Drucksache 16/3848 14. 08. 2014 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Friederike Ebli, Wolfgang Schwarz und Marcel Hürter (SPD) und A n t w o r t des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten Giftbelastungen durch Altlasten auf einem Unternehmensgelände in der Region Speyer Die Kleine Anfrage 2459 vom 24. Juli 2014 hat folgenden Wortlaut: Medienberichten zufolge sollen im Nordwesten von Speyer Böden und Wasser mit dem krebserregenden Stoff Vinylchlorid belastet sein. Die Altlasten befinden sich auf einem Gelände von Siemens. Der Stoff habe sich in den vergangenen Jahrzehnten im Untergrund ausgebreitet und soll derzeit in einem Areal von über einem Kilometer Länge nachgewiesen werden können. Wir fragen die Landesregierung: 1. Welche Kenntnis hat die Landesregierung vom Ausmaß der Belastung von Böden und Wasser in der Region Speyer, verursacht durch Altlasten auf einem Unternehmens gelände? 2. Wie werden die gesundheitlichen und ökologischen Gefahren von der Landesregierung nach heutigem Kenntnisstand einge- schätzt? 3. Welche Vorsorgemaßnahmen werden besonders im Hinblick auf Trinkwasserversorgung und den Badesee in der Region ge- troffen? 4. Wie ist gewährleistet, dass das verursachende Unternehmen die Sanierungskosten in Speyer tatsächlich trägt? Das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten hat die Kleine Anfrage namens der Landes - regierung mit Schreiben vom 8. August 2014 wie folgt beantwortet: Zu Frage 1: Auf dem ehemaligen Betriebsgrundstück der Fa. Siemens sind ab ca. 1940 leichtflüchtige chlorierte Kohlenwasserstoffe über den Boden in das Grundwasser gelangt. Entsprechend liegen am Eintragsort sowohl Boden- als auch Grundwasserverunreinigungen vor. Auf dem Betriebsgrundstück werden daher seit Entdeckung der Bodenverunreinigung 1984 Boden-, Bodenluft- und Grundwassersanierungen durchgeführt; seit der Übergabe des Betriebs an die Fa. Tyco TE im Oktober 1999 führt diese die Sicherungs- und Sanierungsmaßnahmen durch. Mit dem Grundwasserstrom wurden in früheren Jahrzehnten die Schadstoffe, ausgehend vom Betriebsgrundstück, in Richtung Osten transportiert. Im Bereich dieser insgesamt ca. 2 000 m langen und ca. 500 m breiten Fahne (außerhalb des Betriebsgrundstücks) mit leichtflüchtigen chlorierten Kohlenwasserstoffen (LCKW) liegen im Wesentlichen keine Bodenbelastungen vor (ausschließlich in der engeren Kontaktzone Grundwasser/Boden, „wassergesättigte Bodenzone“). Entsprechende Bodenuntersuchungen haben gezeigt , dass ungelöste LCKW im Bereich der Schadstofffahne keine sanierungsrelevante Rolle spielen. Der Randbereich der Schadstofffahne tangiert den Steinhäuserwühlsee. Durch natürliche Abbauprozesse im Grundwasser wurden die Ursprungssubstanzen (Tetrachlorethen, Trichlorethen) über Dichlorethen bis zu dem Stoff Vinylchlorid (VC) abgebaut. Der weitere Abbau von VC im Grundwasser zum unschädlichen Ethen erfolgt aufgrund der lokalen Milieubedingungen allerdings nur unzureichend, sodass aktive Sanierungsmaßnahmen im Grundwasser und im Steinhäuserwühlsee erforderlich sind. Durch Grundwasseruntersuchungen beim Neubau der Tullastraße im Jahr 1998 wurden erstmals hohe LCKW-Belastungen in diesem Bereich festgestellt. Seit dieser Zeit wurden in einem längerfristigen Prozess umfangreiche Untersuchungsmaßnahmen durchgeführt , um den Grundwasserschaden zu erkunden und abzugrenzen, die Herkunft abzuklären und aus dem größeren Kreis poten - Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 25. August 2014 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/3848 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode zieller Verursacher die hauptverantwortliche Firma zu identifizieren. Zudem wurden hinsichtlich aller relevanter Wirkungspfade Gefährdungsabschätzungen vorgenommen. Sämtliche Erkundungen und Maßnahmen sind in Berichten dokumentiert. Zum LCKW-Schaden gibt es Gutachten der Büros Dr. Heckemanns GmbH, Peschla + Rochmes GmbH, Umweltschutz UBP AG, Arcadis und CDM Consult GmbH. Zu Frage 2: Das Speyerer Trinkwasser stammt hauptsächlich aus Tiefenbrunnen, die im Westen von Speyer liegen. Eine Beeinträchtigung des Trinkwassers ist auszuschließen. Durch eine Allgemeinverfügung wurden alle Brunnenbesitzer im Schadensgebiet darüber informiert , dass das Grundwasser nicht als Trinkwasser genutzt werden darf. Auch darüber informiert die Stadt Speyer auf ihrer Internetseite . Es gibt keinen gesetzlichen Grenzwert für Badegewässer, sondern nur einen gesetzlichen Grenzwert für Trinkwasser. Dieser ist in diesem Fall nicht anzuwenden. Zudem gibt es einen gesetzlichen Grenzwert in der Oberflächengewässerverordnung, der aus ökologischen Gründen festgelegt worden ist. Dieser ist ebenfalls nicht für Badende anzuwenden. Folglich wurde zum Schutz der Baden - den für den Badesee ein Vorsorgewert von 1,5 μg/L mit wissenschaftlichen Berechnungsmethoden erarbeitet (siehe Antwort zu Frage 3). Die letzten Messungen im Steinhäuserwühlsee ergaben Werte von 0,6 bis 0,7 μg/l am 26. Juni 2014 und von 0,47 bis 0,65 μg/l am 10. Juli 2014 und von 0,4 bis 0,5 μg/L am 24. Juli 2014. Die Werte liegen zwar geringfügig über dem Trinkwassergrenzwert von 0,5 μg/L, der hier nicht anzuwenden ist, aber deutlich unter dem festgelegten Vorsorgewert für Badende von 1,5 μg/l und dem ökologischen Grenzwert von 2,0 μg/L. Die gesundheitlichen und ökologischen Gefahren werden bei Einhaltung des Vorsorgewertes für Badende und des ökologischen Grenzwertes als gering eingeschätzt. Zu Frage 3: Hinsichtlich des Badesees finden seit 2004 regelmäßige Seewasserbeprobungen statt. Seit 2011 führt die Fa. Siemens diese Messungen im Rahmen eines Monitorings durch. 2013 wurde ein Ansteigen der Konzentrationen im Badesee vermerkt. Durch die Experten des Landesamtes für Umwelt, Wasserwirtschaft und Gewerbeaufsicht sowie des Gesundheitsamtes wurde daraufhin eine Expositionsabschätzung für das Baden und Angeln im Steinhäuserwühlsee vorgenommen. Auf der Grundlage einer wissenschaftlichen Berechnungsmethode wurde für den Steinhäuserwühlsee ein Grenzwert von 1,5 Mikrogramm VC pro Liter für den oberflächennahen Bereich ermittelt. Dieser Grenzwert wurde bislang nicht überschritten. Die Badegäste und Camper am Steinhäuserwühlsee wurden durch Aushänge vor Ort über die Situation informiert. Die Internetseite der Stadt Speyer stellt fortlaufend die Analyseberichte der Seewasserbeprobungen zur Verfügung und beantwortet Fragen zum LCKW-Schaden. Im öffentlichen Umweltausschuss der Stadt Speyer wurde regelmäßig über den LCKW-Schaden berichtet. Die örtliche Presse berichtete ebenfalls mehrmals über die Grundwasserverunreinigung. Die Sanierung des Steinhäuserwühlsees durch Tiefenwasserbelüftungsanlagen ist eine vorgezogene Sofortmaßnahme zur Sicherung des EU-Badegewässers bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Grundwassersanierung greift und dem See kein belastetes Grundwasser mehr zuströmen kann. Im Moment ist davon auszugehen, dass die Belüftung des Steinhäuserwühlsees für zwei bis drei Jahre erforderlich sein wird. Parallel wird die Sanierung des Grundwasserschadens konkret vorbereitet. So wurden beispielsweise im Jahr 2013 im Rahmen der Sanierungsuntersuchungen in verschiedenen Bereichen der Schadstofffahne bereits Sanierungstests im Gelände durchgeführt (Immissionspumpversuche, Grundwasserzirkulationstest, Sanierungstestfeld mit drei Sanierungsbrunnen im Grundwasseranstrom zum Steinhäuserwühlsee). Weitere Abbautests fanden im Rahmen von Laboruntersuchungen statt, um die Schadstoffe im Hinblick auf ihre Rückhalte-, Ausbreitungs- und Abbauprozesse im quellnahen und im Fahnenbereich zu charakterisieren. Derzeit wird im Auftrag der Fa. Siemens die konkrete Sanierungsplanung für das Grundwasser erarbeitet, die technische Umsetzung der Sanierungsvorzugsvariante ist für das Jahr 2015 vorgesehen. Zu Frage 4: Die Fa. Siemens wurde bereits 2001 und 2010 durch eine Verfügung zu Erkundungen, Abgrenzungen und Gefährdungsabschätzungen der von ihrem ehemaligen Betriebsgelände abströmenden Schadstofffahnen verpflichtet. In gemeinsamer Absprache mit der Stadt Speyer und den Fachbehörden erarbeitet die Fa. Siemens eine Sanierungserkundung. Diese hat nach Angaben der Stadt Speyer zum Ziel, 2015 mit der Sanierung zu beginnen. Der Sanierungsplan soll nach der Vorstellung der Stadt Speyer voraussichtlich Grundlage eines öffentlichen Sanierungsvertrags mit der Fa. Siemens sein. Die Sanierungserkundung sowie das halbjährliche Monitoring der Gesamtschadensfahne und die Maßnahme am Steinhäuserwühlsee werden nach Auskunft der Stadt Speyer von der Fa. Siemens finanziert. Ulrike Höfken Staatsministerin