Drucksache 16/402 05. 10. 2011 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Ruth Ratter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Ministeriums der Finanzen Auswirkungen des Urteils des Bundesfinanzhofes (AZ XI R 44/08) über eine Erhöhung des Umsatzsteuersatzes für Regisseure auf 19 Prozent Die Kleine Anfrage 296 vom 20. September 2011 hat folgenden Wortlaut: Die Umsetzung dieses Urteiles hätte maßgeblicheAuswirkungen für selbstständigeDramaturginnen undDramaturgen und Regisseurinnen und Regisseure. Bisher wurde künstlerische Arbeit, wenn überhaupt, mit dem reduzierten Umsatzsteuersatz von sieben Prozent belegt. Der Bundesfinanzhof begründet sein Urteil damit, dass Regisseurinnen und Regisseure keiner aktiven künstlerischen Tätigkeit auf der Bühne nachgehen. Vergangene Urteile deutscher Gerichte und des Europäischen Gerichtshofes widersprechen dem aktuellen Urteil des Bundesfinanzhofes . Bei Inkrafttreten dieses Urteils wären die Betroffenen unter Umständen sogar gezwungen, nachträglich Steuern für die zurückliegenden fünf Jahre zu zahlen. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche finanziellen Auswirkungen hat ein Umsetzung dieses Urteils für den Landeshaushalt? 2. Wie bewertet die Landesregierung das Verhältnis der allgemeinen Steuermehreinnahmen des Bundes und der Auswirkungen auf Landesfinanzen und Betroffene bei Umsetzung des Urteils? 3. Welche Haltung vertritt die Landesregierung in dieser Angelegenheit (insbesondere beim Treffen der Landesfinanzverwaltun- gen mit dem BMF vom 21. bis 23. September in Saarbrücken)? Das Ministerium der Finanzen hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 4. Oktober 2011 wie folgt beantwortet: Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 4. Mai 2011, XI R 44/08 entschieden, dass ein selbstständiger Regisseur für seine Umsätze gegenüber einem Theater nicht die Umsatzsteuerbefreiung für kulturelle Leistungen nach § 4 Nr. 20 Buchst. a Umsatzsteuergesetz (UStG) in Anspruch nehmen kann, sondern seine Leistungen mit dem Regelsteuersatz von 19 % versteuern muss. Die Annahme, dass dieses Urteil eine Änderung in der Umsatzbesteuerung der Leistungen selbstständiger Regisseure darstellt und sich daraus – ggf. auch rückwirkend – finanzielle Mehrbelastungen für die betroffenen Unternehmer ergeben, trifft nicht zu. Zudem steht das Urteil nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG befreit u. a. die Umsätze der Theater und Orchester der öffentlichen Hand und gleichartige Einrichtungen anderer Unternehmer. Mit Urteil vom 3. April 2003 (Rs. C-144/00, sog. Hoffmann-Urteil) hatte der EuGH entschieden, dass nach dieser Vorschrift auch die Leistungen von Einzelkünstlern als steuerfrei anzusehen sind. Die Umsatzsteuerbefreiung ist danach aber nicht auch bei solchen Berufsgruppen anzuwenden, die als Einzelunternehmer zwar im künstlerischen Bereich tätig sind, selbst aber nicht als eine einem Orchester bzw. Theater vergleichbare Einrichtung im Sinne des § 4 Nr. 20 UStG angesehen werden können. Für eine „kulturelle Einrichtung“ im Sinne des § 4 Nr. 20 UStG ist – auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in einem Beschluss vom 31. Juli 2008 – nämlich kennzeichnend, dass sich der Unternehmer mit seiner Leistung in Form einer kulturellen Darbietung unmittelbar an das Publikum wendet. Dies ist hinsichtlich der Leistungen selbstständiger Regisseure nicht der Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 18. Oktober 2011 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/402 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Fall, da diese mit ihrer Arbeit zwar künstlerisch tätig werden, aber nicht – einem Theater vergleichbar – eine an das Publikum gerichtete Darbietung erbringen. Diese Grundsätze gelten auch im Bereich des ermäßigten Umsatzsteuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG, wonach u. a. die Eintrittsberechtigung für Theater begünstigt wird. Denn die Begriffe der begünstigten Unternehmer sind hier nach denselben Merkmalen abzugrenzen, die auch für die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 20 UStG gelten. Das BFH-Urteil vom 4. Mai 2011 hat diese in der Steuerrechtslehre seit Jahren herrschende Meinung nunmehr bestätigt und stellt insofern keine Änderung in der Umsatzbesteuerung der Leistungen selbstständiger Regisseure dar. Es sieht die hier angewandten Besteuerungsgrundsätze zudem im Einklang mit den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie. Die Leistungen selbstständiger Regisseure unterlagen daher – wenn sie zutreffend besteuert wurden – schon immer dem Umsatzsteuerregelsatz . Infolge dieses Urteils ergeben sich somit weder für die betroffenen Unternehmer, noch für die Theater finanzielle Mehrbelastungen . Dies vorangeschickt, beantworte ich namens der Landesregierung die vorbezeichnete Kleine Anfrage wie folgt: Zu Frage 1: Keine. Der Bundesfinanzhof hat vielmehr in seinem Urteil vom 4. Mai 2011 die bisherige Praxis vollumfänglich bestätigt. Zu Frage 2: Vor dem Hintergrund der Antwort zu Frage 1 entfällt die Beantwortung von Frage 2. Zu Frage 3: Vor dem geschilderten Hintergrund haben die Abteilungsleiter (Steuer) der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder auf ihrer Sitzung vom 21. bis 23. September 2011 keine rechtliche Grundlage gesehen, das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 4. Mai 2011, XI R 44/08 nicht allgemein anzuwenden. Die Landesregierung teilt diese Haltung. In Vertretung: Dr. Salvatore Barbaro Staatssekretär