Drucksache 16/3847 14. 08. 2014 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Barbara Schleicher-Rothmund, Marcel Hürter und Fredi Winter (SPD) und A n t w o r t des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten Hochwasserschutz in Rheinland-Pfalz Die Kleine Anfrage 2456 vom 24. Juli 2014 hat folgenden Wortlaut: Die rheinland-pfälzische Landesregierung hat bei einer Sondersitzung des Kabinetts anlässlich des Auftakts des Rheinland-Pfalz-Tags in Neuwied beschlossen, ein neues Konzept zum Hochwasserschutz in Neuwied finanziell zu unterstützen. Das Land Rheinland-Pfalz verfügt seit Anfang der 1990er Jahre über ein beispielhaftes integriertes Hochwasserschutzkonzept, das im Wesentlichen auf den drei Säulen Förderung des natürlichen Wasserrückhalts in der Fläche, technischer Hochwasserschutz und Hochwasser vorsorge beruht. In Baden-Württemberg verzögert sich nach derzeitigem Stand die Fertigstellung der Rückhalteräume zum Hochwasserschutz bis zum Jahr 2028. Das Integrierte Rheinprogramm des Nachbarlandes sieht unter anderem den Bau und Betrieb mehrerer Hochwasser - rück halteräume entlang des Rheins zwischen Weil am Rhein und Mannheim vor. Wir fragen die Landesregierung: 1. Lassen sich Teile des aktuellen Hochwasserschutzkonzepts der Stadt Neuwied auf andere Regionen übertragen, etwa die Ent- wicklung von Maßnahmen mit den Bürgerinnen und Bürgern und allen lokalen Akteuren? 2. Welche Maßnahmen und Projekte zum Hochwasserschutz wurden in Zuständigkeit des Landes in Rheinland-Pfalz aktuell um- gesetzt bzw. sind derzeitig fertiggestellt? 3. Welche Hochwasserrückhaltemaßnahmen im Land sind derzeit in Planung und Um setzung? 4. Wie beurteilt die Landesregierung die Situation beim grenzüberschreitenden Hoch was ser schutz? Das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten hat die Kleine Anfrage namens der Landes - regierung mit Schreiben vom 8. August 2014 wie folgt beantwortet: Hochwasserschutz und Hochwasservorsorge sind ein Schwerpunkt der Landesregierung. Trotz der bisherigen Ausgaben von rd. 900 Millionen Euro sind in Rheinland-Pfalz zukünftig Kosten in Höhe von mehr als 500 Millionen Euro abzusehen. Dies vorrausgeschickt , beantworte ich namens der Landesregierung die Kleine Anfrage 2456 wie folgt: Zu Frage 1: Hochwasser können wir nicht verhindern und uns auch nicht vollständig vor Hochwasser schützen. Zudem müssen wir aufgrund des Klimawandels damit rechnen, dass extreme Ereignisse wie Sturm, Starkregen und Hochwasser zunehmen. Dieser Herausforderung müssen wir uns stellen – mit Energieeinsparung und Ressourcenschonung, dem schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien und mit Klimaschutzmaßnahmen. Deshalb ist in jeder potenziell betroffenen Ortschaft, ob mit oder ohne Schutzanlage, Hochwasservorsorge auch für extreme Ereignisse wie im Juni 2013 an Donau und Elbe erforderlich. Die größten Hochwasserschäden treten in den bestehenden Siedlungen auf. Hier setzt unsere Hochwasserpolitik an: – bei der Information der Betroffenen, – beim hochwasserangepassten Planen, Bauen und Sanieren sowie – bei der Gefahrenabwehr und dem Katastrophenschutz. Im Rahmen der 20 Hochwasserpartnerschaften, die inzwischen an allen größeren Flüssen oder Flussabschnitten in Rheinland-Pfalz bestehen, werden die Schwerpunkte des Hochwasserrisikos den Kommunen aufgezeigt und Maßnahmen des kommunalen Hochwasserrisikomanagements festgelegt. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 25. August 2014 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/3847 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Ergänzend wurde mit bundesweitem Pilotcharakter das Instrument „Örtliche Hochwasserschutzkonzepte“ geschaffen, um die Bürgerinnen und Bürger und die Öffentlichkeit zu beteiligen. Für die Kommunen hat das bei den kommunalen Spitzenverbänden angesiedelte und vom Land finanzierte Informations- und Beratungszentrum Hochwasservorsorge bereits einen Leitfaden erstellt. Örtliche Hochwasserschutzkonzepte werden in einem partizipativen Prozess mit allen Akteuren vor Ort in Form von Bürgerversammlungen und Workshops aufgestellt. Das Land mit seinen Fachbehörden leistet Unterstützung und gewährt finanzielle Hilfe (Förderung bis zu 90 %). Bisher wurden örtliche Pilotprojekte für die Gemeinde Leutesdorf und die Verbandsgemeinde Bad Münster am Stein-Ebernburg aufgestellt. Weitere Pilotprojekte laufen in Vallendar, Kobern-Gondorf, Bobenheim-Roxheim, BingenGaulsheim , Langsur und Lahnstein. Geplante Konzepte mit Landesförderung sollen außer für Neuwied in Koblenz, in der Verbandsgemeinde Weißenthurm, in Odenbach, Monzingen und weiteren 20 Kommunen aufgestellt werden. Um die Hochwasserschäden im Land so weit wie nur möglich zu reduzieren, ist es Ziel, dass sich mittelfristig alle hochwasserbedrohten Städte und Gemeinden zur Aufstellung von Hochwasserschutzkonzepten entschließen. Zu Frage 2 und 3: Zur Verbesserung von Hochwasserschutz und Hochwasservorsorge gibt es eine Vielzahl von fertiggestellten sowie in Planung und Umsetzung befindlichen Maßnahmen und Projekten. Damit sich Betroffene und Interessierte über die Hochwassergefährdung informieren können, sind Hochwassergefahren- und Hochwasserrisikokarten für alle größeren rheinland-pfälzischen Gewässer im Internet eingestellt. Aktuell werden die rheinland-pfälzischen Hochwasserrisikomanagement-Pläne in Zusammenarbeit mit den Hochwasserpartnerschaften aufgestellt. Im rheinland-pfälzischen Bauprogramm am Oberrhein für Polder und Deichrückverlegungen sind bis 2013 insgesamt rund 52 Mio. m3 Rückhalteraum fertiggestellt und rund 160 km Deiche von rund 180 km ertüchtigt worden. Das Potenzial für weitere Deichrückverlegungen am Oberrhein wird derzeit untersucht. An der unteren Nahe werden die Deiche ebenfalls ertüchtigt. Hier ist der Polder Planig fertiggestellt, die Deichrückverlegung Bretzenheim im Bau und die Deichrückverlegung in Sponsheim in Planung. Im Hinblick auf die mögliche Hochwasserverschärfung durch den Klimawandel und zur Abwehr von extremen, über das 200-jährliche Schutzniveau hinausgehenden Hochwasserereignissen sollen zusätzlich „Reserveräume für Extremhochwasser“ bei Hördt und Eich-Guntersblum gebaut werden. Für diese sind die Raumordnungsverfahren abgeschlossen. Die Planfeststellungsunterlagen werden derzeit vorbereitet. Vor allem an Mittelrhein und Mosel, aber auch an der Nahe kann nur durch örtliche Hochwasserschutzprojekte die Überschwemmungshäufigkeit verringert werden. Bisher wurden für 34 örtliche Hochwasserschutzprojekte rund 184 Millionen Euro investiert. Der 10-jährliche Hochwasserschutz für die Koblenzer Stadtteile Lützel und Neuendorf soll bis 2015 fertiggestellt sein. In Planung befindet sich der Hochwasserschutz Lahnstein. Für Hochwasservorsorgemaßnahmen vor Ort sind die Kreise, Städte und Gemeinden zuständig. Die Voraussetzungen für mehr Eigenvorsorge als Aufgabe jedes einzelnen potenziell „Betroffenen“ sind u. a. durch Hochwassermeldedienst und Hochwasserfrühwarnung geschaffen. Weiterhin haben Land und Kommunen seit 1995 rund 190 kleinere Hochwasserrückhaltebecken gebaut, die ihre Wirkung vor allem im Nahbereich haben. Die Hochwasserrückhaltemaßnahmen im Land an den kleineren Gewässern werden im Rahmen der Aktion Blau Plus vom Land mit bis zu 90 % gefördert. Derzeit sind 18 Maßnahmen in der Planung bzw. in der Umsetzung. Ergänzt werden diese Maßnahmen durch die Gewässerrenaturierung. Zu Frage 4: Beim grenzüberschreitenden Hochwasserschutz arbeiten die Bundesländer im Rheingebiet in der Flussgebietsgemeinschaft Rhein eng zusammen. Die internationale Zusammenarbeit im Rheingebiet erfolgt im Rahmen der Internationalen Kommission zum Schutze des Rheins (IKSR) und der Internationalen Kommissionen zum Schutz der Mosel und der Saar (IKSMS). Von diesen wurden bereits Mitte der 1990er Jahre international abgestimmte Hochwasseraktionspläne aufgestellt, die auch Grundlage für die bis 2015 aufzustellenden Hochwasserrisikomanagement-Pläne sind. Am Oberrhein wurde im Verwaltungsabkommen über gleichwertige Deichhöhen am Rhein zwischen Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz bereits 1991 festgeschrieben, dass zur Verbesserung der Hochwassersicherheit die Deiche zum Schutz der Unterlieger nicht erhöht werden dürfen, sondern zusätzlicher Rückhalteraum zur Verfügung gestellt werden soll. Der Bau der Hochwasserrückhaltungen am Oberrhein ist in Verträgen mit Frankreich und in deutschen Verwaltungsabkommen geregelt. Ziel ist die Wiederherstellung der vor dem Staustufenbau bis 1977 vorhandenen 200-jährlichen Hochwassersicherheit. Von insgesamt 288 Millionen Kubikmeter vereinbartem Rückhalteraum sind in Baden-Württemberg noch rd. 100 Millionen Kubikmeter in Bau bzw. in Planung. Die Landesregierung setzt sich im Interesse unserer Bevölkerung dafür ein, dass diese schnellstmöglich fertiggestellt werden. Ulrike Höfken Staatsministerin