Drucksache 16/4109 15. 10. 2014 K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Andreas Hartenfels (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Ministeriums für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung Abfallgruppe Kunststoffe und Mikroplastik Die Kleine Anfrage 2645 vom 23. September 2014 hat folgenden Wortlaut: Kunststoffe erfreuen sich aufgrund ihrer materialtechnischen Eigenschaften seit vielen Jahrzehnten großer Beliebtheit mit stark steigenden Produktionsmengen. Wurden vor etwa 60 Jahren ca. 2 Mio. Tonnen Plastik weltweit produziert, so sind es heute (Stand 2012) bereits 288 Mio. Tonnen jährlich. Eine besondere Gruppe stellen hierbei die Mikrokunststoffe dar. Per Definition sind Mikrokunststoffe Partikel aus Kunststoff, die kleiner als 5 mm sind, wobei unterschieden wird nach primärem (in dieser Größe produziertem ) und sekundärem (durch Verrottung aus Makroplastik entstandenem) Mikroplastik. Ein großer Anteil dieser Kunststoffe landet letztlich in den Weltmeeren. So schwimmen mittlerweile etwa 100 Mio. Tonnen Abfälle in den Weltmeeren, 75 % davon sind Kunststoffe. Diese Müllmassen sammeln sich in fünf großen Meeresstrudeln, der größte Strudel im Pazifik besitzt die Fläche Europas. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Welche konkreten Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um den Kunststoffabfall generell, aber speziell auch den Mikro- plastikanteil in Rheinland-Pfalz zu vermeiden, zu minimieren und stofflich (nicht energetisch) zu verwerten? 2. Welche Rolle spielt aus Sicht der Landesregierung hierbei die Verpackungsverordnung, die Erhöhung der Recyclingquote für den Kunststoffbereich, die Umsetzung eines Wertstoffgesetzes sowie ordnungspolitische Vorgaben – wie z. B. das Verbot von Mikroplastik im Kosmetikbereich oder Abgaben auf Plastiktüten? 3. Welche konkreten Initiativen sind der Landesregierung aus dem Bereich der chemischen Industrie in Rheinland-Pfalz bekannt, um den Wissensstand rund um das Thema Mikroplastik zu erhöhen oder um den Eintrag in die Gewässer zu vermeiden bzw. zu vermindern? 4. Welche Initiativen vonseiten der Industrie, aber auch von öffentlich finanzierter Forschung und Hochschulen, bestehen in Rheinland -Pfalz, um vermehrt „Biokunststoffe“ (Kunststoffe auf der Basis nachwachsender Rohstoffe) zur Anwendung zu bringen, und fördert die Landesregierung entsprechende Projekte mit Landesmitteln)? 5. Sind der Landesregierung gute Projekte oder Initiativen bekannt, mit denen die Minimierung von Plastikabfallen im europäischen Ausland bzw. in sogenannten Schwellen- und Entwicklungsländern durch die rheinland-pfälzische Wirtschaft (über Technologietransfer , Beteiligungs- oder Kooperationsprojekte) unterstützt und vorangetrieben wird? Das Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 14. Oktober 2014 wie folgt beantwortet: Zu Frage 1: Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass mit dem Kreislaufwirtschaftsgesetz gesetzliche Verpflichtungen bestehen, die der Förderung der Vermeidung und des Recyclings von Kunststoffabfällen dienen. Nach dem Landeskreislaufwirtschaftsgesetz sind die öffentlichrechtlichen Entsorgungsträger verpflichtet, in ihren Abfallwirtschaftskonzepten, die bis Ende des Jahres 2014 neu zu fassen sind, Maßnahmen zur Vermeidung und Verwertung von Abfällen, hierunter auch Kunststoffabfälle, darzustellen. Darüber hinaus bestehen gesetzliche Verpflichtungen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz zur Vermeidung und Verwertung von Abfällen im betrieblichen Bereich. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 10. November 2014 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/4109 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Außerdem gibt es seit 2013 ein Abfallvermeidungsprogramm des Bundes und der Länder, das sich auch mit der Vermeidung von Kunststoffabfällen beschäftigt. Der Abfallwirtschafsplan Rheinland-Pfalz 2013, Teilplan Siedlungsabfälle, verlangt zudem von den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern eine Steigerung der getrennten Wertstofferfassung und enthält hierfür ambitionierte konkrete Zielvorgaben für die jeweiligen Kreise und Städte. Im Übrigen betreibt die Landesregierung mit unterschiedlichen Maßnahmen Informations- und Aufklärungsarbeit im Interesse der vom Fragesteller angesprochenen Ziele. Beispielsweise veranstaltete das Landesamt für Umwelt, Wasserwirtschaft und Gewerbeaufsicht Rheinland-Pfalz am 15. September 2014 im Rahmen der 12. Mainzer Arbeitstage eine Fachtagung zum Thema Mikroplastik . Im Oktober 2014 wird im Rahmen des Programms „Umweltschutz im Alltag“ ein Flyer erscheinen, der die Bürgerinnen und Bürger über Mikroplastik informieren und aufklären soll. In der Reihe „Ressourceneffizienz vor Ort“ hat das Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung am 28. Mai 2014 mit der Veranstaltung „Ressourceneffiziente Kunststoffwirtschaft “ auch Akzente für die Vermeidung und die stoffliche Verwertung von Kunststoffen gesetzt. Zu Frage 2: Die Verpackungsverordnung enthält eine Recyclingquote für Kunststoffverpackungen, die noch aus dem Jahr 1991 stammt und deshalb weit hinter dem zurückbleibt, was technisch möglich ist. Daher hat sich die Landesregierung im Frühjahr dieses Jahres im Bundesrat in einem Entschließungsantrag zur 7. Novelle der Verpackungsverordnung für die zeitnahe Umsetzung eines Wertstoffgesetzes mit anspruchsvollen Recyclingquoten für Kunststoffe eingesetzt. Deutschland hat im Vergleich zu anderen europäischen Mitgliedstaaten gut funktionierende Entsorgungsstrukturen, die zu einer hohen Verwertungsrate von Abfällen und zur Minimierung der Landschaftsvermüllung beigetragen haben. Zusätzlich haben zahlreiche Hersteller und Vertreiber freiwillige Maßnahmen umgesetzt, die auf eine Vermeidung von Abfällen und eine Erhöhung des Recyclings abzielen. Beispielsweise werden Plastiktüten im Lebensmitteleinzelhandel nur kostenpflichtig abgegeben, was zu einem der niedrigsten Verbräuche an Plastiktüten in der Europäischen Union geführt hat. Ordnungspolitische Maßnahmen, die auf eine Minimierung von Mikroplastik in der Umwelt abzielen, müssen möglichst effizient sein und bundesweit einheitlich geregelt werden. Zu den Fragen 3 und 5: Nach den uns vorliegenden Informationen fokussiert die chemische Industrie ihr Engagement auf den Bereich „Vorsorge“. Für die in der chemischen Industrie organisierten Branchen zur Herstellung von Kunststoffwerkstoffen, von kosmetischen Mitteln sowie von Fasern usw. hat der Verband der Chemischen Industrie e. V. im August 2013 das Praxis-Projekt „Null Pelletverlust“ im Rahmen seiner Responsible-Care-Initiative gestartet. Hieran wirken auch Chemieunternehmen aus Rheinland-Pfalz mit. Ziel dieser Initiative ist es, dass die erzeugten Partikel bei der Herstellung, bei deren innerbetrieblichen Handhabung sowie bei Transport und Logistik nicht unbeabsichtigt in die Umwelt gelangen. Durch dieses Projekt soll in den Betrieben der chemischen und der kunststofferzeugenden Industrie das notwendige Bewusstsein für das Thema Pelletverlust gestärkt bzw. geschaffen werden. Ferner möchte man durch die Initiative an das Umwelt- und Qualitätsmanagement gemäß praxisbewährten ISO-Standards anknüpfen. Das jährliche Reporting wird durch einen unabhängigen Dritten extern zertifiziert. Der vom Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten eingesetzte Fachbeirat Chemie diskutiert das Thema Umweltfolgen von Mikroplastik mit der Industrie und sensibilisiert die Beteiligten für dieses Thema. Die beteiligten Industrien setzen sich weiterhin dafür ein, dass auch entlang ihrer Lieferketten geeignete Vorkehrungen getroffen werden, um einen unbeabsichtigten Eintrag von Kunststoffprodukten und -abfällen in die Umwelt, speziell in Gewässern, zu verhindern . Über ihre „Beratungsplattform für Kunststoff und Verwertung“ (BKV), an der auch Unternehmen aus Rheinland-Pfalz beteiligt sind, hat die Kunststoffindustrie Fragestellungen zur Identifikation der wesentlichen Eintragspfade von „Land Sourced Litter“ (LSL) aufgegriffen und ein Modell zur qualitativen und quantitativen Bewertung von Eintragspfaden entwickelt, das derzeit auf Expertenebene diskutiert wird. In einem Projekt in Marokko ist die BKV zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit e. V. (GIZ) in einem Projekt zur Minimierung des Eintrages von Kunststoffabfällen ins Meer engagiert. Ziel ist es, durch die Einführung einer geordneten Abfallerfassung mit nachgelagerter Verwertung die unkontrollierte Freisetzung und Verteilung von Abfällen (darunter auch Kunststoffabfällen) zu minimieren. Zu Frage 4: Die BASF forscht seit 1993 an bioabbaubaren und kompostierbaren Biopolymeren und hat inzwischen Mulchfolien für die Landwirtschaft sowie Bioabfall-Sammelbeutel für die Kreislaufwirtschaft in den Markt eingeführt. Der Einsatz von Biokunststoffen kann in solchen Anwendungsgebieten Vorteile haben. Er löst jedoch nicht das Litteringproblem, da auch kompostierbare Kunststoffe nicht ohne Weiteres im Meerwasser abgebaut werden. 2 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/4109 In Rheinland-Pfalz beschäftigen sich auch verschiedene Forschungseinrichtungen damit, wie Kunststoffe auf Basis nachwachsender Rohstoffe vermehrt zur Anwendung gebracht werden können. Beispielhaft können folgende Aktivitäten genannt werden: – TU Kaiserslautern, Forschungsschwerpunkt „BioComp – Complex Data Analysis in Life Sciences and Biotechnology“: Im Mittel punkt steht die Nutzung nachwachsender Rohstoffe zur Produktion von Grund- und Feinchemikalien. – TU Kaiserslautern, Forschungsschwerpunkt „HiPerCon – Werkstoffverbunde im Bauwesen“: Im beim Bundesministerium für Bildung und Forschung beantragten Projekt „Ressourceneffiziente Sandwichelemente für den Wohnungsbau in Brasilien“ sollen Wand- und Dachelemente für den Bau von nachhaltigen Gebäuden in Schwellenländern mit der Anforderung einer kurzen Bauzeit entwickelt werden. Dabei wird auch untersucht, inwieweit für Bauelemente aus faserverstärktem Kunststoff lokal vorhandene Naturfasermaterialien verwendet werden können. – Institut für Verbundwerkstoffe GmbH (IVW), Kaiserslautern: Das von der Europäischen Union geförderte Projekt „BioBuild“ befasst sich mit der Reduzierung der Grauen Energie von Gebäuden in Europa durch die Verwendung von naturfaserverstärkten Biopolymeren. – FH Bingen, Biogene Werkstatt: Erforscht werden neue biogene Werkstoffe aus Naturfasern und biogenen Kunststoffen, um weitgehend biogene Verbundwerkstoffe entwickeln zu können. Die Landesregierung unterstützt solche Aktivitäten z. B. im Rahmen der Forschungsinitiative des Landes durch Förderung entspre - chender Forschungsschwerpunkte. So erhält der Forschungsschwerpunkt „BioComp“ im Zeitraum 2014 bis 2016 jährlich 400 000 Euro, für den Forschungsschwerpunkt „HiPerCon“ sind im Zeitraum 2014 bis 2016 pro Jahr 200 000 Euro vorgesehen. Die dem IVW vom Land zur Verfügung gestellte Grundfinanzierung in Höhe von jährlich rund 2,5 Mio. Euro verwendet das Institut auch zur Durchführung anwendungs orientierter Projekte auf dem Gebiet der „Biokunststoffe“. Eveline Lemke Staatsministerin 3