Drucksache 16/3979 18. 09. 2014 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Katharina Raue und Elisabeth Bröskamp (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Ministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz Befragung von Kindern und Jugendlichen vor Gericht Die Kleine Anfrage 2577 vom 27. August 2014 hat folgenden Wortlaut: Die UN-Kinderrechtskonvention sichert Kindern und Jugendlichen rechtliches Gehör vor Gerichten zu. Um sie altersgerecht und angemessen zu befragen, braucht es spezielle Kenntnisse, die z. B. in einer kindgerechten Sprache und einer der besonderen Belas - tungssituation für die Kinder angemessene Befragungsweise liegen. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Wie viele Anhörungen, Befragungen und Vernehmungen von Minderjährigen werden in Rheinland-Pfalz durchschnittlich bei Gerichtsprozessen im Jahr durchgeführt? 2. Haben die Richterinnen und Richter Zusatzqualifikationen, um Minderjährige befragen zu dürfen, bzw. müssen sie diese nach- weisen? 3. Welche Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen im Bereich der Vernehmung von Minderjährigen gibt es? 4. Wie viele Fälle gibt es, bei denen Minderjährige von Personen befragt werden, die nicht bei Gerichten angestellt sind? 5. Welche Rolle kommt in Verfahren mit Beteiligung von Minderjährigen den Anwältinnen und Anwälten im Sinne des Verfahrens - beistands nach den §§ 158, 174, 191 FamFG zu? 6. Wie häufig und in welchen Fällen wird Minderjährigen ein Verfahrensbeistand gewährt? 7. An welchen Gerichten gibt es kindgerechte Warteräume für Minderjährige und wie sind die Warteräume ausgestattet? Das Ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 18. September 2014 wie folgt beantwortet: Zu Frage 1: Hierzu ist eine statistisch unterlegbare Aussage nicht möglich, da nicht in allen amtlichen Statistiken festgehalten wird, ob eine Anhörung, Befragung oder Vernehmung von Minderjährigen stattgefunden hat. Zu Frage 2: Nach den Vorgaben des DRiG, des JAG und der JAPO sind keine Spezialkenntnisse zur Vernehmung Minderjähriger im Rahmen der volljuristischen Ausbildung vorgesehen. Ein sonstiges gesetzliches Erfordernis entsprechender Zusatzqualifikationen besteht insbesondere nicht für Straf-, Zivil- und FamFGverfahren . Allerdings ist die Vernehmung Minderjähriger Gegenstand von Fort- und Weiterbildungen (siehe dazu Frage 3.) und von Handreichungen. So wird z. B. in den im Jahr 2013 überarbeiteten „Orientierungshilfen für die Bearbeitung von Verfahren wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung unter Berücksichtigung besonderer Belange kindlicher Opfer“, die sich sowohl an die staatsanwaltschaftliche als auch die gerichtliche Praxis des Landes richten, umfassend auf rechtliche und tatsächliche Rahmenbedingungen der Vernehmung minderjähriger Zeuginnen und Zeugen eingegangen. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass gemäß § 23 b Abs. 3 S. 2 GVG Richterinnen und Richter auf Probe erst nach Ablauf eines Jahres nach ihrer Ernennung die Geschäfte des Familienrichters wahrnehmen dürfen. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 10. Oktober 2014 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/3979 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Zu Frage 3: Sowohl im Fortbildungsprogramm der Deutschen Richterakademie als auch im landeseigenen Fortbildungsprogramm werden jedes Jahr ein- und mehrtägige Fortbildungsveranstaltungen angeboten, bei denen die Vernehmung von Kindern und Jugendlichen im Focus steht. Als Referentinnen und Referenten stehen Juristinnen und Juristen sowie Psychologinnen und Psychologen zur Verfügung . Im Rahmen der Veranstaltungen gibt es bedarfsorientiert auch praktische Übungen mit Videotechnik. Genannt seien beispielsweise die nachfolgenden Veranstaltungen: Deutsche Richterakademie – „Die Anhörung/Vernehmung von Kindern und Jugendlichen, auch unter Berücksichtigung der Videovernehmung“ vom 8. bis 12. Dezember 2014 in Wustrau; Landeseigenes Fortbildungsprogramm – „Familienpsychologische Begutachtung“ vom 25. bis 26. September 2013 in Bad Münster am Stein-Ebernburg – „Ohne Bindung geht es nicht – Kindeswohl im Zusammenspiel von Jugendamt, Familiengericht und anwaltlicher Beratung“ am 9. Oktober 2014 in Mainz. Zu Frage 4: Die hier vorliegenden Statistiken liefern keine gesicherten Erkenntnisse darüber, in wie vielen Fällen Minderjährige von Personen befragt werden, die nicht bei Gericht angestellt sind. Zu Frage 5: Das Gericht bestellt gemäß § 158 FamFG dem minderjährigen Kind einen geeigneten Verfahrensbeistand, soweit dies zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich ist. Solch eine Erforderlichkeit liegt aber nicht vor, wenn die Interessen des Kindes von einer Rechtsanwältin oder einem Rechtsanwalt oder einer bzw. einem anderen Verfahrensbevollmächtigten angemessen vertreten werden, etwa wenn das Gericht dem Kind eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt beigeordnet hat. Nach § 158 Absatz 5 FamFG geht die Beiordnung einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwalts der Bestellung eines Verfahrensbeistands vor. Insofern scheint der Gruppe der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zunächst keine besondere Rolle als Verfahrensbeistände zuzukommen. Gleichwohl ist die Bestellung einer Juristin oder eines Juristen zu einer Verfahrenspflegerin bzw. einem Verfahrenspfleger, die oder der auch als Rechtsanwältin bzw. Rechtsanwalt tätig ist, durchaus möglich und je nach Verfahrenslage auch angezeigt. Denn bei der Beiordnung eines Verfahrensbeistands hat das Gericht auf eine besondere Sachkunde zu achten, die sich sowohl auf den jugendpsychologischen Bereich als auch auf besondere Kenntnisse des materiellen und formellen Rechts beziehen kann. Entsprechend kann die Bestellung einer Sozialpädagogin oder eines Sozialpädagogen, einer Kinderpsychologin oder eines Kinderpsychologen sowie einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwalts, gegebenenfalls auch beides, zu dem jeweiligen Sachbereich in Betracht kommen. Konkrete Zahlen für Rheinland-Pfalz liegen hierzu allerdings nicht vor. Zu Frage 6: Nach den amtlichen Statistiken in Familiensachen wird bei Vorliegen folgender Verfahrensgegenstände registriert, ob ein Verfahrensbeistand für ein minderjähriges Kind bestellt worden ist: a) elterliche Sorge, b) Umgangsrecht, c) Kindesherausgabe, d) Unterbringung nach § 1631 b BGB, e) Unterbringung nach öffentlichem Recht § 151 Nr. 7 FamFG, f) sonstige Kindschaftssachen, g) Abstammungssachen, h) Adoptionssachen. Die nachfolgende Zusammenstellung bezieht sich auf erledigte Verfahren, da bezüglich der Neuzugänge keine Informationen über die bei Abschluss eines Verfahrens abgehandelten Verfahrensgegenstände vorliegen. 2 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/3979 Zur Frage, in welchen Fällen Minderjährigen ein Verfahrensbeistand gewährt wird, kann auf das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) verwiesen werden: Danach hat das Gericht gemäß § 158 FamFG dem minderjährigen Kind in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, einen geeigneten Verfahrensbeistand zu bestellen, soweit dies zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich ist. Die §§ 174, 191 FamFG postulieren eine entsprechende Verpflichtung für Abstammungssachen bzw. Adoptionssachen. Zu Frage 7: Die Notwendigkeit, in Gerichtsgebäuden kindgerechte Warteräume für Minderjährige vorzuhalten, wird bei den Gerichten allseits gesehen. Die Realisierung ist jedoch abhängig von der jeweiligen Raumsituation. In Gerichtsgebäuden, in denen freie Raumkapazitäten zur Verfügung stehen, sind bzw. werden entsprechende Wartezimmer eingerichtet. Auch bei der Planung von Neubauten werden kindgerechte Räume vorgesehen. Bei welchen Gerichten es kindgerechte Warteräume gibt, muss durch eine Praxisumfrage geklärt werden, die in der Kürze der Zeit noch nicht abgeschlossen werden konnte. Die Ergebnisse hierzu liegen noch nicht vor und werden nachgereicht. Ebenso kann keine umfassende und generelle Aussage zur Ausstattung gemacht werden, da die Beschaffung sowohl durch das MJV als auch durch die Gerichte selbst erfolgen kann. Nach den hier derzeit vorliegenden Erkenntnissen handelt es sich bei der Ausstattung um kindgerechtes Mobiliar (Kinderregal, Spieltisch, Kindersessel, Kindersofa oder Sitzsäcke, Spielteppich, Spielzeugschrank ) sowie um Spielsachen wie Bücher, Bauklötze, Stofftiere, Lego, etc. Jochen Hartloff Staatsminister 3 2011 2012 2013 1. Instanz Erledigungen insgesamt 35 947 34 648 33 620 Mit den erledigten Verfahren sind an Verfahrensgegenständen anhängig gewesen 50 995 48 660 47 286 Erledigungen in den Fällen a) bis h) 11 285 11 643 11 605 Verfahrensbeistand Bestellung mit erweitertem Aufgabenkreis nach § 158 Abs. 4 Satz 3 FamFG 1 201 1 536 1 896 sonstige Bestellung 1 240 1 404 1 123 keine Bestellung 8 712 8 458 8 385 2. Instanz Erledigungen insgesamt 1 647 1 559 1 434 Mit den erledigten Verfahren sind an Verfahrensgegenständen anhängig gewesen 1 695 1 630 1 529 Erledigungen in den Fällen a) bis h) 463 451 380 Verfahrensbeistand Bestellung mit erweitertem Aufgabenkreis nach § 158 Abs. 4 Satz 3 FamFG 53 144 183 sonstige Bestellung 64 60 53 keine Bestellung 346 245 140