Drucksache 16/3929 04. 09. 2014 K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Daniel Köbler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie Ausnahmen vom geplanten Mindestlohn Die Kleine Anfrage 2550 vom 19. August 2014 hat folgenden Wortlaut: Mehr als 2,5 Millionen Menschen in Deutschland erhalten weniger als fünf oder sechs Euro Lohn in der Stunde. Es ist daher ein großer Fortschritt, dass mit dem vom Parlament bereits verabschiedeten, aber zum Zeitpunkt der Fragestellung noch nicht in Kraft getretenen Tarifautonomiestärkungsgesetz (Bundestagsdrucksache 18/1558) nun endlich auch in Deutschland und in RheinlandPfalz ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro pro Stunde eingeführt werden soll. Die Entscheidung ist seit Langem überfällig. Bis zu fünf Millionen Beschäftigte können davon profitieren. Damit der Mindestlohn wirken kann, muss er umfassend gelten. Denn je mehr Ausnahmen vom Mindestlohn zugelassen werden, desto weniger kann er als Schutz vor Lohndumping wirken. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Wie beurteilt die Landesregierung die Gefahr, dass durch die geplante Herausnahme für Langzeitarbeitslose und junge Menschen unter 18 Jahren vom Geltungsbereich des Mindestlohns die Wirksamkeit des Mindestlohns auch in Rheinland-Pfalz systematisch unterlaufen wird und ein neuer Niedriglohnsektor entsteht? 2. Wie beurteilt die Landesregierung die Gefahr, dass durch die Möglichkeit für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, Kost und Unterkunft vom Lohn abzuziehen, die Wirksamkeit des Mindestlohns unterlaufen wird, und welche Möglichkeit sieht sie, gerade mit Blick auf die vielen Saisonarbeiterinnen und Saisonarbeiter in Rheinland-Pfalz, einem möglichen Missbrauch vorzubeugen? 3. Wie beurteilt die Landesregierung den Umstand, dass Zeitungszustellerinnen und Zeitungszustellern als einziger Berufsgruppe in Rheinland-Pfalz der allgemeine Mindestlohn bis 2018 vorenthalten werden kann? 4. Wie beurteilt die Landesregierung den Umstand, dass Tarifverträge, die vor Inkrafttreten des Tarifautonomiestärkungsgesetzes geschlossen wurden und werden und worin der Mindestlohn unterschritten wird, noch bis 2018 auch in Rheinland-Pfalz ihre Gültigkeit behalten? Das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 4. September 2014 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Die in § 22 Absatz 2 MiLoG geregelte Herausnahme erfasst nicht generell alle unter 18-Jährigen, sondern nur solche, die keine abgeschlossene Berufsausbildung aufweisen. Die Herausnahme entspricht damit dem verfolgten Zweck, jungen Menschen durch einen Mindestlohn keinen Ansporn zu bieten, eine Ausbildung nicht aufzunehmen bzw. aus einem laufenden Ausbildungsverhältnis auszuscheiden , um eine nach Mindestlohn vergütete Tätigkeit aufnehmen. Da die Vergütung im Rahmen von Ausbildungsverhältnissen , die im Gegensatz zu Arbeitsverhältnissen nicht der Erbringung von Arbeitsleistung, sondern der Vermittlung von Wissen und Fähigkeiten dienen, häufig niedriger als der ab dem 1. Januar 2015 geltende Mindestlohn ist, sollen durch die getroffene Regelung etwaige Anreizwirkungen, die schulische Laufbahn zu verlassen, präventiv unterbunden werden. Hinsichtlich der Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die unmittelbar vor Beginn der Beschäftigung langzeitarbeitslos im Sinne des § 18 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch waren, ist festzustellen, dass eine Ausnahme vom gesetzlichen Mindestlohn nur temporär für den Zeitraum der ersten sechs Monate der Beschäftigung durch § 22 Abs. 4 MiLoG vorgesehen Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 25. September 2014 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/3929 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode ist. Durch die Regelung soll den Beschäftigungs- und Reintegrationschancen von Langzeitarbeitslosen Rechnung getragen werden. Ob dieses Ziel erreicht wurde, mithin die Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt durch diese Regelung gefördert wurde, ist seitens der Bundesregierung gegenüber den gesetzgebenden Körperschaften im Rahmen der gesetzlich festgelegten Berichtspflicht zum 1. Juni 2016 darzulegen. Diese gegenüber dem ursprünglichen Gesetzesentwurf vorgezogene Berichts - legung wird seitens der Landesregierung ausdrücklich begrüßt. Entsprechend der zum Zeitpunkt der Berichtslegung vorliegenden Erfahrungen hat die Bundesregierung sodann eine Einschätzung darüber abzugeben, ob die Ausnahmeregelung für Langzeitarbeits - lose fortbestehen soll. Zu 2.: Zu Anrechnungsmöglichkeiten von Kost und Logis trifft das Mindestlohngesetz keine Aussage. Grenzen werden indes durch § 107 Abs. 2 GewO gesetzt. Nach § 107 GewO können Arbeitgeber und Arbeitnehmer Sachbezüge als Teil des Arbeitsentgelts vereinbaren , wenn dies dem Interesse des Arbeitnehmers oder der Eigenart des Arbeitsverhältnisses entspricht. Der Arbeitgeber darf dem Arbeitnehmer aber keine Waren auf Kredit überlassen. Er darf ihm nach Vereinbarung Waren in Anrechnung auf das Arbeitsentgelt überlassen, wenn die Anrechnung zu den durchschnittlichen Selbstkosten erfolgt. Die geleisteten Gegenstände müssen mittlerer Art und Güte sein, soweit nicht ausdrücklich eine andere Vereinbarung getroffen worden ist. Zudem darf der Wert der vereinbarten Sachbezüge oder die Anrechnung der überlassenen Waren auf das Arbeitsentgelt die Höhe des pfändbaren Teils des Arbeits - entgelts nicht übersteigen. Pfändbar ist Arbeitseinkommen nach der aktuell geltenden Pfändungstabelle erst ab einem monatlichen Nettogehalt von 1 050,00 Euro bzw. einem täglichen Nettoentgelt von 48,50 Euro. Bestehen Unterhaltspflichten, erhöht sich dieser Freibetrag entsprechend der in der Pfändungstabelle festgelegten Werte. Zu 3.: § 24 Absatz 2 MiLoG sieht für Zeitungszustellerinnen und Zeitungszusteller eine den Besonderheiten der Branche geschuldete Übergangsregelung vor, deren Gültigkeit mit Ablauf des 31. Dezember 2017 endet. Hierbei wurde der Terminus der Zeitungszustellerinnen und Zeitungszusteller eng definiert. Erfasst sind nur solche Personen, die in einem Arbeitsverhältnis ausschließlich periodische Zeitungen oder Zeitschriften an Endkunden zustellen; dies umfasst auch Zustellerinnen und Zusteller von Anzeigenblättern mit redaktionellem Inhalt. Für die Jahre 2015 und 2016 gilt nach der Übergangsregelung ein prozentual anteiliger Mindestlohn. Vom 1. Januar 2017 bis zum 31. Dezember 2017 hingegen beträgt der Mindestlohn für Zeitungszustellerinnen und Zeitungszusteller jedoch bereits 8,50 Euro brutto je Zeitstunde. Zu 4.: Für einige Branchen, in denen das Lohnniveau bundeseinheitlich oder in einzelnen Regionen sehr gering ist, stellt die Einführung des Mindestlohns eine Herausforderung dar. Mit der in § 24 a AEntG getroffenen Übergangsbestimmung wurde eine sinnvolle Rege - lung getroffen, um diesen Herausforderungen Rechnung zu tragen und über eine gleitende Übergangsphase zu einer flächendeckendenden Anwendung für alle Branchen zu gelangen. Die gegenüber dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung erfolgte Verlängerung der Übergangsregelung ist dem Umstand geschuldet, dass eine Anpassung des Mindestentgelts nunmehr bereits mit Wirkung zum 1. Januar 2017 statt, wie im ursprünglichen Gesetzesentwurf vorgesehen, zum 1. Januar 2018 zu beschließen ist. Alexander Schweitzer Staatsminister