Drucksache 16/398 zu Drucksache 16/245 04. 10. 2011 A n t w o r t des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU – Drucksache 16/245 – Auswirkungen der demografischen Entwicklung auf die pflegerische Versorgung Die Große Anfrage vom 19. August 2011 hat folgenden Wortlaut: Die demografische Entwicklung hat weitreichende Folgen für das Leben der Menschen in unserem Land. Nach vorliegenden Modellrechnungen wird sich der Altersaufbau der Bevölkerung grundlegend verändern. Das hat Folgen für das Zusammenleben der Menschen und die gesellschaftlichen Strukturen in allen Bereichen. Nur durch rechtzeitige politische Weichenstellungen ist es möglich, den damit verbundenen Herausforderungen gerecht zu werden. In RheinlandPfalz besteht großer Handlungsbedarf, um Lebensqualität und Lebenschancen der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes in der Zukunft zu sichern. Die Bedeutung des Themas verlangt nach einer systematischen Vorbereitung und Konzepten, die von der Landesregierung bisher nicht geleistet wurden. Die Entwicklung wird insbesondere im Bereich der Pflege zu spüren sein. Wir fragen die Landesregierung: 1. Welche Auswirkungen der demografischen Entwicklung sind für die pflegerische Versorgung in Rheinland-Pfalz a) für das Land als Ganzes mit den betroffenen Menschen, b) für bestimmte Regionen des Landes mit den betroffenen Menschen im besonderem Maße, c) für verschiedene gesellschaftliche Personengruppen (wie z. B. Männer und Frauen, Men- schen mit und ohne Migrationshintergrund), d) in welchen spezifischen Bereichen und e) in welchen konkreten Formen in den Zeiträumen bis 2015, bis 2025 und bis 2050 zu erwarten? 2. Welche Auswirkungen sind insoweit (Differenzierung wie zuvor) insbesondere hinsichtlich der Entwicklung der Zahl der Pflegebedürftigen zu erwarten? Welche Hinweise gibt es bereits jetzt für diese Entwicklungen? 3. Welche Auswirkungen sind insoweit insbesondere hinsichtlich der Grade und Arten von Pflegebedürftigkeit zu erwarten? Welche Hinweise gibt es bereits jetzt für diese Entwicklungen ? 4. Welche Auswirkungen sind insoweit insbesondere hinsichtlich des Bedarfs gegenüber dem Angebot von Fachkräften zu erwarten? Welche Hinweise gibt es bereits jetzt für diese Entwicklungen (z. B. bei Ausbildung, Beschäftigung und offenen Stellen)? 5. Welche Auswirkungen sind insoweit insbesondere hinsichtlich der Bedeutung der häuslichen Pflege und speziell der Pflege durch Angehörige gegenüber der außerhäuslichen Pflege zu erwarten? Welche Hinweise gibt es bereits jetzt für diese Entwicklungen? 6. Welche Auswirkungen sind insoweit insbesondere hinsichtlich der notwendigen Zahl, Größe, Struktur und Konzepte von pflegerischen Einrichtungen und Diensten zu erwarten ? Welche Hinweise gibt es bereits jetzt für diese Entwicklungen? 7. Welche landespolitischen Aufgaben sind damit zur Einstellung auf diese Entwicklungen verbunden? Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 26. Oktober 2011 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/398 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode 8. Welche Handlungserfordernisse ergeben sich hieraus a) für das Land als Ganzes mit den betroffenen Menschen, b) für bestimmte Regionen des Landes mit den betroffenen Menschen im besonderem Maße, c) für verschiedene gesellschaftliche Personengruppen (wie z. B. Männer und Frauen, Men- schen mit und ohne Migrationshintergrund), d) in welchen spezifischen Bereichen und e) in welchen konkreten Formen in den Zeiträumen bis 2015, bis 2025 und bis 2050? 9. Welches politische Handlungskonzept verfolgt die Landesregierung insoweit zur Bewältigung der demografischen Herausforderung und zur Zukunftssicherung der pflegerischen Versorgung? 10. Wie soll insoweit insbesondere der Entwicklung der Zahl der Pflegebedürftigen entsprochen werden? 11. Wie soll insoweit insbesondere der Entwicklung der Grade und Arten der Pflegebedürftigkeit entsprochen werden? 12. Wie soll insoweit insbesondere der quantitative und strukturelle Bedarf an Fachkräften gedeckt werden? 13. Wie soll insoweit insbesondere die häusliche Pflege und speziell die Pflege durch Angehörige gestärkt werden? 14. Wie sollen insoweit insbesondere eine ausreichende Zahl, die richtige Struktur, die richtige Größe und die richtigen Konzeptionen von pflegerischen Einrichtungen und Diensten gewährleistet werden? 15. Welche konkreten Maßnahmen werden bereits ergriffen? 16. Welche konkreten Maßnahmen sind für welche Zeitpunkte oder Zeiträume geplant? 17. Wie ist der Stand der Vorbereitung oder Umsetzung? 18. Was leisten die getroffenen Maßnahmen und vorliegenden Planungen? 19. Welche offenen Probleme bestehen noch? 20. Welche Maßnahmen müssen hierfür noch vorbereitet bzw. ergriffen werden? 21. Mit welchen Kosten ist für das Land und die Kommunen zu rechnen? 2 Das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie hat die Große Anfrage namens der Landesregierung – Zuleitungsschreiben der Ständigen Vertreterin des Chefs der Staatskanzlei vom 4. Oktober 2011 – wie folgt beantwortet: Die Menschen in Rheinland-Pfalz werden älter als ihre Vorfahren. Dabei sind viele ältere Menschen gesund und aktiv und bereit, ihr Wissen und ihre Erfahrungen in die Gesellschaft einzubringen. Verbunden mit niedrigen Geburtenraten ist diese demografische Entwicklung aber auch eine Herausforderung für Gesellschaft und Politik. In seiner statistischen Analyse „Rheinland-Pfalz 2050“ aus dem Jahr 2007 geht das Statistische Landesamt Rheinland-Pfalz in einer mittleren Variante davon aus, dass die Gesamtbevölkerung des Landes von 2006 bis 2020 um 3,2 Prozent und bis 2050 um 15 Prozent sinkt. Die Zahl der Menschen im Land wird von rund 4,05 Millionen Menschen bis zum Jahr 2020 auf rund 3,92 Millionen und bis 2050 auf rund 3,45 Millionen sinken. So viele Menschen lebten auch 1961 in Rheinland-Pfalz – nicht die sinkende Einwohnerzahl allein, sondern die Veränderung der Altersstruktur der Bevölkerung macht die Herausforderung des demografischen Wandels aus. So wird der Anteil der über 65-Jährigen an der Bevölkerung bis 2020 von heute 20,1 Prozent auf voraussichtlich 23,1 Prozent steigen und bis 2050 auf 32,6 Prozent. Besonders stark wird der Anteil der über 80-Jährigen zunehmen – von heute 4,9 Prozent auf 7,3 Prozent im Jahr 2020 und 14,1 Prozent im Jahr 2050. Entsprechend sinkt der Anteil von Kindern, Jugendlichen und Menschen im erwerbsfähigen Alter. Dabei werden regional sehr unterschiedliche Entwicklungen erwartet. Die rheinland-pfälzische Landesregierung ist sich der Herausforderungen, die im demografischen Wandel für ein Flächenland wie Rheinland-Pfalz mit vielen ländlich strukturierten Regionen liegen, seit langem bewusst. Alle Ministerien beschäftigen sich seit Jahren intensiv mit der Gestaltung des demografischen Wandels. In der Familien- und Jugendpolitik, in der Bildungs- und Wissenschaftspolitik , in der Arbeitsmarkt-, Gesundheits- und Sozialpolitik, in der Wirtschafts- und Finanzpolitik, in der Verkehrs-, Umwelt - und Raumordnungspolitik, in der Politik für Migration und Integration und anderen politischen Fachbereichen werden seit vielen Jahren entsprechende Weichen gestellt. Damit das Leben auch auf dem Land in Zukunft lebenswert bleibt, unterstützt die Landesregierung die ländlichen Räume gezielt. Unter anderem mit dem im Februar 2011 vorgelegten Papier „Zehn Punkte zur Sicherung der Mobilität im ländlichen Raum“ hat die Landesregierung dargestellt, was ihr dabei besonders wichtig ist und welche Maßnahmen bereits ergriffen wurden. Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/398 Eine wichtige politische Aufgabe in einer älter werdenden Gesellschaft besteht zweifellos darin, den Menschen in Rheinland-Pfalz auch im Alter ein gutes Leben zu ermöglichen. Die Landesregierung will, dass die Menschen auch im Alter selbstbestimmt leben können, möglichst lange mobil und fit sind und sich sicher fühlen können. Sie will die Solidarität der Generationen und die Beteiligung und das Engagement der älteren Menschen stärken. Der Ende 2010 vorgelegte Aktionsplan der Landesregierung „Gut leben im Alter“ fasst die vielen innovativen Ansätze und Maßnahmen zusammen, die dazu bereits ergriffen wurden oder geplant sind. Mit Beginn der neuen Legislaturperiode hat die Landesregierung die wichtige Querschnittsaufgabe der Gestaltung des demografischen Wandels an einer Stelle, im Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie, gebündelt. Gleichzeitig werden die einzelnen Ministerien ihre fachspezifischen Aufgaben weiterhin vor dem Hintergrund einer sich wandelnden Gesellschaft erfüllen und entsprechende Maßnahmen ergreifen. Über eine interministerielle Arbeitsgruppe soll die weitere politische Gestaltung des demografischen Wandels in Rheinland-Pfalz koordiniert werden. Ein wichtiger Schwerpunkt der rheinland-pfälzischen Sozialpolitik ist es seit langem, eine menschenwürdige, qualitativ hochwertige und wirtschaftliche pflegerische Versorgung der Menschen in unserem Land vorzuhalten und weiterzuentwickeln. Bereits seit 2002 werden in der Initiative „Menschen pflegen“ die Erfahrungen, Ressourcen und Kompetenzen aller Beteiligten in der Pflege zusammengeführt, um flächendeckend eine bedarfsgerechte Infrastruktur aufzubauen, von der Pflegebedürftige und Pflegende profitieren . Dabei setzt die Landesregierung gezielt auch auf die Sicherung des Fachkräftebedarfs in der Pflege. Gemeinsam mit vielen Partnerinnen und Partnern gestaltet die Landesregierung auch im Bereich der Pflege den demografischen Wandel. 1. Welche Auswirkungen der demografischen Entwicklung sind für die pflegerische Versorgung in Rheinland-Pfalz a) für das Land als Ganzes mit den betroffenen Menschen, b) für bestimmte Regionen des Landes mit den betroffenen Menschen im besonderem Maße, c) für verschiedene gesellschaftliche Personengruppen (wie z. B. Männer und Frauen, Menschen mit und ohne Migrationshintergrund), d) in welchen spezifischen Bereichen und e) in welchen konkreten Formen in den Zeiträumen bis 2015, bis 2025 und bis 2050 zu erwarten? 2. Welche Auswirkungen sind insoweit (Differenzierung wie zuvor) insbesondere hinsichtlich der Entwicklung der Zahl der Pflegebedürftigen zu erwarten? Welche Hinweise gibt es bereits jetzt für diese Entwicklungen? 3. Welche Auswirkungen sind insoweit insbesondere hinsichtlich der Grade und Arten von Pflegebedürftigkeit zu erwarten? Welche Hinweise gibt es bereits jetzt für diese Entwicklungen? Rheinland-Pfalz verfügt über eine bedarfsgerechte pflegerische Versorgungsstruktur. Rheinland-Pfalz hat im Jahr 1995 als erstes Land das Pflegeversicherungsgesetz durch Landesrecht umgesetzt und die Grundlage für den Auf- und Ausbau und die Sicherstellung einer pflegerischen Infrastruktur geschaffen. Dabei ist die Landesregierung bewusst über ein reines Ausführungsgesetz hinausgegangen . Sie hat bestehende Strukturen sinnvoll zusammengeführt, die Grundlagen für vernetzte Strukturen geschaffen und den Ausbau der Strukturen gefördert. Der Landesregierung und den Landkreisen und kreisfreien Städten war die Entwicklung dieser Strukturen im Zeitraum von 1995 bis 2005 viel wert: Etwa 60 Mio. Euro wurden für die Investitionen der Sozialstationen verausgabt und rund 128 Mio. Euro für die teilstationäre und stationäre Pflege. Insgesamt flossen in diesen zehn Jahren somit rund 188 Mio. Euro in die rheinland-pfälzischen Pflegeangebote. Die Zahl ambulanter und stationärer Pflegeeinrichtungen hat sich laut Pflegestatistik in den Jahren von 2005 bis 2009 wie folgt entwickelt : Ambulant: Stationär: 2005: 372 2005: 421 2007: 390 2007: 435 2009: 416 2009: 454 Das Statistische Landesamt Rheinland-Pfalz hat mit der statistischen Analyse „Rheinland-Pfalz 2050, Auswirkungen des demografischen Wandels auf den Pflegebedarf“ auf der Basis der Pflegestatistik 2007 sowie der mittleren Variante der zweiten regionalisierten Bevölkerungsvorausberechnung eine Pflegevorausberechnung bis zum Jahr 2050 erstellt. Diese Pflegevorausberechnung umfasst Pflegebedürftige ab 60 Jahren und älter. Für die Jahre 2015, 2025 und 2050 hat das Statistische Landesamt Übersichten bereitgestellt (Anlage 1, Seiten 1 bis 12). Die Pflegevorausberechnung befasst sich mit den Auswirkungen der demografischen Alterung auf den Pflegebedarf für die Bevölkerung im Alter ab 60 Jahren und beschreibt somit die Nachfrageseite. Bei den Ergebnissen der Vorausberechnung ist zu berücksichtigen, dass das Statistische Landesamt von konstanten Pflegequoten ausgeht und sich die künftige Entwicklung der Pflegebedarfsberechnung allein aus der demografischen Entwicklung ergibt. Der Pflegebedarf wird sich bei dieser Vorausberechnung insbesondere dadurch erhöhen, dass die geburtenstarken Jahrgänge etwa ab 2040 in die Altersgruppen mit höheren Pflegerisiken „hineinwachsen“ werden. 3 Drucksache 16/398 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Dabei können sich veränderte Rahmenbedingungen aber durchaus positiv auf die Höhe der Pflegequote auswirken. Die von der Landesregierung angestrebte weitere Stärkung von Gesundheitsförderung, Gesundheitsprävention und Rehabilitation zielt darauf ab, den Anteil der pflegebedürftigen Menschen in einer Altersgruppe zu reduzieren. Vor diesem Hintergrund ist die der Vorausberechnung zugrunde liegende Annahme einer konstanten Pflegequote kritisch zu betrachten. Auch zielen die pflegepolitischen Maßnahmen der Landesregierung darauf ab, die ambulante pflegerische Versorgung gegenüber der stationären pflegerischen Versorgung zu stärken. Veränderungen, die sich aus dieser Politik ergeben, können in den Vorausberechnungen des Statistischen Landesamtes nicht berücksichtigt werden. a) Nach der Vorausberechnung des Statistischen Landesamtes wird die Zahl der Pflegebedürftigen im Alter ab 60 Jahren – jeweils verglichen mit 2007 – um 18 Prozent bis 2015, um 38 Prozent bis 2025 und um 112 Prozent bis 2050 steigen. Weil das Pflegerisiko mit dem Alter steigt, ist die Zunahme des Pflegebedarfs bei den Hochbetagten über 80 Jahren am größten (bis 2050: + 168 Prozent). Nähere Angaben enthalten die Seiten 1 bis 4 der Anlage 1. b) Mittelfristig (bis 2025) dürfte – den Vorausberechnungen gemäß – der prozentuale Zuwachs der Zahl der Pflegebedürftigen am geringsten in Pirmasens (+ 21 Prozent) und am höchsten in Germersheim (+ 60 Prozent) ausfallen. Auch langfristig (bis 2050) ist Pirmasens der Verwaltungsbezirk mit der geringsten Steigerungsrate (+ 43 Prozent); die höchste Wachstumsrate wird für den Landkreis Mainz-Bingen berechnet (+ 178 Prozent). Nähere Angaben enthalten die Seiten 5 bis 12 der Anlage 1. c) Der prozentuale Anstieg der Zahl der Pflegebedürftigen wird bei den Männern (bis 2050: + 127 Prozent) höher ausfallen als bei den Frauen (bis 2050: + 107 Prozent). Nähere Angaben enthalten die Seiten1 bis 4 der Anlage 1. Das Statistische Landesamt kann keine nach dem Merkmal „Migrationshintergrund“ differenzierte Vorausberechnung des Pflegebedarfs anbieten. Grundlage der Pflegevorausberechnung ist die regionalisierte Bevölkerungsvorausberechnung des Landesamtes. Für diese Vorausberechnung werden als Parameter regionalisierte und stark differenzierte Geburtenraten, Sterbeziffern, Zu- und Fortzugsziffern benötigt. Entsprechend geeignete Daten zu Menschen mit Migrationshintergrund liegen nicht vor. Darüber hinaus werden für die Pflegevorausberechnung nach Alter, Geschlecht, Pflegearten und Pflegestufen differenzierte Pflegequoten benötigt, die aus der Pflegestatistik gewonnen werden. Die Pflegestatistik nach § 109 des Elften Buches Sozialgesetzbuch enthält keine Unterscheidung zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund. d) Differenziert nach Pflegearten hat das Statistische Landesamt auf der Basis der getroffenen Annahmen vorausberechnet, dass bis zum Jahr 2050 die Zahl der stationär versorgten Pflegebedürftigen prozentual stärker wächst als die Zahl der ambulant versorgten Pflegebedürftigen. Bei der Pflege im häuslichen Umfeld wurde vorausberechnet, dass die Inanspruchnahme professioneller ambulanter Pflege stärker wächst als die Zahl derer, die ausschließlich Pflegegeld beziehen. Nähere Angaben enthalten die Seiten 1 bis 4 der Anlage 1. Relativ betrachtet wird es laut Pflegevorausberechnung mehr Menschen mit den Pflegestufen II und III geben. Der Anteil der Personen, die der niedrigen Stufe I zugeordnet sind, wird voraussichtlich sinken. Diese Entwicklung resultiert laut Pflegevorausberechnung aus der Verschiebung der Altersstruktur bei der älteren Bevölkerung (60 Jahre und älter) und spricht dafür, dass zukünftig in höherem Maße professionelle Pflegehilfe in Anspruch genommen wird. Weitere Gründe für die stärkere Zunahme der professionellen Pflege sieht das Statistische Landesamt in den Veränderungen der Familien- und Haushaltsstrukturen mit weiter steigenden Mobilitätsanforderungen. Das führt dazu, dass seltener Familienangehörige für die häusliche Pflege zur Verfügung stehen. Möglich sind Verschiebungen innerhalb der professionellen Pflege zwischen ambulanter und stationärer Pflege. Da die Pflege im gewohnten häuslichen Umfeld auch in Zukunft ganz überwiegend dem Wunsch der pflegebedürftigen Menschen entsprechen wird, ist von einem zunehmenden Ausbau der professionellen ambulanten pflegerischen Infrastruktur auszugehen. Auch hier ist zu betonen, dass die Vorausberechnung des Statistischen Landesamtes die pflegepolitischen Weichenstellungen der Landesregierungen aus methodischen Gründen nicht berücksichtigen kann. Mit unterschiedlichen Maßnahmen zielt die Landesregierung darauf ab, die häusliche Pflege zu stärken, indem zum Beispiel pflegende Angehörige entlastet und durch einen Mix von Hilfen unterstützt werden. Auch mit der angestrebten stärkeren Verbreitung neuer Wohnformen kann erreicht werden, dass Menschen mit einem Pflegebedarf länger als bisher zu Hause wohnen bleiben. Damit wird sich dann auch das Verhältnis von notwendiger ambulanter und stationärer Pflege zu Gunsten der ambulanten Angebote verändern. e) Untergliedert nach Pflegestufen ist laut Pflegevorausberechnung auf lange Sicht der prozentual stärkste Zuwachs bei den Pflegebedürftigen zu erwarten, die der Pflegestufe III (einschließlich Härtefälle) zugeordnet sind. Nähere Angaben enthält die Anlage 1, Seiten 1 bis 4. 4 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/398 4. Welche Auswirkungen sind insoweit insbesondere hinsichtlich des Bedarfs gegenüber dem Angebot von Fachkräften zu erwarten? Welche Hinweise gibt es bereits jetzt für diese Entwicklungen (z. B. bei Ausbildung, Beschäftigung und offenen Stellen)? Um den Menschen in Rheinland-Pfalz auch in Zukunft eine menschenwürdige, qualitativ hochwertige und bezahlbare Pflege zu ermöglichen, brauchen wir eine ausreichende Zahl qualifizierter Pflegekräfte. Eine zukunftsorientierte Pflege- und Arbeitsmarktpolitik muss deshalb den absehbaren Fachkräftebedarf in der Pflege ermitteln und arbeitsmarktpolitisch proaktiv handeln. Rheinland-Pfalz war 2002 das erste Land, das ein flächendeckendes und gleichzeitig regional differenzierbares Branchenmonitoring für den Bereich der Pflegeberufe eingeführt hat und es zur strategischen Weiterentwicklung des Arbeitsmarktes im Gesundheitswesen und in der Pflege nutzt. Untersuchungen wurden für die Jahre 2002 und 2005 vorgelegt. Gezielt und systematisch wird auf dieser Basis schon seit mehreren Jahren einem drohenden Fachkräftemangel entgegengewirkt. Mit dem Landesleitprojekt „Branchenmonitoring/Gutachten Fachkräftebedarf und Ausbildungsstättenplan Gesundheitsfachberufe Rheinland-Pfalz“ im Rahmen der Initiative Gesundheitswirtschaft wurde diese Strategie konsequent fortgesetzt und die Arbeitsmarktlage für das Jahr 2010 erhoben. Das Branchenmonitoring wurde dabei auf alle Gesundheitsfachberufe und die Berufsgruppe der medizinischen Fachangestellten ausgedehnt. Mit den vorliegenden Ergebnissen ist es möglich, umfassende Erkenntnisse zu erhalten , in welchen Bereichen, Regionen und in Bezug auf welche spezifische Qualifikationen Handlungsbedarf besteht, und vorausschauend zu handeln. Die Überlegungen des Landesleitprojekts gehen durch die Ausweitung auf alle Gesundheitsfachberufe und die Medizinischen Fachangestellten weiter als die der derzeitigen Arbeitsgruppe „Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive Altenpflege “ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Die aktuelle Nachfrage der Einrichtungen nach Fachkräften in den Gesundheitsfachberufen wurde im Rahmen des „Branchenmonitoring Gesundheitsfachberufe“ über eine elektronische Vollerhebung aller Pflegeheime, ambulanter Dienste, Krankenhäuser, Rehabilitationseinrichtungen, Rettungsdienste, Apotheken, selbstständigen Heilberuflern, einem Teil der Arztpraxen und weiterer Sektoren, in denen Angehörige der Gesundheitsfachberufe tätig sind, ermittelt. Die Befragung dieser Einrichtungen fand im Frühjahr 2011 statt; die Ergebnisse wurden Ende September 2011 vorgestellt. Für eine vorausschauende Planung und Steuerung des Fachkräftepools ist – neben einer Analyse der aktuellen Arbeitsmarktsituation – insbesondere auch eine Vorausschätzung zukünftiger Bedarfs- und Angebotsentwicklungen notwendig. Aufbauend auf den Befragungsergebnissen des „Branchenmonitoring Gesundheitsfachberufe“ und der Bevölkerungsprognose des Statistischen Landesamts Rheinland-Pfalz wurde daher der zukünftige Bedarf der Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen nach Fachkräften in den Gesundheitsfachberufen sowie das voraussichtlich vorhandene Angebot in einer kurz-, mittel- und langfristigen Perspektive (2015, 2020, 2025) berechnet. Basierend auf der prognostizierten Fachkräftesituation werden verschiedene Szenarien zur Fachkräftedeckung in enger Absprache mit Expertinnen und Experten erarbeitet. Prognosen für das Jahr 2050 wurden nicht erstellt, weil bis dahin nicht von konstanten Rahmenbedingungen ausgegangen werden kann und eine Vorausberechnung somit sehr ungenau wäre. Die Ergebnisse der beiden Teilprojekte „Branchenmonitoring Gesundheitsfachberufe“ und „Gutachten Fachkräftebedarf in den Gesundheitsfachberufen“ münden in dem „Ausbildungsstättenplan 2012“, der festlegt, in welchem Gesundheitsfachberuf wo und wie viele Ausbildungsplätze in Rheinland-Pfalz gebraucht werden. Im Rahmen des „Branchenmonitoring Pflege“ wurde für das Jahr 2002 ein Fachkräftemangel und für das Jahr 2005 ein deutlicher Überhang an Fachkräften in der Pflege festgestellt. Für das Jahr 2010 wurde in Rheinland-Pfalz wieder ein Mangel an Pflegefachkräften von rund 2 250 Personen ermittelt. Dieser Mangel war regional unterschiedlich ausgeprägt. Ein starker Mangel an Pflegefachkräften herrschte insbesondere in der Grenzregion Trier. Hinsichtlich des Bedarfs gegenüber dem Angebot an Fachkräften im Bereich der Pflege für das Land Rheinland-Pfalz im Zeitraum 2015, 2020 und 2025 wird auf die Anlage 2, Tabelle 1 verwiesen. Es wird ersichtlich, dass sich die Schwierigkeiten der Einrichtungen in der Pflege bei der Personalsuche im Kontext der demografischen Entwicklung mittel- bis langfristig weiter verschärfen können . Deshalb ist es notwendig, weiterhin vorausschauend zu handeln und einem drohenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Die Zahlen zum Angebot und zur Nachfrage an Fachkräften im Bereich der Pflege bezogen auf bestimmte Regionen des Landes im Zeitraum 2015, 2020 und 2025 sind in der Anlage 2, Tabellen 2 bis 19, ersichtlich. Aus den Prognosen lässt sich ersehen, dass die Auswirkungen der demografischen Bevölkerungsentwicklung auf den Fachkräftebedarf regional unterschiedlich sind. In den Landkreisen Eifelkreis Bitburg-Prüm und Vulkaneifel ist kurzfristig mit einem Überhang an Pflegefachkräften zu rechnen. Ohne zielgerichtete Maßnahmen der Beschäftigungs- und Versorgungspolitik und der weiteren Akteure in der Gesundheitswirtschaft, wie zum Beispiel die Steigerung der Ausbildungskapazitäten, wären zukünftig besonders die Region Donnersbergkreis, Stadt und Landkreis Kaiserslautern, Landkreis Kusel und die Städte Frankenthal , Ludwigshafen und Speyer von einem Mangel an Pflegefachkräften betroffen. Zum Angebot an und zur Nachfrage nach Fachkräften im Bereich der Pflege bezogen auf Versorgungsbereiche wird auf Tabelle 20 der Anlage 2 verwiesen. Auch hier wird deutlich, dass sich die Personalsituation in den verschiedenen Versorgungsbereichen der Pflege aufgrund der demografischen Entwicklung 2015, 2020 und 2025 verschärfen würde, wenn nicht weiterhin vorausschauend gehandelt und alles daran gesetzt wird, den Pflegefachkräftebedarf zu decken. Die Fachkräftesicherung im Gesundheitswesen und in der Pflege bildet daher weiterhin einen zentralen Handlungsschwerpunkt der rheinland-pfälzischen Landesregierung. 5 Drucksache 16/398 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode 5. Welche Auswirkungen sind insoweit insbesondere hinsichtlich der Bedeutung der häuslichen Pflege und speziell der Pflege durch Angehörige gegenüber der außerhäuslichen Pflege zu erwarten? Welche Hinweise gibt es bereits jetzt für diese Entwicklungen? Es ist der Wunsch der meisten Menschen, so lange wie möglich selbstbestimmt in der eigenen Wohnung zu leben. Die Landesregierung hat es sich deshalb zum Ziel gesetzt, den Menschen in Rheinland-Pfalz auch bei einem hohen Pflege- und Unterstützungsbedarf ein Leben im vertrauten Umfeld zu ermöglichen. Heute werden etwa 70 Prozent aller Pflegebedürftigen zu Hause versorgt; rund die Hälfte von ihnen wird ausschließlich durch Angehörige gepflegt: Von den 105 800 pflegebedürftigen Menschen in Rheinland-Pfalz im Jahr 2009 (Pflegestatistik 2009) befanden sich 31 141 Menschen in vollstationärer, außerhäuslicher Pflege. Weitere 596 Menschen waren in teilstationärer Pflege (Tages- und Nachtpflege). 74 659 Menschen wurden zu Hause versorgt. 52 699 Menschen, und damit fast die Hälfte aller Gepflegten, haben ausschließlich Pflegegeld bezogen und die Pflege zu Hause selbst durch Angehörige, Freundinnen und Freunde, Nachbarinnen und Nachbarn sichergestellt. 21 960 Menschen wurden mit Unterstützung professioneller Hilfen durch ambulante Pflegedienste gepflegt. Dies zeigt die hohe Bedeutung der häuslichen Pflege in Rheinland-Pfalz, besonders der rein familiären Pflege. Im Ländervergleich der Pflege durch Angehörige liegt Rheinland-Pfalz auf Platz 2. Die Zahl der Empfängerinnen und Empfänger von ausschließlich Pflegegeld (60 Jahre und älter) wird nach der Pflegevorausberechnung des Statistischen Landesamtes Rheinland-Pfalz bis zum Jahr 2050 um rund 96,7 Prozent steigen (siehe Anlage 1, Seite 4). Das bedeutet einen Anstieg von 41 720 ( Jahr 2007) auf 82 056 ( Jahr 2050). Die Zahl der pflegebedürftigen Menschen, die Pflegesachleistungen beziehen (60 Jahre und älter), wird bis zum Jahr 2050 um rund 117,5 Prozent zunehmen (siehe Anlage 1, Seite 4). Das bedeutet einen Anstieg von 18 605 ( Jahr 2007) auf 40 462 ( Jahr 2050). Relativ betrachtet wird es laut Pflegevorausberechnung mehr Menschen mit den Pflegestufen II und III geben. Der Anteil derjenigen Personen, die der niedrigen Stufe I zugeordnet sind, wird voraussichtlich sinken. Diese Entwicklung resultiert aus der Verschiebung der Altersstruktur bei der älteren Bevölkerung (60 Jahre und älter) und der angenommenen konstanten Pflegequote. Sie spricht dafür, dass zukünftig in höherem Maße professionelle Pflegehilfe in Anspruch genommen wird. Weitere Gründe für die stärkere Zunahme der professionellen Pflege liegen nach Ansicht des Statistische Landesamtes auch in den zu beobachtenden Veränderungen der Familien- und Haushaltsstrukturen mit weiter steigenden Mobilitätsanforderungen. Die Voraussetzungen für eine alltägliche, familiäre Unterstützung der Eltern durch die Kinder werden sich voraussichtlich auch weiterhin ungünstig entwickeln. Mit dem demografischen Wandel ist auch ein Strukturwandel der Familien zu beobachten. Die Haushalte in Deutschland werden immer kleiner. Schon seit drei Jahrzehnten bilden die Einpersonenhaushalte die größte Gruppe mit einer Tendenz zu einer Ausweitung. In der Altersgruppe der 60-Jährigen und älter ist der Einpersonenhaushalt inzwischen fast die Norm. Hält dieser Trend an, werden 2030 sechzig Prozent der 60-Jährigen und älter in einem Einpersonenhaushalt leben (Statistisches Bundesamt 2010). Zusammen mit den Zweipersonenhaushalten im Alter, die überwiegend Paarhaushalte sind, werden vermutlich annähernd hundert Prozent der Älteren in diesen beiden Haushaltsformen leben. Neben diesem Trend zu Einzel- oder Paarhaushalten im Alter ist zu erwarten, dass auch die Ausbildungs- und Arbeitsmobilität in den nächsten Jahrzehnten weiterhin zunehmen wird. Somit sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass Eltern- und Kindergenerationen in direkter Nachbarschaft wohnen. Angesichts der gleichzeitig deutlich steigenden Zahl der Hochaltrigen und der damit verbundenen Risiken (Mobilitätseinschränkung , Pflegebedürftigkeit, Demenz) ist damit zu rechnen, dass ein Leben im eigenen Haushalt für eine zunehmende Zahl der Bürgerinnen und Bürger nur mit umfassenden Hilfen zu bewältigen sein wird. Laut Barmer GEK Pflegereport 2010 beziehungsweise Sozio-ökonomischem Panel (2001 bis 2008) standen den bundesweit rund 1,3 Mio. Pflegebedürftigen, die im Jahr 2008 zu Hause gepflegt wurden, circa 4,16 Mio. Pflegende gegenüber. Die Entwicklung sei damit gegenüber 2001 von einem Anstieg der Zahl der Pflegenden in Höhe von circa 35 Prozent gekennzeichnet . 2001 seien circa 3,09 Mio. Pflegende an der häuslichen Pflege beteiligt gewesen seien. Die Zahl der Pflegegeldempfänger in Rheinland-Pfalz (inklusive Kombinationsleistungen, das heißt, Geld- und Sachleistungen der Pflegeversicherung werden kombiniert ) ist laut Pflegestatistik seit 2001 von 59 609 auf 63 000 im Jahr 2009 gestiegen. Aus den Pflegestatistiken der vergangenen Jahre ist allenfalls seit 2007 eine wachsende Nachfrage nach professionellen Angeboten ablesbar. Der Anteil der Pflegebedürftigen, die zumindest teilweise von ambulanten Pflegediensten gepflegt wurden, war von 2001 (19,3 Prozent) bis 2007 (19,5 Prozent) relativ konstant. Erst im Jahr 2009 war ein Anstieg auf 20,8 Prozent zu verzeichnen. Ähnlich verlief die Entwicklung des Anteils der Pflegebedürftigen in vollstationärer Dauerpflege von 2001 (27,9 Prozent) bis 2007 (27,8 Prozent) und schließlich 2009 (28,7 Prozent). Der Anteil der Pflegebedürftigen, die ausschließlich Pflegegeld beziehen, betrug 51,9 Prozent im Jahr 2001, 51,6 Prozent im Jahr 2007 und 49,8 Prozent im Jahr 2009. Um pflegebedürftigen Menschen angesichts des demografischen Wandels und der sich verändernden familiären Situationen auch in Zukunft ein Leben im gewohnten Wohnumfeld zu ermöglichen, hat die Landesregierung – zuletzt zum Beispiel mit der Einrichtung einer Servicestelle zur Unterstützung der kommunalen Pflegestrukturplanung – bereits eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen . Sie zielen vor allem darauf ab, die häusliche und damit die ambulante Pflege zu stärken, pflegende Angehörige zu entlasten und entsprechende Strukturen auf- und auszubauen. 6 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/398 6. Welche Auswirkungen sind insoweit insbesondere hinsichtlich der notwendigen Zahl, Größe, Struktur und Konzepte von pflegerischen Einrichtungen und Diensten zu erwarten? Welche Hinweise gibt es bereits jetzt für diese Entwicklungen? In den letzten Jahren hat sich das Angebot an ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen auch in Rheinland-Pfalz deutlich erweitert. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Zahl der Einrichtungen als auch hinsichtlich der Personalkapazitäten. Nicht nur die Nachfrage nach professionellen Leistungen wird sich im Zuge des demografischen Wandels und der veränderten Familienstrukturen voraussichtlich erhöhen. Auch die Zahl von ambulanten sowie teil- und vollstationären Pflegeeinrichtungen wird sich durch den Markt vergrößern. Was das Angebot an Pflegeheimen betrifft, so ist zu vermuten, dass in den nächsten Jahren durch Neuinvestitionen ein Überangebot entsteht. Dabei beruht die Pflegeinfrastruktur im Wesentlichen auf den ambulanten sowie teil- und vollstationären Pflegeeinrichtungen. Die skizzierte Entwicklung der familiären Pflege und die neuen Herausforderungen multimorbider Pflegebedarfe, die sich nicht nur auf somatische Bedarfe beschränken, sondern zunehmend diversifizierte und koordinierte haushaltsnahe Hilfen sowie die Sicherung der Teilhabe erfordern, werden jedoch ein anderes Verständnis der Pflegeinfrastruktur erfordern. Die Landesregierung hat schon früh auf diese Veränderungen der Pflegebedarfe reagiert. Sie setzt konsequent auf den Ausbau und die Stärkung der ambulanten Strukturen. Das Pflegeheim wird dann notwendig, wenn aufgrund der Schwere der Pflege und nicht vorhandener Netzwerke ambulanter privater und professioneller Hilfen der pflegebedürftige Mensch nicht mehr in der eigenen Häuslichkeit leben kann oder will. Dieser Grundgedanke entspricht damit den Lebenswünschen der Bürgerinnen und Bürger in Rheinland-Pfalz, die sich zu weit über neunzig Prozent eine Pflege in der eigenen häuslichen Umgebung wünschen. Eine gute Pflegeinfrastruktur beinhaltet angesichts dieser Wünsche ein wohnortnahes Angebot an aufeinander abgestimmten Leistungen . Dabei geht es um die Schaffung von barrierefreiem Wohnraum, um zugehende hauswirtschaftliche Dienste, tagesstrukturierende Betreuung und Begleitung sowie um die Sicherung und die weitere Qualifikation der wohnortnahen Beratung für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen. Die Pflege der Zukunft ist ein Zusammenwirken verschiedener Leistungen, an denen Angehörige, Nachbarinnen und Nachbarn, Freiwillige und ehrenamtlich Tätige, ambulante Dienste, bezahlte Haushaltshilfen im Nebenerwerb sowie teilstationäre Pflege- und Betreuungsangebote in einem Pflege-Mix beteiligt sind. Auch die Wohnsituation wird sich mittelfristig ändern, damit Menschen möglichst bis zum Lebensende in der eigenen Wohnung leben können. Ziel der Landesregierung ist es deshalb, auch die Vielfalt des Wohnens – von generationenübergreifenden Wohnangeboten über die selbstorganisierten Wohngemeinschaften bis hin zu kleinen, gemeindeintegrierten Einrichtungen für pflegebedürftige Menschen – zu fördern. Es ist zu vermuten, dass der Anteil derer, die auch andere Leistungen zur Entlastung pflegender Angehöriger in Anspruch nehmen oder nehmen wollen, in den nächsten Jahren steigen wird. Gerade in ländlichen Regionen wird der Trend zu den beschriebenen gemischten Pflegearrangements aber auch erheblich vom verfügbaren Angebot abhängen. Eine diesbezügliche Entwicklung wird nicht alleine vom Markt und den ambulanten Pflegediensten zu erwarten sein. Der kommunalen Sozialpolitik kommt hier eine impuls- und strukturgebende Funktion zu, wenn es zum Beispiel um die Koordinierung von professionellen, niedrigschwelligen und quartiersnahen Leistungen und die Weiterentwicklung der freiwilligen, bürgerschaftlichen Hilfen in der Kommune geht. Vor diesem Hintergrund wird sich voraussichtlich auch das Angebot an Wohnformen für pflegebedürftige Menschen und Menschen , die an Demenz erkrankt sind, erweitern. Neben den klassischen Pflegeeinrichtungen entstehen zunehmend wohnortnahe und an familienähnlichen Strukturen orientierte Angebote. Diesem Anliegen trägt das Landesgesetz über Wohnformen und Teilhabe (LWTG) Rechnung, das zum 1. Januar 2010 als Nachfolgegesetz zum Heimgesetz in Kraft getreten ist. 7. Welche landespolitischen Aufgaben sind damit zur Einstellung auf diese Entwicklungen verbunden? 8. Welche Handlungserfordernisse ergeben sich hieraus a) für das Land als Ganzes mit den betroffenen Menschen, b) für bestimmte Regionen des Landes mit den betroffenen Menschen im besonderem Maße, c) für verschiedene gesellschaftliche Personengruppen (wie z. B. Männer und Frauen, Menschen mit und ohne Migrationshintergrund), d) in welchen spezifischen Bereichen und e) in welchen konkreten Formen in den Zeiträumen bis 2015, bis 2025 und bis 2050? Ein wesentliches Ziel rheinland-pfälzischer Pflegepolitik ist, auch im demografischen Wandel möglichst vielen Menschen ein selbstbestimmtes Leben im gewohnten Umfeld sowie die Teilhabe an der Gemeinschaft auch im Alter und bei Pflege- und Unterstützungsbedarf zu ermöglichen. Die Landesregierung setzt dabei vor allem auf eine konsequente Umsetzung des Grundsatzes „ambulant vor stationär“, auf den Aufund Ausbau neuer Wohnformen sowie von Hilfe-Mix-Strukturen, auf die Unterstützung pflegender Angehöriger und die Stärkung der Pflegefachkräfte. Wichtig ist ihr auch, durch eine verstärkte Gesundheitsförderung, durch Prävention und Rehabilitation eine Pflegebedürftigkeit so lange wie möglich zu vermeiden. Das gilt auch für Menschen, die an Demenz erkrankt sind. Eine weitere wichtige Aufgabe sieht die Landesregierung darin, die besonderen Bedürfnisse pflegebedürftiger Menschen mit Migrationshinter- 7 Drucksache 16/398 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode grund zu berücksichtigen. Denn viele Einwanderer der ersten Generationen werden in der näheren Zukunft hier in RheinlandPfalz alt und zum Teil auch pflegebedürftig. Bedauerlich ist in diesem Zusammenhang, dass es die Bundesregierung bisher versäumt hat, mit einer Reform der Pflegeversicherung rechtzeitig die notwendigen gesetzlichen Rahmenbedingungen für eine qualitative Weiterentwicklung dieser Strukturen zu schaffen. Die Landesregierung hat bereits im Sommer dieses Jahres gemeinsam mit anderen Ländern konkrete Eckpunkte für diese notwendige Pflegereform im Detail vorgelegt und eine Vielzahl aufeinander abgestimmter Maßnahmen ergriffen. Doch kann sie diese große Aufgabe nicht alleine bewältigen; die Bundesregierung muss die geeigneten gesetzlichen Voraussetzungen in Angriff nehmen. Die pflegerische Versorgung ist gemäß § 8 des Elften Buches Sozialgesetzbuch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Länder, Kommunen , die Pflegekassen und die Pflegeeinrichtungen wirken daher eng zusammen, um eine leistungsfähige, regional gegliederte, ortsnahe und aufeinander abgestimmte ambulante und stationäre pflegerische Versorgung zu gewährleisten. Sie tragen gemeinsam zum Ausbau und zur Weiterentwicklung der notwendigen pflegerischen Versorgungsstrukturen bei. Die Länder sind gemäß § 9 des Elften Buches Sozialgesetzbuch verantwortlich für die Vorhaltung einer leistungsfähigen, zahlenmäßig ausreichenden und wirtschaftlichen pflegerischen Versorgungsstruktur und regeln das Nähere durch Landesrecht. Am 1. Januar 2006 ist das Landesgesetz zur Sicherstellung und Weiterentwicklung der pflegerischen Angebotsstruktur (LPflegeASG) in Kraft getreten. Mit diesem Gesetz setzt das Land Rheinland-Pfalz die in § 9 des Elften Buches Sozialgesetzbuch niedergelegten Aufgaben des Landes für die Vorhaltung einer leistungsfähigen, zahlenmäßig ausreichenden und wirtschaftlichen pflegerischen Versorgungsstruktur um. Die Sicherstellung und Weiterentwicklung der pflegerischen Infrastruktur ist durch das Landesgesetz zur Sicherstellung und Weiterentwicklung der pflegerischen Angebotsstruktur den Landkreisen und kreisfreien Städten übertragen. Sie sind verpflichtet, eine den örtlichen Anforderungen entsprechende und die Ergebnisse der Pflegestrukturplanung sowie die Trägervielfalt berücksichtigende pflegerische Angebotsstruktur sicherzustellen und weiterzuentwickeln. Ausdrücklich hat sich die Pflegestrukturplanung auch auf die komplementären Hilfen im Vor- und Umfeld der Pflege, die Einbeziehung des bürgerschaftlichen Engagements und die Entwicklung neuer Formen pflegerischer Angebote zu erstrecken. Zum 1. September 2011 hat die Landesregierung eine Servicestelle zur Unterstützung der kommunalen Pflegestrukturplanung eingerichtet . Diese Stelle vermittelt Wissen, Kontakte und Fachkräfte, die die Kommunen dabei beraten und unterstützen, die erforderlichen Schritte für eine kommunale Pflegestrukturplanung zu erarbeiten beziehungsweise weiterzuentwickeln und umzusetzen. Damit können wohnortnahe und verbraucherorientierte Lösungen für Orts- und Verbandsgemeinden, Stadtteile oder andere kommunale Planungsregionen initiiert und begleitet werden, um den Wunsch der Bevölkerung nach einem möglichst langen unabhängigen und eigenständigen Leben innerhalb der bekannten Gemeindestrukturen auch unter Pflegebedürftigkeit zu entsprechen. Die Pflegekassen haben im Rahmen ihrer Leistungsverpflichtung eine bedarfsgerechte und gleichmäßige, dem allgemein anerkannten Stand medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse entsprechende pflegerische Versorgung der Versicherten zu gewährleisten (Sicherstellungsauftrag ). Sie schließen hierzu Versorgungsverträge mit den Trägern von Pflegeeinrichtungen und sonstigen Leistungserbringern , nach den jeweils zuständigen Rechtsvorschriften. Zur Sicherstellung der häuslichen Pflege und Betreuung sowie der hauswirtschaftlichen Versorgung kann die zuständige Pflegekasse auch Verträge mit einzelnen geeigneten Pflegekräften schließen, soweit die pflegerische Versorgung ohne den Einsatz von Einzelpersonen im Einzelfall nicht ermöglicht werden kann. Der Landespflegeausschuss ist eines der Instrumente, mit dem alle an der Versorgung Beteiligten die Weiterentwicklung der pflegerischen Versorgungsstrukturen gestalten. 9. Welches politische Handlungskonzept verfolgt die Landesregierung insoweit zur Bewältigung der demografischen Herausforderung und zur Zukunftssicherung der pflegerischen Versorgung? 10. Wie soll insoweit insbesondere der Entwicklung der Zahl der Pflegebedürftigen entsprochen werden? 11. Wie soll insoweit insbesondere der Entwicklung der Grade und Arten der Pflegebedürftigkeit entsprochen werden? 13. Wie soll insoweit insbesondere die häusliche Pflege und speziell die Pflege durch Angehörige gestärkt werden? 14. Wie sollen insoweit insbesondere eine ausreichende Zahl, die richtige Struktur, die richtige Größe und die richtigen Konzeptionen von pflegerischen Einrichtungen und Diensten gewährleistet werden? 15. Welche konkreten Maßnahmen werden bereits ergriffen? Die Gestaltung des demografischen Wandels ist schon seit Jahren ein politischer Schwerpunkt der Landesregierung und in allen Politikfeldern als Querschnittsaufgabe fest verankert. Alle Ministerien zielen mit ihrer Arbeit darauf ab, den Bedürfnissen einer älter und geringer werdenden Bevölkerung – auch in den ländlichen Regionen – gerecht zu werden. Die Menschen sollen auch im Alter in Rheinland-Pfalz gut leben können. 8 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/398 Der Aktionsplan „Gut leben im Alter“, der im August 2010 vom Kabinett verabschiedet wurde, bündelt die vielen innovativen Ansätze und Maßnahmen der Landesregierung für eine zukunftsorientierte Seniorenpolitik und ein solidarisches Miteinander der Generationen . In einem landesweiten Beteiligungsprozess soll dieser Aktionsplan der Landesregierung jetzt zu einem Landesaktionsplan weiterentwickelt werden. Ziel ist es, gute Projekte und Ansätze in den Kommunen sichtbar zu machen und gemeinsam mit möglichst vielen Beteiligten Handlungsempfehlungen für ein gutes Leben im Alter zu entwickeln. Seit Anfang September 2011 wird dieser Beteiligungsprozess von der Servicestelle „Gut Leben im Alter“ bei der Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland -Pfalz e. V. (LZG) vorbereitet und umgesetzt. Der Aktionsplan „Gut leben im Alter“ zeigt unter anderem, dass die Landesregierung Maßnahmen unterstützt und fördert, die dazu beitragen, dass Menschen gesund älter werden. Mit einer Stärkung von Gesundheitsförderung und Prävention soll Pflegebedürftigkeit im Alter möglichst vermieden werden. Auch das im Dezember 2009 vorgestellte Geriatriekonzept der Landesregierung zielt darauf ab, dauerhafte Pflegebedürftigkeit und den Verlust von Eigenständigkeit so weit es geht zu vermeiden. Zentrales Anliegen des Geriatriekonzeptes ist es deshalb, die Versorgungsstrukturen in der ambulanten, akutstationären und rehabilitativen Behandlung bedarfsgerecht, aber auch wirtschaftlich weiterzuentwickeln. Die rheinland-pfälzische Landesregierung setzt sich darüber hinaus auch auf Bundesebene für eine Stärkung der Prävention ein. Leider sind die Vorstöße für ein Bundespräventionsgesetz bisher an unterschiedlichen Widerständen gescheitert. Die Pflegepolitik ist seit langem ein Schwerpunkt der rheinland-pfälzischen Sozialpolitik. Ihr Ziel ist eine menschenwürdige, qualitativ hochwertige und wirtschaftliche Pflege – gerade in einer alternden Gesellschaft. Seit dem Start der Initiative „Menschen pflegen“ im Jahr 2002 hat die Landesregierung erreicht, dass sich in Rheinland-Pfalz ein großes Bündnis für die Zukunft der Pflege zusammengeschlossen hat, um gemeinsam zukunftsweisende Konzepte zu erarbeiten und umzusetzen. Schon zu Beginn der Initiative hat sich der Landespflegeausschuss auf gemeinsame Leitsätze für die Pflege geeinigt. Die Partnerinnen und Partner haben in und mit der Initiative „Menschen pflegen“ in Rheinland-Pfalz seitdem unter bundesweiter Beachtung viel bewirkt. Diesen Weg wird die Landesregierung fortsetzen. Die Pflege der Zukunft ist eine Pflege im Sozialraum. Die Ressourcen der Familien, der Nachbarschaften und des bürgerschaftlichen Engagements sind zu stärken und mit den professionellen Pflege- und Betreuungsstrukturen noch stärker zu verknüpfen. Die Entwicklung der Angebotsstrukturen hin zu neuen Wohn- und Pflegeformen sowie eine sozialräumliche Gestaltung werden gefördert. Pflegende Angehörige erhalten neben den entlastenden Angeboten auch durch die Pflegestützpunkte eine umfassende Beratung und im Bedarfsfall auch ein begleitendes Fall-Management. Das übergeordnete Ziel der rheinland-pfälzischer Sozialpolitik ist deshalb, die Pflegestrukturen im Sinne einer wohnortnahen Versorgung so weiterzuentwickeln, dass die Menschen zu Hause, zumindest aber in ihrem Wohnquartier gepflegt werden und dort selbstbestimmt und – wenn sie es wünschen – in Gemeinschaft leben können. Eine sozialräumliche Pflegestruktur geht dabei von den Bedürfnissen und Ressourcen des pflegebedürftigen Menschen und von den Kompetenzen seiner Angehörigen, Freundinnen und Freunde, Nachbarinnen und Nachbarn sowie bürgerschaftlich engagierter Menschen aus. Die notwendigen professionell erbrachten Hilfen ergänzen diese Hilfemöglichkeiten dann zu einem individuellen Hilfe-Mix. Die Landesregierung hat als eines der ersten Länder mit der Novellierung des Landesgesetzes zur Sicherstellung und Weiterentwicklung der pflegerischen Angebotsstruktur vom 25. Juli 2005 den Schwerpunkt der Infrastrukturentwicklung entsprechend verlagert . Nach dem Ausbau und der Modernisierung stationärer, teilstationärer und ambulanter Hilfen stehen nun die sozialräumliche Sicherung und die Weiterentwicklung der haushaltsnahen Dienste, der alternativen Wohnangebote und die Vernetzung der professionellen und ehrenamtlichen Angebote im Mittelpunkt. Eine so verstandene unterstützende Infrastruktur kann sich nicht nur an den Leistungen der Pflegeversicherung orientieren, sondern muss jeweils vor Ort – im Wohnquartier und in der Gemeinde – die Bedingungen für Pflege, Betreuung und Teilhabe der Menschen mit Behinderung und Pflegebedarf erfüllen. Der Kommunalpolitik fällt dabei eine koordinierende und integrierende Funktion der Moderation und Steuerung zu. Im Kontext der kommunalen Selbstverwaltung und der Verpflichtung zur Daseinssorge (Art. 28 GG) gilt es, gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern, der regionalen Wirtschaft, den Kirchen sowie den sozialen Diensten und Fachkräften neue Formen der Unterstützung und Teilhabe umzusetzen. Das Landesgesetz zur Sicherstellung und Weiterentwicklung der pflegerischen Angebotsstruktur bietet mit der kommunalen Pflegestrukturplanung , den regionalen Pflegekonferenzen und der neuen Struktur der Pflegestützpunkte sowie der Förderung der komplementären Angebote den Rahmen für diese Entwicklung. Mit der neuen Servicestelle für „Pflegestrukturplanung“ bei der Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz e. V. (LZG) unterstützt die Landesregierung seit Anfang September 2011 die Kommunen und Landkreise in ihrer Aufgabe der Pflege- 9 Drucksache 16/398 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode strukturplanung. Die Servicestelle „Pflegestrukturplanung“ koordiniert die Berichterstattung zur Pflegeinfrastruktur und wird so die Datenlage ähnlich den Entwicklungen im Jugendhilfebereich verbessern. Sie bietet Beratung für die Gestaltung von Beteiligungsprozessen und den Ausbau des bürgerschaftlichen Engagements und unterstützt die Landkreise und Kommunen bei ihrer Aufgabe , die kommunale Infrastruktur der Pflege weiterzuentwickeln, um den Bürgerinnen und Bürgern eine vielfältige und ortsnahe Unterstützung und Versorgung anzubieten. Mit dem 2010 in Kraft getretenen Landesgesetz über Wohnformen und Teilhabe (LWTG) hat die Landesregierung einen weiteren großen Schritt auf dem eingeschlagenen Weg gemacht. Das Landesgesetz über Wohnformen und Teilhabe ermöglicht, dass neben Einrichtungen mit einem umfassenden Leistungsangebot auch kleinteilige Wohngruppen entstehen können, in denen Menschen mit Pflegebedarf selbstbestimmt zusammenleben und sich die Leistungen bei ambulanten Diensten einkaufen, die sie benötigen. Zudem sieht das Gesetz auch selbstorganisierte Wohngemeinschaften als Wohnform vor. Weitere Hilfestellungen sollen durch bürgerschaftlich Engagierte oder Angehörige erbracht werden. Diese kleinteiligen Wohnformen ermöglichen, dass Menschen, die aufgrund ihres individuellen Pflege- und Unterstützungsbedarfs nicht mehr in ihrem eigenen Haus leben können, dennoch in ihrer Gemeinde oder in ihrem Stadtteil und damit in ihrer gewohnten Umgebung verbleiben können. Rund 700 000 Menschen in Rheinland-Pfalz haben einen Migrationshintergrund. Viele von ihnen sind als sogenannte Gastarbeiter in den 60er und 70er Jahren in unser Land gekommen und geblieben. Jetzt werden sie hier alt – und dabei zum Teil auch pflegebedürftig . Die von der Landesregierung gemeinsam mit den Partnerinnen und Partnern entwickelten Strukturen sollen deshalb im Sinne einer kultursensiblen Pflege auch diese Menschen und ihre Angehörigen erreichen. Die Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse von eingewanderten Menschen und die Öffnung der Regeldienste für diese Belange ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Darüber hinaus richtet sich das kostenlose und flächendeckende Angebot der landesweit 135 Pflegestützpunkte an alle pflegebedürftigen Menschen und ihre Angehörigen und bewusst auch an alle Menschen mit Migrationshintergrund. Bei der Beratung von Menschen mit Migrationshintergrund arbeiten die Pflegestützpunkte eng mit den Fachdiensten der Migrationsberatung zusammen, um Sprachbarrieren zu überwinden und sozial-kulturelle Besonderheiten zu berücksichtigen. Mit steigender Zahl hoch betagter Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzer steigt voraussichtlich auch die Zahl der an Demenz erkrankten Menschen. Die Landesregierung setzt sich seit Jahren dafür ein, diese Menschen und ihre Angehörigen zu unterstützen . Maßnahmen der Gesundheitsförderung und der Prävention können den Verbleib in der eigenen Häuslichkeit von an Demenz erkrankten Menschen unterstützen. Auch der Ausbau medizinischer und besonders geriatrischer Angebote der Rehabilitation kann den Erhalt der Lebensqualität für an Demenz erkrankte Menschen fördern und den Eintritt der Pflegebedürftigkeit hinauszögern. Von besonderer Bedeutung sind unterstützende und begleitende Angebote für Menschen, die ihre an Demenz erkrankten Angehörigen selbst pflegen und im Alltag begleiten. Sie sind besonderen körperlichen und psychischen Belastungen ausgesetzt, die mit gezielten Angeboten der Gesundheitsförderung und gut zugänglichen ausreichenden Unterstützungsangeboten zumindest teilweise aufgefangen werden können. Seit 2004 ist die Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz e. V. (LZG) von Sozialministerin Malu Dreyer beauftragt , die Menschen in Rheinland-Pfalz über die Demenz aufzuklären und sie für das Thema zu sensibilisieren. Durch aktive Aufklärungsarbeit und die Fortbildung von Multiplikatoren wird erfolgreich dazu beigetragen, die gesamte Lebenssituation betroffener Familien zu verbessern. Eine interaktive Demenzlandkarte auf der Homepage der Demenzkampagne (www.demenz-rlp.de) gibt Informationen zu regional vorhandenen Angeboten zur Versorgung, Unterstützung und Beratung von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen. Inzwischen haben sich in Rheinland-Pfalz 25 regionale Demenznetzwerke gebildet, in denen verschiedene Träger und Initiativen gemeinsam an einer weiteren Verbesserung der Lebenssituation von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen arbeiten. Ihre Arbeit wird seit 2009 durch die landesweit aktive Servicestelle bei der Landeszentrale für Gesundheitsförderung Rheinland-Pfalz e. V., das Landes-Netz-Werk Demenz, unterstützt. Mit der rheinland-pfälzischen Schulungsinitiative für Angehörige von Menschen mit Demenzerkrankung steht ein weiteres unterstützendes Angebot für Angehörige von Menschen mit dementiellen Erkrankungen zur Verfügung. Die Schulungen, die auch Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch geben, sind für die Teilnehmenden kostenlos. Das Programm basiert auf einer Rahmenvereinbarung nach § 45 des Elften Buches Sozialgesetzbuch, die alle Pflegekassen und die private Pflegeversicherung mit der Alzheimer Gesellschaft als Leistungserbringerin abgeschlossen haben. Nicht nur bei Demenzerkrankungen ist die Unterstützung und Entlastung von pflegenden Angehörigen der Landesregierung ein wichtiges Anliegen. Die Pflege durch Angehörige hat in Rheinland-Pfalz einen hohen Stellenwert. Sie nimmt Platz 2 im Ländervergleich ein. Dies zeigt eine hohe Pflegebereitschaft und gute Rahmenbedingungen für pflegende Angehörige in Rheinland-Pfalz. Es ist die hohe Bereitschaft von Angehörigen, Nachbarinnen und Nachbarn, Freundinnen und Freunde und anderen, Pflege- und Betreuungsaufgaben zu übernehmen, die ein weitgehend selbstbestimmtes Leben für die zu Pflegenden möglich macht. 10 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/398 Pflege durch Angehörige bedeutet meistens eine Pflege von Frauen (Töchtern, Schwiegertöchtern, Ehefrauen), die heute häufig selbst berufstätig sind. Viele dieser Frauen haben bereits eine Auszeit von ihrer beruflichen Tätigkeit genommen, um die Erziehung der Kinder zu übernehmen und sehen sich nun erneut vor der Frage, wie die Pflege der Angehörigen mit der Berufstätigkeit vereinbart werden kann. Ein Ziel der Landesregierung Rheinland-Pfalz ist, Maßnahmen, die zu einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie führen, zu fördern und Unternehmen für die Vorteile von familienbewussten Arbeitsstrukturen zu sensibilisieren. Die Förderung des audit berufundfamilie, die Regionalkonferenzen, regionale Veranstaltungen, Informationsveranstaltungen und Aktionstage zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie die Vernetzung Familien ergänzender Dienstleistungen sind bisher erfolgreiche Maßnahmen der Landesregierung, die weiter ausgebaut werden. In Zukunft geht es verstärkt darum, Männer zu einer aktiven Vaterschaft und einer veränderten Rollenzuschreibung in Beruf und Familie sowie Beruf und Pflege zu gewinnen. Die Landesregierung setzt sich deshalb weiter dafür ein, dass gemeinsam konstruktive Konzepte zur Überwindung von Hemmnissen bei der Sensibilisierung für eine familienbewusste Personalpolitik entwickelt werden. Um pflegende Angehörige zu unterstützen, werden in Rheinland-Pfalz seit Jahren kleinräumige niedrigschwellige und komplementäre Entlastungsangebote auf- und ausgebaut. Zwischenzeitlich wurden 242 niedrigschwellige Betreuungsangebote nach § 45 a bis c des Elften Buches Sozialgesetzbuch anerkannt. Hier übernehmen ehrenamtliche Helferinnen und Helfer, die entsprechend qualifiziert wurden, unter pflegefachlicher Anleitung die Betreuung von pflegebedürftigen Menschen in Gruppen oder im häuslichen Bereich. Weitere komplementäre Angebote tragen im Vor- und Umfeld der Pflege dazu bei, den Vorrang der häuslichen Pflege und Versorgung zu sichern. Dazu zählen beispielsweise die rund 50 anerkannten ehrenamtlichen Besuchs- und Begleitdienste. Im Rahmen dieser Angebote wurden im Jahr 2010 von 2 770 ehrenamtlichen Personen rund 268 650 ehrenamtliche Einsatzstunden erbracht. Mit dem flächendeckenden Angebot der 135 Pflegestützpunkte im Land erhalten hilfe- und pflegebedürftige Menschen und deren Angehörige ein qualifiziertes Beratungsangebot und bei Bedarf ein gutes Fallmanagement. Die in Pflegeberatung qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Pflegestützpunkte erarbeiten gemeinsam mit dem hilfebedürftigen Menschen und seinen Angehörigen einen individuellen Hilfeplan – auch im Rahmen von Hausbesuchen. Dabei greifen sie gezielt auf das im jeweiligen Fall notwendige und regional verfügbare Leistungsspektrum zurück. Diese Pflegeberatung wird vom Land, den Pflegekassen und den ambulanten Pflegediensten (soweit diese Träger der Beratungsangebote sind) finanziert; sie ist für die Ratsuchenden kostenfrei. Oft ist die Beratung in den Pflegestützpunkten die Basis für die Entwicklung eines individuellen Pflege-Mixes. Eine Chance für eine Stärkung der häuslichen Pflege sieht die Landesregierung in neuen technologischen Entwicklungen. Hausnotrufe und innovative technische Haushaltshilfen können mit dazu beitragen, dass Menschen auch bei Pflegebedürftigkeit zu Hause leben können und dass ihre Angehörigen entlastet werden. Deshalb unterstützt sie zum Beispiel grundlegende Forschungsarbeiten im Forschungsschwerpunkt „Ambient Systems – Technologien und Anwendungen“ der Technischen Universität in Kaiserslautern, die zur Unterstützung der Fähigkeiten und Fertigkeiten eines Menschen im Beruf und im Alltag beitragen können. Darüber hinaus setzt sich die Landesregierung auch auf der Bundesebene für eine Stärkung der häuslichen Pflege ein. Beispiele dafür sind die geforderte Einführung eines neuen, erweiterten Pflegebedürftigkeitsbegriffs (insbesondere um gerechtere Leistungen für Menschen mit Demenz zu erreichen), die Flexibilisierung des gegenwärtigen Leistungsrechts der Pflegeversicherung und der Ausbau entlastender Angebote für pflegende Angehörige. Mit der Einführung des Pflegezeitgesetzes am 1. Juli 2008 wurde ein besonderer Rechtsanspruch auf Freistellung von der Arbeitsleistung zur Pflege eines nahen Angehörigen gesetzlich verankert: Bei einer unerwartet eintretenden besonderen Pflegesituation haben Beschäftigte das Recht, bis zu zehn Arbeitstagen der Arbeit fernzubleiben. Diese Zeit kann genutzt werden, um eine plötzlich auftretende Pflegesituation zu organisieren oder selbst eine pflegerische Versorgung sicherzustellen. Sollen Angehörige in der häuslichen Umgebung gepflegt werden, haben Beschäftigte außerdem einen Anspruch auf vollständige oder teilweise Freistellung von der Arbeit für längstens sechs Monate. Mit dieser Pflegezeit wird es pflegenden Angehörigen ermöglicht, die Pflege ihrer pflegebedürftigen Angehörigen in der häuslichen Umgebung für einen Übergangszeitraum selbst wahrzunehmen, eine dauerhaft gute Pflegelösung zu organisieren oder schwerkranke Angehörige beim Sterben zu begleiten. Eine Entgeltfortzahlung ist dabei grundsätzlich nicht vorgesehen. Von den SPD-regierten Ländern ist bei Einführung der gesetzlichen Pflegezeit die finanzielle Absicherung der zehntägigen Arbeitsverhinderung (im Sinne einer Lohnersatzleistung durch die Pflegekassen) gefordert und durch einen Bundesratsantrag 2007 bekräftigt worden. Das Anliegen war und ist, dass die Pflege der älteren Generation genauso viel wert sein muss, wie die Betreuung kranker Kinder. Die finanzielle Absicherung einer zehntägigen Arbeitsverhinderung wäre ein weiterer wichtiger Schritt, um pflegende Angehörige wirksam zu unterstützen. Deshalb wird die rheinland-pfälzische Landesregierung diese Forderung bei der anstehenden Pflegereform erneut einbringen. Die von der Bundesregierung vorgesehene Familienpflegezeit ist nach Ansicht der Landesregierung dagegen nicht geeignet, die häusliche Pflege zu stärken. An dem Gesetzentwurf ist vor allem zu kritisieren, dass 11 Drucksache 16/398 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode er keinen verbindlichen Rechtsanspruch auf eine Familienpflegezeit vorsieht, sondern auf individuelle Vereinbarungen zwischen Beschäftigten und Arbeitgebern – und somit auf Freiwilligkeit seitens der Arbeitgeber – setzt. Für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bleibt somit offen, ob ihr Arbeitgeber ihnen im Pflegefall überhaupt die Möglichkeit einer Familienpflegezeit eröffnet. Die dringend benötigte Rechts- und Planungssicherheit für pflegende Angehörige wird somit nicht erreicht. Sie bleiben auf das Wohlwollen des Arbeitgebers angewiesen. 12. Wie soll insoweit insbesondere der quantitative und strukturelle Bedarf an Fachkräften gedeckt werden? Weil angesichts des demografischen Wandels (verbunden mit veränderten Familienstrukturen, steigenden Mobilitätsanforderungen und einer zunehmenden Erwerbstätigkeit von Frauen) der Bedarf an Pflegefachkräften in Zukunft steigen wird, hat die Landesregierung die Entwicklung auf dem Fachkräftemarkt seit Jahren im Blick und unterstützt alle Bemühungen, den Bedarf an Pflegefachkräften zu sichern. Im Rahmen des „Branchenmonitoring Pflege“ wurde für das Jahr 2002 ein Fachkräftemangel in der Pflege festgestellt, auf den die rheinland-pfälzische Landesregierung umgehend reagiert hat. Die Strategie der Landesregierung zur Fachkräftesicherung in der Pflege beruht dabei auf zwei Säulen: Zum einen geht es um den Ausbau der Ausbildung, damit genügend Nachwuchs vorhanden ist, zum anderen geht es um den Erhalt der Arbeitsfähigkeit, damit die ausgebildeten Pflegefachkräfte im Beruf bleiben. Mit einer umfassenden „Bildungs- und Fachkräfteoffensive Pflege“ im Rahmen der Qualitätsoffensive „Menschen pflegen“ wurde in den Jahren 2002 bis 2004 erfolgreich dem damaligen Fachkräftemangel begegnet. Eine Image- und Werbekampagne Pflegeausbildung, eine Rahmenvereinbarung mit der Arbeitsverwaltung in Rheinland-Pfalz zur verstärkten Aus- und Weiterbildung in der Pflege, eine Initiative für mehr fachpraktische Ausbildungsplätze in den Pflegeeinrichtungen und die erste Studie zur Fachkräftesituation und zum Fachkräftebedarf standen im Mittelpunkt der Aktivitäten. Mit dem „Lehrplan für die Fachschulen für Altenpflege“ und „Rahmenlehrplan und Ausbildungsrahmenplan für die Ausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege und Gesundheits- und Kinderkrankenpflege“ hat die rheinland-pfälzische Landesregierung die Grundlage für einheitliche und hochwertige Pflegeausbildungen geschaffen. Diese Ausbildungen werden künftigen beruflichen Anforderungen gerecht, schützen vor Überforderungen und sorgen somit für einen möglichst langen Verbleib im Beruf. Seit dem Schuljahr 2004/2005 ist es mit der Einführung des Ausgleichsverfahrens und der Stufenausbildung in der Altenpflege- und der Altenpflegehilfeausbildung gelungen, die Zahl der Auszubildenden kontinuierlich um über 40 Prozent zu steigern. Das Grundprinzip des Ausgleichsverfahrens ist, dass alle Pflegeeinrichtungen im Land ihren Beitrag zur Finanzierung der Ausbildungskosten und damit zur Zukunftssicherung der Pflege leisten, unabhängig davon, ob sie selbst ausbilden oder nicht. Dadurch werden die Wettbewerbsnachteile für ausbildende stationäre Einrichtungen beseitigt und ambulante Dienste in die Lage versetzt, auszubilden. Wichtige Unterstützungsarbeit leistete – durch Beratung von Altenpflegeeinrichtungen, durch Vernetzungsaktivitäten zur Gewinnung von Ausbildungsinteressierten und durch Fortbildungen zum Thema Ausbildung – von 2007 bis 2010 das von der Bundesregierung finanzierte und von der Landesregierung unterstützte Servicenetzwerk Altenpflegeausbildung. Zur Attraktivitätssteigerung der Altenpflegeausbildung trägt bei, dass auch der Berufsabschluss nach dem Altenpflegegesetz für Rheinland-Pfalz als eine der Fachhochschulreife gleichwertige Qualifikation angesehen wird. Diese Regelung gilt ab dem Jahr 2008 auch für die Gesundheits- und Kranken- beziehungsweise Kinderkrankenpflege. Dies eröffnet der größten Berufsgruppe im Gesundheitswesen berufliche Perspektiven, die zu einer längeren Verweildauer im Beruf führen. Die zweite Säule der rheinland-pfälzischen Fachkräftesicherungsstrategie zielt auf den Erhalt der Arbeitsfähigkeit, damit die Pflegefachkräfte im Beruf bleiben. Die Landesregierung engagiert sich deshalb neben dem allgemeinen Gesundheitsschutz der Beschäftigten speziell für den Gesundheitsschutz für die Beschäftigten in der Pflege. Vor diesem Hintergrund unterstützten wir im Rahmen der Initiative „Menschen pflegen“ von 2002 bis 2009 Projekte zur Arbeitsbewältigung in der Pflege. Dabei wurde die „Arbeitsbewältigungsfähigkeit“ des Personals in ambulanten Pflegediensten gemessen und darauf aufbauend ein „Arbeitsbewältigungs-Coaching®“ entwickelt. Dieses identifiziert frühzeitig den Grad des Zusammenpassens von Arbeitsanforderungen und individuellen Kapazitäten. Die Ergebnisse der Projekte zur Arbeitsbewältigung in der Pflege fließen in die Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie ein, die am 30. November 2009 mit dem Arbeitsprogramm „Sicherheit und Gesundheitsschutz in der Pflege“ startete. Im Rahmen der ersten Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie wird derzeit gemeinsam mit den anderen Ländern das Arbeitsprogramm „Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Pflege“ durchgeführt. Bei diesem bis Ende 2012 laufenden Arbeitsprogramm setzen sich die Hauptträger des staatlichen Arbeitsschutzes der Länder, die Unfallversicherungsträger und der Bund erstmalig gemeinsam für die Entwicklung beziehungsweise Stärkung einer Präventionskultur in den Unternehmen der Pflegebranche und für die Förderung der Gesundheitskompetenz von Führungskräften und Beschäftigten in der Pflege ein. Rheinland-Pfalz koordiniert dabei bundesweit die Aktivitäten der Arbeitsschutzbehörden der Länder. Im Jahr 2010 gab es trotz der ergriffenen Maßnahmen in Rheinland-Pfalz einen zusätzlichen Bedarf an Pflegekräften. Dieser fiel besonders stark bei den Fachkräften in der Gesundheits- und Kranken- beziehungsweise Kinderkrankenpflege sowie in der Alten- 12 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/398 pflege aus. Besonders betroffen von dem Fachkräftemangel im Pflegebereich waren im Jahr 2010 die Regionen Trier, BernkastelWittlich , Neuwied und Ludwigshafen. In den Jahren 2015, 2020 und 2025 ist nach den Prognoserechnungen von einem Mangel an Pflegekräften in Rheinland-Pfalz auszugehen. Davon sind besonders die Region Westpfalz, bestehend aus dem Donnersbergkreis, Stadt und Landkreis Kaiserslautern sowie dem Landkreis Kusel, und die Region Vorderpfalz, bestehend aus den Städten Frankenthal, Ludwigshafen und Speyer sowie dem RheinPfalz -Kreis, betroffen. Vor allem besteht im Versorgungsbereich „Stationäre Altenpflege“ im Jahr 2015, 2020 und 2025 ein hoher Bedarf an Altenpflegefachkräften. Angesichts dieser derzeitigen und zukünftig zu erwartenden Personalsituation in der Pflege ergibt sich nach Ansicht der Landesregierung ein weiterer akuter, mittel- und langfristiger Handlungsbedarf. Aufgrund der Ergebnisse des „Branchenmonitoring Gesundheitsfachberufe“ und des „Gutachten Fachkräftebedarf in den Gesundheitsfachberufen “ hat die rheinland-pfälzische Landesregierung Sofortmaßnahmen eingeleitet und eine Nachvermittlungsaktion im Bereich der Pflegeausbildungen gestartet. Dabei wurde an die Träger der praktischen Ausbildung in der Pflege appelliert, die Zahl der Ausbildungsplätze noch im Schuljahr 2011/2012 zu steigern. Die Ergebnisse der beiden Teilprojekte „Branchenmonitoring Gesundheitsfachberufe“ und „Gutachten Fachkräftebedarf in den Gesundheitsfachberufen“ münden in den „Ausbildungsstättenplan 2012“, der festlegt, in welchem Gesundheitsfachberuf wo und wie viele Ausbildungsplätze in Rheinland-Pfalz gebraucht werden. Ein zielgerichteter Ausbau der Ausbildungskapazitäten ist somit ab dem Schuljahr 2012/2013 möglich. Um Nachwuchskräfte für die Pflege zu rekrutieren, ergreift die Landesregierung auch noch weitere Maßnahmen. Mit Unterstützung des Europäischen Sozialfonds im Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie Rheinland-Pfalz werden voraussichtlich zehn arbeitsmarktpolitische Projekte in Rheinland-Pfalz mit Beginn zwischen dem 1. Januar 2012 und dem 30. November 2012 gefördert. Diese sollen den Erhalt und Ausbau der beruflichen Kenntnisse und gesundheitlichen Beschäftigungsfähigkeit von Beschäftigten insbesondere in kleinen und mittleren Unternehmen unterstützen. Der Fokus liegt dabei auf der Weiterbildung und Fachkräftesicherung im Bereich der Gesundheitsfachberufe, insbesondere in der Pflege. Spezielles Interesse des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie besteht dabei an Vorqualifizierungsmaßnahmen für eine Altenpflegehilfeausbildung. Zielgruppe sind dabei vor allem die SGB-II-Leistungsberechtigten. Durch die Hinführung zu einer Ausbildung mit staatlichem Abschluss in der Altenpflegehilfe sollen sie die Möglichkeit erhalten, in einem existenzsichernden Beschäftigungsverhältnis zu arbeiten. Sie sollen dabei durch eine spezifische Betreuung und Qualifizierung im ersten Jahr der Maßnahme auf eine einjährige Ausbildung zur Altenpflegehelferin beziehungsweise zum Altenpflegehelfer vorbereitet werden. Im zweiten Jahr der Maßnahme besuchen sie eine Fachschule für Altenpflegehilfe, die zu einem staatlich anerkannten Abschluss führt. Falls zur Stabilisierung der Person und damit zur Sicherung der Ausbildung notwendig, können die Menschen auch im zweiten Jahr der Maßnahme eine weitere Begleitung und Betreuung erhalten, die auch förderfähig ist. Nach erfolgreichem Abschluss der Altenpflegehilfeausbildung ist im Rahmen der Stufenausbildung in der Altenpflegeausbildung der Einstieg ins zweite Jahr der Altenpflegeausbildung möglich. Von September 2010 bis August 2013 führt das Institut für berufliche Bildung, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik aus Offenbach das Modellprojekt „Servicestellen Nachqualifizierung Altenpflege Niedersachsen und Rheinland-Pfalz“ in Rheinland-Pfalz durch. Dies geschieht in enger Zusammenarbeit mit dem für die Altenpflegeausbildung zuständigen Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur, dem Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie sowie den Regionaldirektionen der Bundesagentur für Arbeit in Rheinland-Pfalz. Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Modellprojekt hat die abschlussorientierte betriebliche Nachqualifizierung von an- und ungelernt in der Altenpflege Tätigen zur Altenpflegefachkraft zum Ziel. Das Modellprojekt soll bei Erfolg flächendeckend weiterentwickelt werden. Es soll so ebenfalls zur Deckung des Fachkräftebedarfs in der Altenpflege in Rheinland-Pfalz beitragen. Angesichts der Ergebnisse des„Branchenmonitorings Gesundheitsfachberufe“und des„GutachtensFachkräftebedarf in den Gesundheitsfachberufen “ hält die rheinland-pfälzische Landesregierung erneut eine umfassende „Fachkräfte- und Qualifizierungsinitiative 2012“ für notwendig. Diese wird mit allen Akteuren in der Gesundheitswirtschaft und der Pflege gemeinsam entwickelt. Handlungsfelder sind dabei insbesondere: Modifizierung der vorhandenen Ausbildungskapazitäten in Rheinland-Pfalz, Verbesserung der Rahmenbedingungen, Führungskräftequalifizierung, Aktivierung der stillen Reserve, Erweiterung der Teilzeitbeschäftigung, Verlängerung des Berufsverbleibs, Entlohnung und Einwanderung. 13 Drucksache 16/398 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode 16. Welche konkreten Maßnahmen sind für welche Zeitpunkte oder Zeiträume geplant? 17. Wie ist der Stand der Vorbereitung oder Umsetzung? 18. Was leisten die getroffenen Maßnahmen und vorliegenden Planungen? 19. Welche offenen Probleme bestehen noch? 20. Welche Maßnahmen müssen hierfür noch vorbereitet bzw. ergriffen werden? 21. Mit welchen Kosten ist für das Land und die Kommunen zu rechnen? Die rheinland-pfälzische Landesregierung steht auch in Zukunft zu ihrer Strukturverantwortung im Bereich der Pflege. Sie wird – unter anderem mit der Initiative „Menschen pflegen“ – weiterhin aktiv dazu beitragen, dass die Strukturen und Rahmenbedingungen der Pflege in Rheinland-Pfalz gesichert und sinnvoll weiterentwickelt werden. Dazu wird sie insbesondere – konsequent Strukturen stärken, die eine Umsetzung des Grundsatzes „ambulant vor stationär“ und eine Teilhabe pflege- und hilfebedürftiger Menschen am Leben in der Gemeinschaft ermöglichen, – sich intensiv mit der Weiterentwicklung der Pflegequalität auseinandersetzen, – das Ausbildungssystem in der Alten- und in der Krankenpflege weiterentwickeln, – analysieren, wie gesundheitsfördernde Arbeitsbedingungen und Verhaltensweisen bei den Pflegekräften etabliert werden können, – im Rahmen von Modellprojekten erproben, wie die Qualifizierung der Pflegekräfte und die Organisationen der Pflegeeinrich- tungen besser auf die Bedürfnisse dementiell erkrankter Menschen ausgerichtet werden können und – Familien mit pflegebedürftigen Angehörigen verstärkt informieren, situationsgerecht unterstützen und entlasten. Damit die Menschen in Rheinland-Pfalz gesund älter werden, wird die Landesregierung die Gesundheitsförderung und Prävention stärken und sich weiter für eine gesundheitsfördernde Gestaltung der Arbeitswelt und für gesunderhaltende Lebensweisen einsetzen . Dazu wird sie sich auch weiterhin für ein Bundespräventionsgesetz einsetzen. Um den Grundsatz „ambulant vor stationär“ weiterzuverfolgen, wird die Landesregierung weiterhin innovative Angebote in der Pflege unterstützen und die Kommunen durch die eingerichtete Servicestelle bei der Pflegestrukturplanung unterstützen. Ein wichtiges Ziel dabei ist auch, Fehlanreize in der Finanzierung ambulanter und stationärer Pflege abzubauen. Die Landesregierung wird weiterhin neue Wohn-, Pflege- und Unterstützungsformen – auch für Menschen mit hohem Pflegebedarf – ausbauen und Träger stationärer Einrichtungen darin bestärken, ihre Einrichtungen in kleine, sozialraumorientierte Einrichtungen umzugestalten. Die Wirkungen des Landesgesetzes über Wohnformen und Teilhabe wird sie analysieren und das Gesetz bei Bedarf weiterentwickeln. Die häusliche Pflege gehört auch in Zukunft zu den wichtigsten Aufgabenbereichen der rheinland-pfälzischen Sozialpolitik. Pflegebedürftige und ihre Angehörigen sollen durch niedrigschwellige Betreuungsangebote sowie ehrenamtliche Besuchs- und Begleitdienste verstärkt entlastet werden. Die rheinland-pfälzische Beratungsstruktur der landesweit 135 Pflegestützpunkte wird gesichert und gefestigt werden. Um für die Pflege in unserem Land auch im demografischen Wandel eine ausreichende Zahl gut qualifizierter Pflegefachkräfte zu haben, wird die Landesregierung die beschriebenen Maßnahmen weiter umsetzen und die Personalsituation in der Pflege auch in Zukunft weiter beobachten, um bei Bedarf zusätzliche Maßnahmen einzuleiten. Auch auf der Bundesebene wird die rheinland-pfälzische Landesregierung sich weiterhin für ihre Vorstellungen von einer guten Pflege einsetzen. Die anstehende Reform der Pflegeversicherung wird sie mit eigenen Vorschlägen mitgestalten. Die Kosten, die mit diesem umfassenden Prozess der Gestaltung einer zukunftsorientierten Pflege verbunden sind, können zum jetzigen Zeitpunkt nicht konkret beziffert werden. Sie hängen von vielen Rahmenbedingungen ab, die nicht oder nicht direkt von der Landesregierung beeinflusst werden können. Dazu gehören insbesondere die bundespolitischen Rahmenbedingungen, die aufgrund der Untätigkeit der Bundesregierung noch immer unklar sind. Malu Dreyer Staatsministerin 14 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/398 15 Anlage 1 Drucksache 16/398 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode 16 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/398 17 Drucksache 16/398 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode 18 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/398 19 Drucksache 16/398 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode 20 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/398 21 Drucksache 16/398 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode 22 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/398 23 Drucksache 16/398 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode 24 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/398 25 Drucksache 16/398 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode 26 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/398 27 Anlage 2 Drucksache 16/398 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode 28 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/398 29 Drucksache 16/398 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode 30 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/398 31 Drucksache 16/398 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode 32 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/398 33 Drucksache 16/398 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode 34