Drucksache 16/4107 15. 10. 2014 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Simone Huth-Haage und Hedi Thelen (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen Ergebnisse des Ländermonitors frühkindliche Bildungssysteme Die Kleine Anfrage 2656 vom 25. September 2014 hat folgenden Wortlaut: Wir fragen die Landesregierung: 1. Wie bewertet die Landesregierung die Ergebnisse des Ländermonitors frühkindliche Bildungssysteme, dass die Gruppengrößen in Krippengruppen und Kindergartengruppen um rund 25 bis 30 Prozent über den empfohlenen Richtwerten bzw. im Fall der Kindergartengruppen über dem Durchschnitt der westdeutschen Bundesländer liegen? 2. Wie beurteilt die Landesregierung diese Daten angesichts der Tatsache, dass prozentual gesehen in keinem anderen Bundesland so viele unter dreijährige Kinder wie in Rheinland-Pfalz Kindergartengruppen besuchen, die ein deutlich schlechteres Betreuungsverhältnis als Krippengruppen aufweisen? 3. Welchen Betreuungsschlüssel sieht die Landesregierung als empfehlenswert für die Kindertagesstätten in Rheinland-Pfalz an? 4. In welchem Zeitraum will die Landesregierung das Betreuungsverhältnis in den rheinland-pfälzischen Kindertagesstätten ver- bessern? Das Ministerium für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 16. Oktober 2014 wie folgt beantwortet: Zu Frage 1: Beim Thema der Qualität der Kindertagesbetreuung ist der Personalschlüssel der Kindertagesstätten nur ein Indiz für die Qualität einer Einrichtung. Als solcher ist er aber eine wesentliche Grundlage für die pädagogische Arbeit und die Bedingungen des Aufwachsens unserer Kinder. Der Ländermonitor der Bertelsmann-Stiftung, dessen Auswertung auf der statistischen Erhebung der Kinder- und Jugendhilfestatistik , also einer amtliche Statistik, beruht, zeigt, dass Rheinland-Pfalz sich genau im Durchschnitt der westlichen Bundesländer befindet. Für die Landesregierung bedeutet dies, dass Rheinland-Pfalz im Vergleich der Länder einen guten Platz einnimmt. Zu Frage 2: Grundsätzlich ist festzustellen, dass ein maßgeblicher Zusammenhang zwischen Angebotsform der Kindertagesstätte und der Qualität der Betreuung, Bildung und Erziehung nicht evident ist. Dem örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe obliegt gemäß § 9 Kindertagesstättengesetz (KitaG) die Verantwortung für die Bedarfsplanung der erforderlichen Plätze in Kindertagesstätten. Ihm obliegt somit auch die Entscheidung, welche der rechtlich möglichen Angebotsformen (Krippe, altersgemischte Gruppe mit kleiner Altersmischung, Haus für Kinder, geöffnete Kindergartengruppe oder Lern- und Spielstube) er schafft. Es gibt zahlreiche Gesichtspunkte für die Entscheidung, wie zum Beispiel bedarfsplanerische Anforderungen, räumliche Bedingungen der Einrichtungen, Perspektiven des Einrichtungsträgers, pädagogische Konzepte der Einrichtungen, Anzahl der Kinder gerade im ländlichen Raum, Akzeptanz durch die Eltern und ökonomische Aspekte (den Träger oder das Jugendamt betreffend). Dabei kann die Kindergartengruppe nicht von vornherein als kostengünstiger gegenüber der Krippengruppe bewertet werden. So können in den geöffneten Kindergartengruppen keine Kinder unter zwei Jahren aufgenommen werden. Die Krippengruppen zeichnen sich zudem aus Elternsicht gegenüber den Kindergartengruppen dadurch aus, dass sie gemäß § 13 Abs. 3 und 4 KitaG in der Regel nicht beitragsfrei gestellt sind. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 10. November 2014 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/4107 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Die Qualität in der Kindertagesstätte wird nicht so stark von der Gruppenform, sondern eher von konzeptionellen Faktoren wie beispielsweise räumlichen Gegebenheiten, Ausstattung, pädagogischem Konzept, Sensibilität und Kenntnisstand des Personals, Art und Intensität der Zuwendung zu den Kindern, Anregungsvielfalt, Angeboten, Bildungsorientierung oder Mitbestimmung geprägt. Die aktuell von der Bertelsmann-Stiftung veröffentlichten Tabellen unterscheiden formal im Hinblick auf Personalressourceneinsatzschlüssel zwischen Gruppen, in denen ausschließlich Kinder unter drei Jahren bzw. ausschließlich Kinder von drei Jahren bis zum Schuleintritt betreut werden. Andere Gruppentypen werden bei der Betrachtung außen vor gelassen. Diese spielen aber in Rheinland-Pfalz eine große Rolle und wären ggf. mit entsprechendem Zusatzpersonal zu berücksichtigen. Dies zeigt einmal mehr, dass statistische Auswertungen ernst zu nehmen sind, aber genau analysiert und in den Zusammenhang der darüber hinausgehenden Kenntnisse zum System der Kindertagesbetreuung in Rheinland-Pfalz gestellt werden müssen. Zu den Fragen 3 und 4: Im Jahr 1996 veröffentlichte die Organisation „Netzwerk Kinderbetreuung und andere Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Frauen und Männer der Europäischen Kommission“ 40 Qualitätsziele für Kindertageseinrichtungen (siehe http://www.kindergartenpaedagogik.de/360.html). Diese Ziele sollten im Rahmen eines zehnjährigen Aktionsprogramms von allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union umgesetzt werden. Viele Ziele davon wurden erreicht, aber nicht alle. Ziel 21 formuliert einen empfohlenen Personalschlüssel, der als Ziel weiterhin Anspruch bleibt. Dort heißt es: „Der Personalschlüssel für Gruppenbetreuung sollte die Ziele der Einrichtung und ihren Gesamtkontext widerspiegeln, sowie direkt mit dem Alter der Kinder und der Gruppengröße verknüpft sein. Die personelle Besetzung sollte üblicherweise über folgenden Zahlen liegen, diese aber nicht unterschreiten: 1 Erwachsene/-r: 4 Plätze für Kinder unter 12 Monaten 1 Erwachsene/-r: 6 Plätze für Kinder im Alter von 12 bis 23 Monaten 1 Erwachsene/-r: 8 Plätze für Kinder im Alter von 24 bis 35 Monaten. 1 Erwachsene/-r: 15 Plätze für Kinder im Alter von 36 bis 71 Monaten.“ Die Frage nach einem empfehlenswerten Personalschlüssel muss in Verbindung zum definierten fachlichen und inhaltlichen Anspruch an eine Kindertagesstätte betrachtet werden. Entsprechend sind bei einer Diskussion um „empfehlenswerte Betreuungsschlüssel “ unterschiedlichste Aspekte, die die Qualität der Kindertagesbetreuung berühren, in Beziehung zueinander zu setzen. Dies sind z. B. das inhaltliche Konzept einer Einrichtung, die Zusammensetzung der Kindergruppe und Elternschaft, die Berücksichtigung des Sozialraums, die räumlichen und sächlichen Bedingungen, die Zusammensetzung des Fachkräfteteams und die Unterstützungsmöglichkeiten des Trägers. Forschungsergebnisse machen deutlich, dass die gegenwärtigen Betreuungsschlüssel Diskrepanzen aufweisen. So zeigt die Studie „Schlüssel zu guter Bildung“ von Susanne Viernickel, Iris Nentwig-Gesemann u. a. (2013, einsehbar unter: http://www.gew.de/Binaries/Binary96129/Expertise_Gute_Bildung_2013.pdf) auf, dass „Fachkräfte und Teams … eine Diskrepanz [erleben] zwischen dem normativ-programmatischen Idealbild, den rein rechnerisch verfügbaren Personalressourcen und der Alltagspraxis unter den real gegebenen Zeit- und Personalkapazitäten. .... Die Festlegung der Personalschlüssel sollte dabei auf der Grundlage wissenschaftlicher Empfehlungen zur Fachkraft-Kind-Relation erfolgen und empirisch belegte Eckwerte für Zeitkontingente, für die mittelbare pädagogische Arbeit sowie für Ausfallzeiten einbeziehen.“ (ebd. S. 147). Betrachtet man das rheinland-pfälzische Kindertagesstättengesetz (KitaG) und die Landesverordnung (LVO), so sehen diese für die Gestaltung des Personalschlüssels die Möglichkeit vor, eine an den Gegebenheiten der jeweiligen Einrichtung orientierte Personalbemessung vorzunehmen (vgl. insbesondere § 2 Abs. 5 LVO zum KitaG). Eine über die Regelbesetzung hinausgehende, an den spezifischen Bedingungen der Einrichtung ausgerichtete Personalbemessung, kann der Träger mit Zustimmung des Jugendamtes vornehmen. Das Land folgt dieser Entscheidung. Die fachliche Diskussion um „empfehlenswerte Standards“ steht im Spannungsfeld zu den zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln. Eine einseitige Verbesserung seitens des Landes steht unter dem Vorbehalt der Konnexität. Vor diesem Hintergrund kann ein Zeitraum bzgl. einer strukturellen Verbesserung des Personalschlüssels gegenwärtig nicht benannt werden. Am 6. November 2014 wird auf meine Initiative als Vorsitzende der Jugend- und Familienministerkonferenz eine Konferenz von Bund, Ländern und Kommunen zur Weiterentwicklung des Systems der frühkindlichen Bildung stattfinden, bei der auch ein guter Fachkraft-Kind-Schlüssel Gegenstand der Beratungen sein soll. Irene Alt Staatsministerin