Drucksache 16/4005 29. 09. 2014 K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Marcus Klein (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur Unvereinbarkeit von Amt und Mandat nach dem Kommunalwahlgesetz Die Kleine Anfrage 2594 vom 9. September 2014 hat folgenden Wortlaut: Das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße hat im Falle einer in den Verbandsgemeinderat Ramstein-Miesenbach gewählten Bewerberin entschieden, dass sie aufgrund einer Beschäftigung als Grundschulbetreuerin nicht als Ratsmitglied verpflichtet werden kann. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Personenkreise dürfen ein Ratsmandat aufgrund der Inkompatibilitätsregelung des Kommunalwahlgesetzes nicht annehmen bzw. nicht als Ratsmitglied verpflichtet werden? 2. Wo ist das Unterscheidungsmerkmal „nicht überwiegend körperliche Arbeit“ hergeleitet und wie ist dieses in der Praxis auszu- legen und abzugrenzen? 3. Handelte es sich bei der Entscheidung des Bürgermeisters der Verbandsgemeinde, die gewählte Bewerberin nicht zu verpflichten, um eine gebundene Entscheidung? 4. Beabsichtigt die Landesregierung, dem Gesetzgeber eine Änderung der Inkompatibilitätsregelungen des KWG vorzulegen, bspw. mit dem Inhalt, das Unterscheidungsmerkmal „nicht überwiegend körperliche Arbeit“ aufzugeben oder klarer abzugrenzen? Das Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 29. September 2014 wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Gemäß Artikel 137 Abs. 1 Grundgesetz (GG) kann die Wählbarkeit u. a. von Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes in den Gemeinden gesetzlich beschränkt werden. Damit soll verhindert werden, dass durch eine „Personalunion“ die Ratsmitglieder als Kontrolleure der Verwaltung sich selbst kontrollieren, soweit sie zugleich Aufgaben und Verantwortung innerhalb der Verwaltung wahrnehmen; Ziel ist es, „die Gefahr von Entscheidungskonflikten und daraus möglicherweise resultierenden Verfilzungen abzuwehren“. Durch organisatorische Maßnahmen soll die Gefahr eines Zusammentreffens von Amt und Mandat verhindert werden (BVerfGE, 38, 326, 339; BVerfGE 98, 145, 160 f.). Die Einbeziehung von Arbeitern ist vom Verfassungsgeber ausdrücklich nicht vorgesehen worden, obwohl sich auch bei Arbeitern des öffentlichen Dienstes – besonders im gemeindlichen Bereich – häufig Fallgestaltungen ergeben können, bei denen eine Beschränkung der Wählbarkeit sachgerecht erscheinen würde (BVerfGE 48, 64, 85). Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Zu Frage 1: Von der verfassungsrechtlichen Ermächtigung gemäß Artikel 137 Abs. 1 GG hat der rheinland-pfälzische Landesgesetzgeber Gebrauch gemacht und im Kommunalwahlgesetz (KWG) bei Wahlen zu den Gemeinderäten in § 5, zu den Verbandsgemeinderäten in § 54 Abs. 1 und zu den Kreistagen in § 55 Abs. 1 Unvereinbarkeitsregelungen getroffen, die unterschiedliche Fallgruppen umfassen. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 29. Oktober 2014 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/4005 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 KWG darf beispielsweise derjenige, der zum Mitglied des Gemeinderats gewählt ist und die Wahl angenommen hat, nicht gleichzeitig als Beamter oder als Beschäftigter (soweit er nicht überwiegend körperliche Arbeit verrichtet) der Gemeinde hauptamtlich tätig sein. Dies gilt nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 KWG auch für Beamte oder Beschäftigte der Verbandsgemeinde, der die Gemeinde angehört. Zu Frage 2: Durch das Fünfzehnte Landesgesetz zur Änderung des Kommunalwahlgesetzes vom 28. Mai 2008 (GVBl. S. 79) sind die Regelungen zur Unvereinbarkeit von Amt und Mandat zuletzt geändert worden und der Klammerzusatz „(soweit er nicht überwiegend körperliche Arbeit verrichtet)“ in § 5 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 und 7 KWG, § 54 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 KWG und § 55 Abs. 1 KWG eingefügt worden. Ferner ist der Begriff des „Angestellten“ durch den Begriff des „Beschäftigten“ ersetzt worden. Mit diesen Gesetzesänderungen hat der Landesgesetzgeber unter Berücksichtigung der bestehenden Verfassungsrechtslage der Entwicklung im öffentlichen Tarifrecht Rechnung getragen. Durch den am 1. Oktober 2005 (TVöD) bzw. 12. Oktober 2006 (TV-L) in Kraft getretenen Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst wurde die bis dahin geltende traditionelle Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten aufgehoben. Der Landesgesetzgeber orientierte sich damals an Bestimmungen zur Unvereinbarkeit von Amt und Mandat in den Ländern Niedersachsen (§ 35 a Abs. 2 Satz 2 der Niedersächsischen Gemeindeordnung), Nordrhein-Westfalen (§ 13 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Kommunalwahlen im Lande Nordrhein-Westfalen) und Brandenburg (§ 12 Abs. 4 Nr. 1 des Brandenburgischen Kommunalwahlgesetzes ). Die in § 5 KWG verwendete Formulierung „Beschäftigter (soweit er nicht überwiegend körperliche Arbeit verrichtet )“ entspricht im Wesentlichen der in Rechtsprechung und Schrifttum entwickelten Abgrenzung des Angestellten vom Arbeiter (vgl. beispielsweise VGH Mannheim, NVwZ-RR 1997, 246, 247). In der Verwaltungspraxis ist in jedem Einzelfall anhand der auszuübenden Tätigkeit zu prüfen, ob überwiegend körperliche Arbeit verrichtet wird. Zur Auslegung des Begriffs kann die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung zur Abgrenzung von Angestellten und Arbeitern herangezogen werden. Entscheidungsmaßstab kann in diesem Zusammenhang auch die allgemeine Verkehrsanschauung und der Wille der Vertragsparteien sein. Zu Frage 3: Ja. Bevor der Bürgermeister der Verbandsgemeinde entscheidet, ob eine gewählte Bewerberin als Ratsmitglied verpflichtet werden darf, sind folgende Rechtshandlungen und Prüfungen vorzunehmen: Der Wahlleiter hat gemäß § 64 Abs. 2 der Kommunalwahlordnung (KWO) die von der Unvereinbarkeitsregelung betroffenen gewählten Bewerber über die Inkompatibilität zu informieren und den Nachweis der Aufgabe der hauptamtlichen Tätigkeit zu fordern. In diesem Zusammenhang hat er darauf hinzuweisen, dass die Gewählten die Wahl nur annehmen können, wenn die entsprechenden Nachweise bis zum Ablauf der Frist erbracht werden. Kommt der Betreffende der Aufforderung innerhalb einer Woche nach Zustellung der Benachrichtigung von der Wahl (§ 64 Abs. 1 KWO) nicht nach, gilt die Wahl als abgelehnt. Der Gewählte ist verpflichtet, eine Bescheinigung über sein Dienst- und Beschäftigungsverhältnis dem Wahlleiter auf sein Verlangen hin vorzulegen, damit dieser eine Unvereinbarkeit prüfen kann (§ 64 Abs. 3 KWO). Zu Frage 4: Die Landesregierung wird die Erfahrungen und Anregungen bei den allgemeinen Kommunalwahlen am 25. Mai 2014 sorgfältig prüfen und bewerten und gegebenenfalls Verbesserungen rechtzeitig für die nächsten Wahlen vorschlagen. Zum derzeitigen Zeitpunkt gibt es noch keine konkreten Vorhaben zur Änderung des Kommunalwahlrechts. Roger Lewentz Staatsminister