Drucksache 16/4022 02. 10. 2014 K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Andreas Hartenfels (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten Naturschutzgroßprojekt „Bienwald“ Die Kleine Anfrage 2607 vom 12. September 2014 hat folgenden Wortlaut: Der Bienwald ist als Lebensraum für hunderte von landes- und bundesweit gefährdeten Pflanzen- und Tierarten von großer Bedeutung . Viele dieser Arten sind außerhalb des Projektegebietes in Rheinland-Pfalz nur noch sehr selten anzutreffen. Seit seinem Start im Jahr 2004 gilt das Naturschutzgroßprojekt „Bienwald“ als ein gelungenes Beispielprojekt im Zusammenwirken zwischen Forst- und Landwirtschaft sowie der Vermarktung regionaler Produkte. Neben der Tourismuswirtschaft gewinnt der auch im Bienwald auffindbare Westwall als Biotop- und Mahnmal zunehmend an öffentlichem Interesse. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Welche Maßnahmen wurden seit der Gründung des Naturschutzgroßprojektes Bienwald im Jahr 2004 in welcher Höhe geför- dert? 2. Welche Erfolge konnten bis heute durch die Einrichtung des Naturschutzgroßprojektes erzielt werden? 3. Wie werden die Ziele Erinnerung, Denkmalschutz und Naturschutz der in Gründung befindlichen Stiftung zum Westwall im Bereich des Naturschutzgroßprojektes umgesetzt? Das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten hat die Kleine Anfrage namens der Landes - regierung mit Schreiben vom 2. Oktober 2014 wie folgt beantwortet: Mit dem Naturschutzgroßprojekt (NGP) soll die einzigartige Biotop- und Artenausstattung des Bienwaldes und der angrenzenden Talniederungen langfristig gesichert und, wo notwendig, durch gezielte Maßnahmen gemeinsam mit Naturnutzern und Naturschützern entwickelt werden. Das Projekt verfolgt folgende übergeordnete Ziele: – großräumige Vernetzung wertvoller Lebensräume und damit Schaffung eines Biotopverbundes zwischen dem Pfälzerwald und den Rheinauen; – Ausrichtung der forstlichen Nutzung an einer ökologischen, standortangepassten Waldentwicklung; – Ausweisung einer 1 680 Hektar großen Naturwaldfläche, in der die Nutzung zugunsten eines sich eigendynamisch entwickelnden Naturwaldes eingestellt wird; – naturnahe Entwicklung der Gewässer und ihrer Auen, insbesondere durch die Wiederherstellung eines naturnahen Wasserhaushaltes ; – Erhalt und Förderung der kulturhistorisch typischen und für den Naturschutz besonders wertvollen Offenlandbiotope. Hierzu gilt es gemeinsam mit den Landnutzern naturschutzgerechte Bewirtschaftungskonzepte zu erarbeiten und umzusetzen. Ein zentrales Anliegen des Projektes ist das beispielhafte Miteinander von Naturschutz und raumrelevanten Nutzern, insbesondere Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Naherholung und sanfter Tourismus. Mit dem Projekt sollen Synergieeffekte zwischen Naturschutz und anderen Interessen gestärkt werden. So setzt das Projekt z. B. auf Naturschutz durch Nutzung oder möchte die Regional - vermarktung als weiteres Standbein für die Land- und Forstwirtschaft weiterentwickeln. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 30. Oktober 2014 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/4022 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Gleichzeitig soll der Bienwald durch eine geeignete Besucherlenkung als Naturerlebnisraum entwickelt werden. Insgesamt stellt das Projekt eine Chance für die Region im Sinne einer zukunftsorientierten, nachhaltigen Regionalentwicklung dar. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage 2607 des Abgeordneten Andreas Hartenfels (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) namens der Landesregierung wie folgt: Zu Frage 1: Das Naturschutzgroßprojekt Bienwald teilt sich zeitlich in zwei Phasen. Die Phase 1 (sog. Vorbereitungsphase) umfasst den Bewilligungszeitraum vom 1. Juli 2004 bis zum 31. August 2007. Diese beinhaltet im Wesentlichen die Erarbeitung des Pflege- und Entwicklungsplanes im Rahmen eines breit angelegten Beteiligungsprozesses. Die Phase 2 (sog. Umsetzungsphase) deckt den noch laufenden Projektzeitraum vom 1. April 2009 bis zum 30. April 2018 ab. Die Finanzierung erfolgt anteilmäßig zu 70 % durch den Bund, zu 20 % durch das Land und zu 10 % durch die beiden Landkreise Südliche Weinstraße und Germersheim. In der abgeschlossenen Phase 1 wurden vom 1. Juli 2004 bis zum 31. August 2007 insgesamt 1 233 399,48 Euro verausgabt. Die Kosten teilten sich wie folgt auf: – 960 877,16 Euro Planungskosten (Erarbeitung und Aufstellung Pflege- und Entwicklungsplan, Konzept Besucherlenkung, Sozioökonomisches Gutachten, hydraulisch-hydrologisches Gutachten etc.); – 193 402,27 Euro Personalkosten (Projektleitung, Verwaltung); – 30 987,95 Euro Sachkosten (Reisekosten, Büroeinrichtung etc.); – 8 791,03 Euro Anschaffungskosten (Computer, Drucker, Kamera, Technik etc.); – 39 341,07 Euro Öffentlichkeitsarbeit. Die Höhe der am Ende dieser Phase ausgezahlten Landesmittel betrug 240 279,85 Euro. In der noch laufenden sog. Phase 2 („Umsetzungsphase“) wurden vom 1. April 2009 bis 31. Dezember 2013 insgesamt 3 170 363,60 Euro verausgabt. Die Kosten teilen sich wie folgt auf: – 535 765,87 Euro Flächensicherung (Grunderwerb, Ausgleichszahlungen, Flurbereinigungsverfahren); – 1 799 664,99 Euro biotopeinrichtende und -lenkende Maßnahmen (Naturwald, Wirtschaftswald, Altholzkonzept, Offenland, Planfeststellung, Besucherlenkung etc.); – 698 678,37 Euro Personalkosten (Projektleitung, Techniker, Grunderwerb, Verwaltung); – 124 945,80 Euro Sachkosten (Ausstattung Arbeitsplätze, Reisekosten, Geräte, Büroführung, Dienst-PKW etc.); – 11 344,57 Euro projektbegleitende Informationsarbeit. Die Höhe der verausgabten Landesmittel beträgt bislang in diesem Zeitraum 722 812,51 Euro. Über die gesamte Projektdauer der Phase 2 sind Gesamtausgaben in Höhe von 7 289 468 Euro geplant. Voraussichtlich beträgt der Landesanteil in Phase 2 bis zum Projekt - ende 1 437 896 Euro. Zu Frage 2: Für das Gebiet wurde 2007 ein Pflege- und Entwicklungsplan (PEPL) erstellt und in einem Beteiligungsprozess mit den „Akteuren vor Ort“ abgestimmt. Der PEPL bildet den Orientierungsrahmen zur Umsetzung von Maßnahmen. Insgesamt ist festzuhalten, dass viele Maßnahmen des PEPL bereits erfolgreich umgesetzt werden. Bodenordnung Bei der Zielkulisse handelt es sich um Realteilungsgebiet mit mehreren tausend kleinstparzellierten Grundstücken und entsprechend vielen Grundeigentümern, darunter zahlreichen Erbengemeinschaften. Die Umsetzung der im PEPL vorgesehenen Maßnahmen im Projektgebiet setzt voraus, dass die mit Projektmitteln erworbenen Flächen in das Eigentum der Projektträger übertragen werden . Voraussetzung ist daher, den notwendigen Flächenankauf und -tausch im Rahmen eines Bodenordnungsverfahrens abzuwickeln . Die Flurbereinigungsverfahren NGP Bienwald West und NGP Bienwald Ost sind seit Ende 2011 angeordnet. In den übrigen Teilen des Projektgebietes besteht aufgrund der Maßnahmen aus dem PEPL und der anzutreffenden Grundstücksstrukturen kein bodenordnerischer Bedarf. Die bodenordnerischen Maßnahmen beschränken sich zurzeit auf eine Fläche von ca. 1 816 ha. Flächenerwerb Wichtige Voraussetzung für die Umsetzung der Projektziele und deren langfristige Sicherung ist die Verfügbarkeit geeigneter Flächen. Im Projekt sind deshalb Flächenankauf, Flächentausch und – sofern kein Flächenerwerb möglich – auch der Abschluss langfristiger Pachtverträge vorgesehen. Bislang wurden vom Projekt 30,1 ha (Stand Juli 2014) erworben. Der Schwerpunkt des 2 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/4022 Flächenerwerbs liegt in den Teilräumen Bruchbach-Otterbach-Niederung und Lauterniederung. Besonders geeignet sind Flächen zur Anlage von Gewässerrandstreifen, zur Entwicklung von artenreichem Feuchtgrünland, zur Verbesserung der Lebensraum- und Vernetzungsfunktion schutzwürdiger Arten bzw. Bereichen mit hoher Schutzwürdigkeit bzw. hohem Entwicklungspotenzial. Methusalemkonzept Aufgrund der Ansprüche bestimmter Zielarten wurde als Maßnahme das Altholzkonzept (Methusalemkonzept) initiiert, das im Zusammenspiel mit dem Belassen von Alt-, Biotopbäumen und Totholz im Rahmen der naturnahen Waldbewirtschaftung die natur - schutzfachlich notwendigen Altholzmengen und -qualitäten sichert und langfristig bereitstellt. Mit Mitteln des Projektes wurden 3 600 Bäume gekauft und mit Plaketten markiert. Ziel ist, die Bäume als Altbäume über das Erntealter hinaus zu erhalten. Dieses Methusalemkonzept ist Bestandteil des Naturschutzgroßprojektes Dieses Konzept wirkt über die Eigenverpflichtung von Landesforsten hinaus, die im Rahmen des Konzeptes zum Umgang mit Biotopbäumen , Altbäumen und Totholz auch die FFH-Verpflichtung zum Erhalt von Biotopbäumen umsetzt. Im Bienwald wurden vom Forstamt über 7 200 Bäume erfasst und markiert. Naturwaldfläche Zentrale Maßnahme im Kerngebiet Wald ist die Ausweisung einer 1 680 ha großen zusammenhängenden Naturwaldfläche. Die Naturwaldfläche wird ausschließlich dem naturschutzfachlichen Ziel „Prozessschutz“ gewidmet. Diese Waldflächen sollen sich im Rahmen des Prozessschutzes selbst entwickeln und für Besucher als Naturwald unmittelbar erfahrbar werden. Bundesweit einmalig ist die räumliche Kombination der 1 680 ha Naturwaldfläche mit den 3 600 bzw. 7 200 gesicherten Biotop- und Altbäumen im Wirtschaftswald. Trockenwald Der Pflege- und Entwicklungsplan sieht die Entwicklung von Trockenwald und Trockenwald-Sandrasen-Komplexen auf Dünen mit offenen Sandflächen zum Erhalt bundesweit seltener, bedrohter Biotoptypen und Entwicklung von Lebensräumen für seltene, hoch spezialisierte Tier- und Pflanzenarten vor (z. B. Ödlandschrecke, Ziegenmelker). Ausgehend von einem dichten Kiefernwald wurde eine Fläche von rund 60 ha stark durchforstet, um eine Auflichtung zu erzielen. Als weitere Maßnahme wurde im Auftrag des Naturschutzgroßprojektes der offene Sandboden freigelegt. Zur Pflege und zur Entbuschung zugewachsener Flächen wird auf die Beweidung mit Ziegen gesetzt. Kürzlich ist ein Vertrag zwischen der Projektleitung und einer örtlichen Ziegenhalterin zur Beweidung der Flächen abgeschlossen worden. Erste Ergebnisse der Beweidungsmaßnahmen sind positiv. Eichenpflanzungen Um langfristig Eichen als ökologisch und wirtschaftlich wertvolle Baumart zu erhalten, werden vom Forstamt jährlich auf zehn bis 15 ha Fläche Eichen gepflanzt und Naturverjüngungsflächen gefördert. Das Naturschutzgroßprojekt selbst unterstützt bislang den Erhalt der Eichen durch eigene Eichenpflanzungen auf 60 ha Fläche. Dazu gehört auch die Umwandlung von Nadelwald in eichenreichen Mischwald durch Pflanzung von Stieleichen. Bislang wurden 80 250 Stieleichen auf einer Fläche von 105 ha gepflanzt. Umbau von Waldbeständen Auf die Neuanpflanzung von nicht heimischen Baumarten wie Roteiche und Douglasie wird im Kerngebiet des Naturschutzgroßprojektes bereits seit Jahren verzichtet. Dies soll auch künftig unterbleiben. Mit Durchforstungen und teilweise vorzeitigen Endnutzungen wird sich langfristig der Anteil dieser Baumarten reduzieren. Wahrnehmbar ist schon heute der Rückgang der im Bienwald nicht standortgemäßen Baumart Fichte. Gewässerbauliche Maßnahmen Zur Schaffung von Teillebensräumen und Trittsteinbiotopen für seltene und gefährdete Tierarten (u. a. Laubfrosch, Weißstorch) sowie als Wuchsort seltener Pflanzenarten sollen gemäß PEPL periodisch wasserführende Kleingewässer angelegt werden. Umgesetzt wurden bis dato vier temporäre Amphibiengewässer in der Bruchbach-Otterbach-Niederung, zwei weitere temporäre Stillgewässer werden im Herbst angelegt. Der Forst nimmt seit Jahren entlang der Gewässerränder Nadelholz zurück und verzichtet gleichzeitig auf die Neuanlage oder Unter - haltung von Gräben bzw. auf die Gewässerunterhaltung. Die Bruchwaldbereiche und anmoorigen Standorte werden entsprechend dem PEPL nicht bzw. extensiv und einzelstammweise bewirtschaftet. Für die Gewässermaßnahmen in der Bruchbach-OtterbachNiederung und der Lauterniederung werden über das Flurbereinigungsverfahren Gewässerrandstreifen konkretisiert. Erhalt und Schutz von Streuobstwiesen In der Gemarkung Büchelberg wurden brachgefallene Streuobstwiesen und Einzelbäume als Lebensraum besonders schützenswerter Vogelarten (z. B. Wendehals, Grünspecht) erhalten. Damit einher geht auch der Erhalt alter, teilweise vom Aussterben bedrohter Obstsorten. Diesem Lebensraum mit seiner hohen Strukturvielfalt kommt eine wesentliche Rolle für den Biotopverbund zu. 3 Drucksache 16/4022 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Schutz der Wildkatze Die Wildkatzen-Population in Rheinland-Pfalz gehört zum letzten großen Verbreitungsareal dieser Art in Mitteleuropa. Der Bestand im Bienwald ist das einzige bekannte Niederungsvorkommen und wird auf 18 bis 45 Tiere geschätzt. Zur Vernetzung der einzelnen Populationen, insbesondere mit dem Pfälzerwald, spielt die Erschaffung von „Grünen Korridoren“ eine wichtige Rolle. Der Erhalt der Bunkerruinen des Westwalls ist ein wichtiger Baustein. Zu Frage 3: Im Rahmen des Naturschutzgroßprojektes werden die Ruinen des Westwalls als für den Naturschutz bedeutsame Objekte beachtet und in ihrer Funktion unterstützt. Die Ruinen haben sich in den vergangenen Jahrzehnten zum Lebensraum für seltene Tierund Pflanzenarten wie Fledermäuse, Wildkatzen und Eidechsen entwickelt. Die Landesregierung will die Ruinen als ein einzigartiges Biotop und gleichzeitig als Mahnmal gegen Krieg und die Verbrechen der Nationalsozialisten erhalten. Mit einer Stiftung „Grüner Wall im Westen“ soll die Verkehrssicherung der Anlagen mit den Aufgaben der Erinnerung, des Denkmalschutzes und des Naturschutzes in Einklang gebracht werden. Die Aufgaben der in Gründung befindlichen Stiftung zur Sicherung der Westwallruinen werden durch die Stiftung eigenständig umgesetzt. Weitergehende Formen der Kooperation mit der künftigen Stiftung sind nach einer Etablierung des dortigen Geschäftsbetriebes wünschenswert. Ulrike Höfken Staatsministerin 4