neu in das Sachgebiet UVG eingesetzten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, – einen halbjährlich stattfindenden Erfahrungsaustausch zwischen Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeitern örtlicher Unter- haltsvorschusskassen in Arbeitskreisen unter der Moderation des Landesjugendamtes, – beratende Unterstützung bei der Erstellung von Formblättern und Mustertexten, – Beratung zu Einzelfallfragen, – entscheidungsrelevante Stellungnahmen zu schwierigen Rechtsfragen im Einzelfall, – Rundschreiben zu Änderungen maßgeblicher Gesetze bzw. zu aktueller Rechtsprechung, – jährliche Information zu den praxisrelevanten Auswirkungen der jeweiligen Richtlinienänderungen, – UVG-Richtlinien und deren regelmäßiger Fortschreibung. Zu Frage 5: Eine Verlängerung des Bezugszeitraums über die derzeit geltenden 72 Monate hinaus und eine Ausweitung ohne zeitliche Begrenzung wären aus Sicht der Landesregierung zwar durchaus wünschenswert, doch mit hohen Kosten verbunden und von daher derzeit eher nicht realisierbar. 3 Drucksache 16/3823 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Die Höhe des Unterhaltsvorschusses von derzeit 133 Euro für Kinder im Alter bis zu fünf Jahren und 180 Euro für Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren betrachtet die Landesregierung als sachgerecht. Der Unterhaltsvorschuss ist eine gesetzliche Leistung, die unabhängig vom Einkommen und Vermögen des betreuenden Elternteils gewährt wird, wenn der unterhaltspflichtige Elternteil seiner Unterhaltspflicht nicht nachkommt bzw. nicht nachkommen kann. Die Höhe des Unterhaltsvorschusses ist am gesetzlichen Mindestunterhalt, der „Düsseldorfer Tabelle“, ausgerichtet. Zu beachten ist auch, dass bei Alleinerziehenden, die einkommensabhängige Sozialleistungen beziehen (Arbeitslosengeld II, Sozial - geld), der Unterhaltsvorschuss angerechnet wird, so dass sich deren Lage durch eine verlängerte Bezugsdauer oder Erhöhung des Unterhaltsvorschussbetrages nicht verbessern würde. Irene Alt Staatsministerin 4