Drucksache 16/4098 15. 10. 2014 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Dr. Denis Alt und Günther Ramsauer (SPD) und A n t w o r t des Ministeriums der Finanzen Wohnraumnachfrage in Rheinland-Pfalz Die Kleine Anfrage 2661 vom 25. September 2014 hat folgenden Wortlaut: Die Landesregierung hat gemeinsam mit der Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz und dem Bauforum Rheinland-Pfalz ein Gutachten zur quantitativen und qualitativen Wohnraumnachfrage in Rheinland-Pfalz beauftragt, das jüngst fertiggestellt worden ist. Wir fragen die Landesregierung: 1. Was sind die Hauptergebnisse des Gutachtens aus Sicht der Landesregierung? 2. Welche aus diesen Ergebnissen gezogenen Handlungsempfehlungen betrachtet die Landesregierung als prioritär im Sinne einer Versorgung aller Bevölkerungsgruppen mit angemessenem und bezahlbarem Wohnraum? 3. Hält die Landesregierung die in Rheinland-Pfalz bestehenden gesetzlichen Grundlagen und die von ihr geschaffenen Instrumente zur Wohnraumförderung für ausreichend, um diesen Prioritäten gerecht zu werden? Das Ministerium der Finanzen hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 13. Oktober 2014 wie folgt beantwortet: Das Gutachten wurde beauftragt, um belastbare, regional und kleinräumig differenzierte Grundlagen für die weitere Gestaltung der Wohnungspolitik in Rheinland-Pfalz zu erhalten. Das Themenfeld des barrierefreien und seniorengerechten Wohnraums wurde dabei in einem separaten Gutachtenteil vertiefend bearbeitet. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Denis Alt und Günther Ramsauer im Namen der Landesregierung wie folgt: Zu Frage 1: Die Entwicklung des Wohnungsmarktes in Deutschland ist inzwischen von erheblichen Ungleichgewichten geprägt. Dies gilt ganz besonders auch für Rheinland-Pfalz. Insgesamt kann in Rheinland-Pfalz von einem funktionierenden Wohnungsmarkt ausgegangen werden. Diese Grunderkenntnis ist allerdings nicht hinreichend präzise, da sich auf regionaler, teils sogar auf kommunaler nachbarschaftlicher Ebene die Situation völlig anders darstellt: Wachsende Märkte mit hohem Nachfragedruck und schrumpfende Märkte mit ausgeprägten Angebotsüberhängen liegen oft nahe beieinander. Die zentrale Besonderheit in Rheinland-Pfalz ist die zum Teil extreme Spreizung der Wohnungsmärkte. So sind die Neuvertragsmieten zwischen den Jahren 2005 und 2013 in Trier um 32 %, in Mainz um 22 % gestiegen. In einigen weiteren Städten und Landkreisen sind die Mieten ebenfalls angestiegen. Zeitgleich haben sich z. B. in Pirmasens oder dem Rhein-Lahn-Kreis die Neuvertragsmieten hingegen praktisch nicht geändert. Im Landkreis Altenkirchen sind sie sogar nominal geringfügig gesunken. Auch im Niveau sind die Unterschiede beträchtlich. Was die Mieten betrifft, so ist Speyer, abgesehen von Baden-Baden, die bundesweit teuerste Stadt unter 100 000 Einwohner. Zweibrücken und Pirmasens sind hingegen die günstigsten. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 3. November 2014 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/4098 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Die Ursache dieser Ungleichentwicklung ist fundamental und nicht nur konjunkturell bedingt: Eine rasante Umverteilung der Bevölkerung innerhalb von Rheinland-Pfalz. Die Wanderungsintensitäten, insbesondere in der für die demografische Entwicklung besonders wichtigen Gruppe der 20- bis 35- Jäh rigen, haben stark zugenommen. Ursächlich hierfür sind u. a. die gestiegene Mobilität und Bereitschaft der Menschen zum Pendeln sowie vor allem auch die zunehmend wichtigere Rolle der Attraktivität einer Stadt oder Region bei der Wahl des Lebensmittelpunktes . Die Gutachter messen darüber hinaus auch gruppendynamischen Prozessen eine gewisse Bedeutung bei und bezeichnen diese als „Schwarmverhalten“. Insgesamt stellen die Gutachter dar, welche hohe Relevanz der Qualität des Wohnens heute zukommt und prognostizieren, welche massiven Auswirkungen auf die zukünftige Entwicklung der Städte und Regionen in Rheinland-Pfalz zu erwarten sind. Besonders problematisch an diesen Umverteilungsprozessen ist, dass damit nicht nur erhebliche Angebots- und Nachfrageänderungen entstehen, sondern dass diese Entwicklung durch die Umverteilung der „jungen Eltern“ und der „Eltern von morgen“ sowohl in den Zuwanderungs- als auch in den Abwanderungsgebieten in sich selbstverstärkend verläuft. Aktuell äußern sich die beschriebenen Entwicklungen bereits einerseits in der bekannten Verknappung von Wohnraum in einigen wenigen besonders gefragten Städten wie Mainz, Trier, Landau und Speyer. Dies einhergehend mit entsprechend steigenden Mietund Kaufpreisen. Dem stehen die Regionen gegenüber, aus denen Menschen verstärkt abwandern und damit das dortige Überangebot an Wohnraum und das Ausbleiben von Investitionen in die (ganz überwiegend in privatem Eigentum befindlichen) Wohnungsbestände zunimmt. Insgesamt zeigt das Gutachten damit die Spannbreite der unterschiedlichen Herausforderungen in den einzelnen Landesteilen auf. Zu Frage 2: Die zentrale Erkenntnis ist es, dass die kleinräumlich bestehenden verschiedenartigen Herausforderungen nur mit einer entsprechend differenzierten Strategie und angepassten Anreiz- und Eingriffsinstrumenten und Maßnahmen bewältigt werden können. Eine Hauptaufgabe der Wohnungspolitik in den nächsten Jahren wird es sein, auch weiterhin vielfältige Anstrengungen zu unternehmen , um vor allem die ländlichen Zentren zu stärken. Dem Leitsatz einer doppelten Konzentration auf die zentralen Orte und auf deren zentrale Lagen wird dabei eine besondere Priorität zugemessen, um die Attraktivität der Städte und Gemeinden in der Fläche zu erhalten und damit gleichzeitig zumindest teilweise den Druck von den Wohnungsmärkten der sogenannten „Schwarmregionen “ zu nehmen, welche ja nur begrenzt mit einer Ausweitung des Wohnungsangebotes reagieren können. Parallel dazu muss in den sogenannten „Schwarmstädten“ mit dem Einsatz von Instrumenten für bezahlbares Wohnen dafür gesorgt werden, dass dort ein für alle Bevölkerungsgruppen erschwingliches Angebot an Wohnungen erhalten bzw. geschaffen wird. Hierzu gehört auch, dass kurzfristige Übertreibungen auf den besonders angespannten Wohnungsmärkten abgefedert werden. Zu Frage 3: Ja. Der Landesregierung stehen zur Bewältigung der genannten Herausforderungen, die erkennbar weit über eine reine Wohnungspolitik hinausgehen, neben Eingriffs- und Vollzugsinstrumenten insbesondere vielfältige Anreizinstrumente der verschiedenen Ressorts zur Verfügung. Hier sollen neben den Förderprogrammen und Initiativen des Ministeriums der Finanzen (z. B. soziale Wohnraumförderung, Wohnen in Orts- und Stadtkernen, Experimenteller Wohnungs- und Städtebau, Wettbewerb „Mehr Mitte bitte“) die Förderprogramme zur kommunalen Entwicklung (z. B. Städtebauliche Erneuerung, Dorferneuerung) und die Zukunftsinitiative „Starke Kommunen – Starkes Land“ des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur sowie das Projekt „WohnPunkt“ des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie lediglich exemplarisch genannt sein. Die Tatsache, dass die Wohnungs- und Städtebaupolitik innerhalb der Landesregierung als echte Querschnittsaufgabe insbesondere der vorgenannten Ressorts aufgefasst wird, stellt für den abgestimmten und zielgerichteten Einsatz der Instrumente eine wichtige Arbeitsgrundlage dar. Das Land ist seinen Verpflichtungen, sowohl bei der geplanten Einführung der Kappungsgrenzenverordnung mit hohem Augenmaß vorzugehen, als auch attraktive Förderangebote zu schaffen, bereits nachgekommen. In der Wohnraumförderung wurden beispielsweise im neuen Landeswohnraumförderungsgesetz die Fördervoraussetzungen wesentlich flexibilisiert und gleichzeitig die Konditionen der Förderprogramme in Abstimmung mit der Wohnungswirtschaft deutlich verbessert. Neben dem Einsatz der vorgenannten Instrumente ist es für die erfolgreiche Umsetzung der Wohnungs- und Städtebaupolitik von elementarer Bedeutung, dass Land und Kommunen mit den Marktakteuren vor Ort eng und vertrauensvoll zusammenarbeiten. Die Vereinbarung „Kommunaler Bündnisse für Wohnen“ mit allen Akteuren (Kommune, Land, Investoren, Eigentümer) sind ein geeigneter strategischer Ansatz, den es deshalb weiter zu stärken gilt. Dr. Carsten Kühl Staatsminister