Drucksache 16/3865 18. 08. 2014 K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Arnold Schmitt (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung Urantransporte durch Rheinland-Pfalz Die Kleine Anfrage 2486 vom 25. Juli 2014 hat folgenden Wortlaut: In einem Bericht des Trierischen Volksfreundes vom 23. Juli 2014 ist zu lesen, dass Urantransporte quer durch Rheinland-Pfalz fahren und in der Region Trier nach Frankreich durchfahren. Auch steht dort, es handele sich um Material, das aus Namibia stamme. Ich frage ich die Landesregierung: 1. Seit wann weiß die Landesregierung von diesen Transporten und seit wann fahren diese durch Rheinland-Pfalz? 2. Wer genehmigt diese Transporte durch Rheinland-Pfalz und wer überwacht diese? 3. Welche nachgeordneten Behörden werden hierüber informiert? 4. Handelt es sich bei dem Material um Material aus Afrika, und warum wird dieses über Hamburg nach Europa verschifft? 5. Wie steht die Landesregierung zu einem grundsätzlichen Verbot solcher Transporte, wie es das Nachbarland Luxemburg bereits praktiziert? 6. Wie sieht die Landesregierung die Gefährdung der Bevölkerung durch solche Transporte? Das Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 15. August 2014 wie folgt beantwortet: Im Atomrecht wird zwischen Kernbrennstoffen und „sonstigen radioaktiven Stoffen“ unterschieden. Als Kernbrennstoffe definiert § 2 Atomgesetz (AtG) die Isotope Plutonium-249 bzw. Plutonium-241, mit den Isotopen Uran-235 oder Uran-233 angereichertes Uran sowie jeden Stoff, der einen oder mehrere der vorgenannten Stoffe enthält. Daher sind Transporte von angereichertem Uranhexafluorid (UF6) und von entleerten UF6-Behältern, die Reste von angereichertem UF6 enthalten, als Transporte von Kernbrennstoffen einzustufen. Alle radioaktiven Stoffe, die nicht als Kernbrennstoffe anzusehen sind und welche die in der Strahlenschutzverordnung festgelegten Freigrenzen überschreiten, werden in § 2 AtG als sonstige radioaktive Stoffe bezeichnet. Dazu gehören Natururan, Uranerzkonzentrat , Uranhexafluorid mit Uran in natürlicher oder abgereicherter Isotopenzusammensetzung. Uranhexafluorid birgt insbesondere aufgrund seiner chemischen Eigenschaften ein erhebliches Gefahrenpotential. Bei der Reaktion mit Wasser entstehen festes Uranylfluorid und v. a. gasförmiger Fluorwasserstoff, der sich schnell in die Umgebung ausbreiten kann. Beide Stoffe sind sehr giftig. Eine derartige chemische Reaktion ist für Uranerzkonzentrat nicht möglich. Dessen Toxizität beruht im Wesentlichen auf der Wirkung des Schwermetalls Uran bei oraler oder inhalativer Aufnahme, z. B. von Staub. Straßentransporte von Kernbrennstoffen sind spätestens 48 Stunden vor Beginn des Transports (oder dem Eintreffen in dem deutschen Hoheitsgebiet) bei dem Bundesamt für Strahlenschutz, den Lagezentren der Innenbehörden der vom Transport berührten Länder anzumelden, Schienentransporte darüber hinaus bei der Leitstelle des Bundespolizeipräsidiums (BPOL) Potsdam und dem Eisenbahnbundesamt (EBA). Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 8. September 2014 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/3865 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Sicherungsrelevante Transporte sind zusätzlich dem Lagezentrum des Bundesministeriums des Innern (BMI) zu melden. Alle Meldungen sind als „Vertraulich – nur für den Dienstgebrauch“ (VS-NfD) einzustufen. Die Transporte sonstiger radioaktiver Stoffe (mit Ausnahme von Großquellen mit einer Aktivität von mehr als 1000 Terabequerel) unterliegen keinen Meldepflichten. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die vorgenannte Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu Frage 1: Der genaue Zeitpunkt, seit wann „Urantransporte“ durch das Gebiet von Rheinland-Pfalz stattfinden und seit wann dies der Landesregierung bekannt ist, lässt sich nicht angeben. Es ist davon auszugehen, dass derartige Transporte seit den späten 70er Jahren stattfinden. Die Urananreicherungsanlagen der Urenco in Almelo (NL) und im wenige Kilometer davon entfernten Gronau beliefern ihre Kunden seit 1976 bzw. 1985. Die Brennelementefabrik in Lingen ging 1979 in Betrieb. Die Transporte zwischen den vorgenannten Anlagen und entsprechenden Anlagen in Frankreich führen in der Regel durch Rheinland-Pfalz. Zu Frage 2: Für die Erteilung von Genehmigungen zur Beförderung von Kernbrennstoffen gemäß § 4 AtG ist – unabhängig von dem gewählten Verkehrsträger – das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) zuständig. Die Erteilung von Genehmigungen zur Beförderung sonstiger radioaktiver Stoffe auf der Schiene obliegt dem Eisenbahnbundesamt . Die Beförderung sonstiger radioaktiver Stoffe auf der Straße wird durch die im jeweiligen Bundesland zuständige atomrechtliche Genehmigungsbehörde genehmigt. Maßgeblich ist der Sitz des Antragstellers, in der Regel der des Absenders oder Beförderers. Rechtsgrundlage für die Genehmigungen ist § 16 Strahlenschutz verordnung. In Rheinland-Pfalz sind die Struktur- und Genehmigungsdirektionen für die Erteilung von Genehmigungen zur Beförderung sonstiger radioaktiver Stoffe zuständig. Die Überwachung von Transporten auf der Straße liegt in der Zuständigkeit der Verkehrsbehörden der Länder. Die atomrechtlichen Aufsichtsbehörden der Länder üben die Aufsicht über diese Transporte nur auf dem jeweiligen Firmengelände des Absenders und des Empfängers aus. Für die Überwachung von Transporten auf der Schiene sind das Eisenbahnbundesamt und die Bundespolizei zuständig. Zu Frage 3: In Rheinland-Pfalz werden seit Januar 2012 die Transportmeldungen für alle dem Lagezentrum des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur (ISIM) gemeldeten Transporte von Uranhexafluorid über die ADD Trier an die Integrierten Leitstellen und Feuerwehrleitstellen (Erstalarmierungsstellen) weitergeleitet. Zu Frage 4: Aufgrund der Transportmeldungen bekannte Herkunftsländer für Uranerzkonzentrate sind Australien, Brasilien, Kasachstan, Namibia und Usbekistan. Die Weiterverarbeitung der Uranerzkonzentrate – Konversion, Anreicherung und Herstellung von Brennelementen – erfolgt in entsprechenden Anlagen des Brennstoffkreislaufs in europäischen Ländern. Die Auswahl der Transportrouten erfolgt durch die entsendenden Unternehmen. Zu Frage 5: Im luxemburgischen Atom- und Strahlenschutzrecht gibt es kein kodifiziertes Verbot für Transporte von Uranhexafluorid und von Kernbrennstoffen. Allerdings werden keine Genehmigungen für die Beförderung derartiger Stoffe erteilt. Dies wird von den Antragstellern akzeptiert. Für die Entscheidung über Anträge zur Genehmigung der Beförderung von Kernbrennstoffen sind in Rheinland-Pfalz, wie bei der Antwort zu Frage 2 dargestellt, die atomrechtlichen Landesbehörden nicht zuständig. Bei den Genehmigungen für die Beförderung von Kernbrennstoffen oder von sonstigen radioaktiven Stoffen handelt es sich um gebundene Entscheidungen. Diese Regelung unterscheidet sich insofern von den Zuständigkeiten in Luxemburg. Hier besteht für die Behörden in Rheinland-Pfalz kein Ermessensspielraum . Zu Frage 6: Aus Sicht der Landesregierung stellen Gefahrguttransporte jeglicher Art ein Gefährdungspotential dar. Gefahrenguttransporte müssen daher speziellen Regelungen und Gesetzen unterliegen und erfordern besondere Sicherheitsmaßnahmen. Maßgeblich für die Beförderung von Gefahrgütern sind derzeit das ADR (Europäisches Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße) und die RID (Ordnung für die internationale Eisenbahnbeförderung gefährlicher Güter). 2 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/3865 3 Außerdem enthalten das Atomgesetz und die Strahlenschutzverordnung Genehmigungsvorschriften für die Beförderung. Gleichwohl wird die Landesregierung beim zuständigen Bund darauf hinwirken, Atomtransporte und damit daraus resultierende Gefährdungen zu vermindern. Darüber hinaus hat die Landesregierung zur Verbesserung der Sicherheit für die Bevölkerung im Falle eines Unfalls die bereits zu Frage 3 dargestellte Information der Leitstellen veranlasst. Zudem wurde die Ausbildung der Feuerwehren durch Erweiterung der Ausbildung, einschlägige Schulungen und Übungen optimiert. Hieran hat auch das Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung als oberste Strahlenschutzbehörde mitgewirkt. Eveline Lemke Staatsministerin