Drucksache 16/406 06. 10. 2011 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Nicole Müller-Orth und Dietmar Johnen (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung,Weinbau und Forsten Urteil des EuGH zu Gentechnik im Honig Die Kleine Anfrage 273 vom 15. September 2011 hat folgenden Wortlaut: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) fällte am 6. September 2011 ein wichtiges Urteil: Honig, der in der EU nicht als Lebensmittel zugelassene Pollen von gentechnisch veränderten Pflanzen enthält, darf nicht verkauft werden. Damit bestätigte der EuGH das Prinzip der Nulltoleranz und stellte zugleich klar, dass keinerlei Verunreinigungen mit nicht zugelassenen gentechnisch veränderten Bestandteilen in Lebensmitteln erlaubt sind. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Was bedeutet das EuGH-Urteil zum Verkaufsverbot von Honig mit Pollen aus gentechnisch verändertem Mais für das Prinzip Nulltoleranz, d. h. der Nichtakzeptanz auch kleinster gentechnischer Verunreinigungen bei Saatgut, Lebensmitteln und Futtermitteln ? 2. Welche Konsequenzen ergeben sich aus dem Urteil für den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen in Rheinland-Pfalz? 3. Welche Haftungsrisiken entstehen durch das Urteil für diejenigen rheinland-pfälzischen Unternehmen, die gentechnisch ver- änderte Pflanzen anbauen? 4. Was kann die Landesregierung tun, um die hiesigen Imker vor Verunreinigungen mit gentechnisch veränderten Pflanzen zu schüt- zen? Das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 5. Oktober 2011 wie folgt beantwortet: Zu Frage 1: Das Urteil des EuGH vom 6. September 2011 in der Rechtssache C-442/09 stärkt das Prinzip der Nulltoleranz in Bezug auf gentechnisch verändertes Material. Die entscheidende und für manche überraschende Klärung in dem Urteil war die Festlegung, dass Produkte wie Honig, der Pollen aus gentechnisch veränderten Organismen (GVO) enthält, und Nahrungsergänzungsmittel, die solchen Honig enthalten, als Lebensmittel zu betrachten sind, die Zutaten enthalten, die aus GVO hergestellt wurden. Daraus folgt die Zulassungsbedürftigkeit des Produkts nach der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel. Zuvor war oft vertreten worden, Pollen sei keine Zutat im Honig, weil dieser nicht bewusst vom Menschen hinzugefügt wird, sondern auf natürlichem Wege hineingerät. Weiterhin war früher argumentiert worden, mit der Genehmigung einer Freisetzung oder des Anbaus von GVO sei die Pollenverbreitung durch Bienen quasi implizit mitgenehmigt worden. Das Urteil stellt nur klar, dass dies nicht der Fall ist. Weiterhin wird ausgeführt, dass bezüglich der Zulassungspflicht keine Toleranzschwelle angewandt werden kann. Somit gilt bezüglich Honig, der Pollen aus nicht zugelassenen GVO bzw. aus GVO, deren Zulassung den Pollen nicht umfasst, die Nulltoleranz . Solcher Honig darf folglich nicht in Verkehr gebracht, importiert oder weiterverarbeitet werden. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 18. Oktober 2011 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/406 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Zu Frage 2: Derzeit gibt es in Rheinland-Pfalz keinen kommerziellen Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen. Die Landesregierung bekundet im Koalitionsvertrag, dass auch in Zukunft kein Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen stattfinden soll. Für den hypothetischen Fall, dass in Rheinland-Pfalz gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut würden, wäre es von entscheidender Bedeutung , ob auch der Pollen der betreffenden Pflanze als Lebensmittel bzw. Lebensmittelzutat zugelassen wäre. Wäre dies, wie bei MON 810-Mais, nicht der Fall, dann müsste der Anbau so erfolgen, dass der Pollen der transgenen Pflanzen nicht in Honig gelangen kann, der zu Lebensmittelzwecken verwendet wird. Zu Frage 3: Das Urteil stellt klar, dass Honig mit GVO-Pollen einer Zulassung zum Inverkehrbringen als Lebensmittel bedarf. Die Haftungsrisiken für Landwirte, die GVO anbauen, steigen daher um den Aspekt der Honigvermarktung. Auch bisher trägt der Landwirt ein Haftungsrisiko, wenn Pollen oder auch Samen oder andere vermehrungsfähige Pflanzenteile von GVO auf Nachbarflächen gelangen und dort zu einem Eintrag von GVO in das Erntegut führen. Zu Frage 4: Imker haben bereits jetzt die Möglichkeit, sich im GVO-Standortregister, das beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) geführt wird, über die Standorte, an denen Freisetzungen oder Anbau von GVO stattfinden, zu informieren (z. B. im Internet unter: http://www.bvl.bund.de/DE/06_Gentechnik/01_Aufgaben/02_ZustaendigkeitenEinzelneBereiche/ 04_Standortregister/gentechnik_standortregister_node.html). Die Landesregierung wird das EuGH-Urteil zum Anlass nehmen, um die Imker über die Imkerverbände über das Standortregister und mögliche Beeinträchtigungen von Honig durch gentechnisch veränderte Pflanzen zu informieren. Im Übrigen wird sich die Landesregierung dafür einsetzen, dass das Gentechnikrecht zeitnah um entsprechende Bestimmungen über Schutzmaßnahmen für die Imkerei erweitert wird. Zwar sieht das Gentechnikgesetz bereits heute vor, dass derjenige, der gentechnisch veränderte Organismen freisetzt oder GVO-Produkte in Verkehr bringt, die damit verbundenen Risiken vorher umfassend bewerten und Sicherheitsmaßnahmen vorsehen muss. Allerdings sind diese Regelungen so allgemein gehalten, dass die Verantwortlichen die Sorgfaltspflichten in Bezug auf Polleneintrag in Honig bisher nicht ausreichend wahrgenommen haben und eine Konkretisierung im Hinblick auf die kilometerweiten Ausbreitungsrisiken durch Bienenflug angezeigt ist. In Vertretung: Dr. Thomas Griese Staatssekretär