Drucksache 16/3980 19. 09. 2014 K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Michael Billen (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten Waldschäden und Bodenschutzkalkung Die Kleine Anfrage 2582 vom 26. August 2014 hat folgenden Wortlaut: Die Befunde der Bodenzustandserhebung zeigen, dass weitere Waldkalkungen zur Gesunderhaltung der Wälder und des Grundwassers notwendig sind. Die Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft in Rheinland-Pfalz geht von einer durchschnittlichen Fläche von 10 000 Hektar pro Jahr aus, die gekalkt werden muss. Ich frage die Landesregierung: 1. Haben die bisher durchgeführten Bodenschutzkalkungsmaßnahmen die erwünschte Wirkung erzielt? 2. In welchem Umfang (Fläche) und mit welchem finanziellen Aufwand (Fördermittel) wurden über die letzten dreißig Jahre die Bodenschutzkalkungen durchgeführt (Fläche und Fördermittel bitte pro Jahr aufführen)? 3. Welche Fördermittel und welche Waldflächen sind für eine Bodenschutzkalkung in den Jahren 2014 und 2015 geplant? 4. Wird die Landesregierung der fachlichen Empfehlung der Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft in Rhein- land-Pfalz folgen und die vom Bund zur Verfügung gestellten Fördermittel für die Bodenschutzkalkung abrufen? 5. Wie bewertet die Landesregierung Aussagen von Naturschutzorganisationen, die unterstellen, dass die Bodenschutzkalkung negative Folgen für das Ökosystem Wald hat? Das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten hat die Kleine Anfrage namens der Landes - regierung mit Schreiben vom 18. September 2014 wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Die Bodenschutzkalkung soll als flankierende Maßnahme zur Luftreinhaltung einen substanziellen Beitrag zum Schutz und auch zur Regeneration der auf einem erheblichen Anteil der Landeswaldfläche durch Versauerung und Verlust an Nährstoffkationen beeinträchtigten Waldbodenfunktion leisten. Sie ist in Rheinland-Pfalz eingebunden in ein Konzept zum Waldbodenschutz und zur Restauration der Waldböden durch Aktivierung ökosystemarer Nährstoffkreisläufe. Im Vordergrund stehen dabei waldbauliche Maßnahmen, insbesondere der Umbau von Nadelholzreinbeständen in laubbaumreiche Mischbestände, die – soweit erforderlich – standorts- und baumartenabhängig mit Dolomitkalkungen unterstützt werden. Das Kalkungsprogramm war von Beginn an begleitet durch umfangreiche Versuchsreihen zur Prüfung der Wirksamkeit der Maßnahmen und zur Erfassung gegebenenfalls auftretender unerwünschter Nebenwirkungen. Aktuell werden die Langzeitwirkungen der Bodenschutzkalkung an diesen umfangreichen Versuchsanlagen erneut geprüft. Auch die Befunde der Bodenzustandserhebung (BZE) II (2006) wurden gezielt im Hinblick auf die Wirkungen und eventuell auftretende unerwünschte Nebenwirkungen ausgewertet. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage 2582 namens der Landesregierung wie folgt: Zu Frage 1: Die aktuelle Auswertung der in den 1980er Jahren in Rheinland-Pfalz angelegten umfangreichen Versuchsanlagen zur Bodenschutzkalkung zeigen eine hohe Wirksamkeit im Hinblick auf die Pufferung der über die Luftschadstoffdeposition eingetragenen Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 16. Oktober 2014 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/3980 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Säuren, die Erhöhung der Elastizität und Stabilität der Waldökosysteme durch Aktivierung biologischer Kreisläufe und die Wiederherstellung einer angemessenen Magnesium-Versorgung der Böden. Diese stabilisierende Wirkung ist auch 24 Jahre nach der Bodenschutzkalkung noch anhaltend. Die Befunde der BZE belegen ebenfalls die Wirksamkeit der Bodenschutzkalkung zur Reduzierung der Bodenversauerung. Auch die erhebliche Verbesserung der Magnesium- und Calciumernährung der Waldbäume zwischen BZE I und II dürfte im Wesentlichen auf die Bodenschutzkalkung zurückzuführen sein. Zu Frage 2: Nachfolgende Tabelle zeigt den finanziellen Aufwand (Fördermittel) und Umfang von Flächen der Bodenschutzkalkung von 1984 bis 2013 über alle Waldbesitzarten. 2 Jahr Fördermittel [€] Umfang Fläche [ha] 2013 1 769 618 9 177 2012 1 098 842 11 993 2011 1 495 688 9 403 2010 671 321 8 425 2009 812 031 8 134 2008 1 107 643 11 933 2007 971 429 11 928 2006 1 367 002 17 061 2005 2 041 110 19 320 2004 351 334 10 432 2003 1 090 029 11 098 2002 1 691 918 7 394 2001 3 531 947 22 443 2000 1 189 777 11 296 1999 2 796 255 23 739 1998 2 699 109 33 756 1997 2 765 064 32 175 1996 3 246 196 30 854 1995 5 929 452 46 533 1994 6 906 531 57 970 1993 5 937 121 47 191 1992 4 713 088 51 765 1991 4 201 285 49 841 1990 5 367 543 55 797 1989 3 123 993 32 249 1988 Daten nicht verfügbar 28 694 1987 Daten nicht verfügbar 12 109 1986 Daten nicht verfügbar 7 747 1985 Daten nicht verfügbar 4 095 1984 Daten nicht verfügbar 820 Summe 66 875 326 685 372 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/3980 Insgesamt wurde von 1984 bis 2013 eine Fläche von 685.372 ha gekalkt, wovon von 1989 bis 2013 466 884 ha gefördert wurden. Die Differenz ergibt sich insbesondere aus der zeitweiligen Nichtförderfähigkeit von landeseigenem Wald. Für die Jahre 1984 bis 1988 sind keine Daten verfügbar, ob und, wenn ja, in welchem Umfang die Bodenschutzkalkung gefördert wurde. Zu den Fragen 3 und 4: Trotz Verminderung der Emission versauernd wirkender Luftverunreinigungen schreitet die Bodenversauerung auf etlichen Waldflächen ohne Bodenschutzkalkung voran. Auf Bodenschutzkalkungen will daher auch die Landesregierung in Zukunft nicht generell verzichten. Allerdings zeigt eine wissenschaftliche Studie der Universität Trier, an der auch die Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft beteiligt war, dass die stabilisierende Wirkung einer Bodenschutzkalkung auf den Nährstoffhaushalt länger anhält als ursprünglich gedacht und der Kalkungsturnus auf 20 bis 40 Jahre ausgeweitet werden kann. Dementsprechend sieht der Entwurf der Fördergrundsätze Forst für die neue Förderperiode weiterhin die Bodenschutzkalkung als Fördertatbestand vor. Da allerdings in der Vergangenheit die durch eine Bodenversauerung gefährdeten Waldstandorte mindestens einmal gekalkt wurden, ist so viel Säurepuffer im Boden vorhanden, dass im Moment selbst ein vorübergehendes Aussetzen der Bodenschutzkalkung nicht zu unmittelbaren negativen Auswirkungen auf die Pufferung der Säurebelastung, die Stabilisierung des Stoffhaushalts und die Waldernährung führen würde. Im Jahr 2014 werden voraussichtlich 5 462 ha Kalkungsfläche mit 851 617 € gefördert. Für das Jahr 2015 ist eine Fläche von 1 133 ha mit einer Förderung von 131 794 € geplant. Im GAK-Rahmenplan ist die Bodenschutzkalkung weiterhin Fördertatbestand. Eine Inanspruchnahme der Bundesmittel kann zukünftig nur im Rahmen der zur Verfügung stehenden Landesmittel erfolgen. Zu Frage 5: Die mit der Bodenschutzkalkung verbundenen Folgen für das Ökosystem Wald sind hinreichend bekannt und alle Risiken können durch eine geplante und fachgerechte Durchführung der Bodenschutzkalkung beherrscht werden. Vor mehr als zehn Jahren wurden langfristige Versuche zur Bodenschutzkalkung im Hinblick auf von Kritikern der Kalkung genannte Risiken ausgewertet. Die Ergebnisse zeigten, dass die Bodenschutzkalkung die Zusammensetzung und die Konkurrenzverhältnisse in der Bodenvegetation zugunsten anspruchsvollerer Pflanzen verändert. Auch bei der Pilzflora wurden vermehrt streubesiedelnde Saprophyten (= Steigerung der biologischen Aktivität) gefunden. Insgesamt ist die Artenzahl bei der Pilzflora angestiegen . Zurückgegangen ist dagegen die Dominanz der an bodensaure Verhältnisse angepassten Pflanzenarten. Die Bodenschutzkalkung fördert also ein standortsangepasstes vielfältiges Artenspektrum gegenüber der in ihrer Artenvielfalt auf wenige säuretolerante Arten verarmten Waldlebensgemeinschaften auf versauernden Standorten. Gleichzeitig wurde jedoch dringend empfohlen, auf alle hochreaktiven Kalke zu verzichten, außerdem Standorte mit von Natur aus hohen Säuregraden (z. B. die Hangmoore mit Torfmoosen oder die Magerrasen) großzügig auszusparen. Dies hatte in der Praxis die Entwicklung einer GIS-gesteuerten und auf Standortsbeurteilungen beruhenden Kalkungsplanung mit Rücksicht auf kalkungssensible Ausschlussflächen zur Folge. Im Hinblick auf die laufaktive epigäische Insektenfauna konnte trotz immer wiederkehrender Warnungen ein direkter negativer Einfluss nie nachgewiesen werden. Direkte Schäden lassen sich zudem durch den Ausbringungszeitraum (außerhalb der Aktivitätszeit der Insektenfauna) und durch die Technik der Bodenschutzkalkung (Feuchtigkeitsgehalt des Kalkes, Granulate etc.) verhindern. Eine besonders deutliche Zunahme der Stickstoffzeiger auf gekalkten Flächen wurde auf die Anregung der Stickstoffkreisläufe infolge des Kalkeintrages zurückgeführt, wodurch aber auch ein Nitrataustrag mit dem Sickerwasser minimiert wird. Infolge der rückläufigen Stoffeinträge war ein Anstieg der pH-Werte in Zuflüssen, verbunden mit einem Rückgang der Nitrat- und Aluminiumkonzentration zu beobachten. Aus fischereibiologischer Sicht ist eine höhere Alkalinität in Gewässern als Folge der Bodenschutzkalkung förderlich für die Lebensbedingungen der heimischen Fischarten, weshalb die Bodenschutzkalkung auch dem Fischartenschutz entgegen kommt. (Eine Ausnahme bildet hier allerdings die Flussperlmuschel, deren Optimum unter < 1 dH (Wasserhärte ) liegt.) In Vertretung: Dr. Thomas Griese Staatssekretär 3