Drucksache 16/4110 16. 10. 2014 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Michael Wäschenbach und Dr. Peter Enders (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie Begutachtungspraxis des MDK Rheinland-Pfalz und Aufsichtstätigkeit der Landesregierung Die Kleine Anfrage 2653 vom 25. September 2014 hat folgenden Wortlaut: Die Begutachtungstätigkeit des MDK Rheinland-Pfalz ist auch Anfang September 2014 wieder Gegenstand von Medienberichten gewesen. Schwerpunkte sind Bestrebungen zu Begutachtungen nach Aktenlage und die Aufsichtspflicht des Landes. Wir fragen die Landesregierung: 1. Warum ist die Landesregierung angesichts der Aufsichtspflicht des Landes erst durch Medienberichte auf Bestrebungen auf- merksam geworden, eine Quote von Gutachten nach Aktenlage bei der Begutachtungstätigkeit des MDK Rheinland-Pfalz einzuführen ? 2. Was ist der Landesregierung über Folgen und Bestrebungen nach verstärkter Begutachtung nach Aktenlage bekannt? 3. Warum hat die Landesregierung solche Bestrebungen nicht unmittelbar unterbunden? 4. Welche Konsequenzen hält die Landesregierung für die Rechtsaufsicht über den MDK Rheinland-Pfalz nach den Vorgängen um Begutachtungen nach Aktenlage für angebracht? Das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 16. Oktober 2014 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Bei den in der ARD-Sendung „Im Zweifel gegen den Patienten“ am 11. August 2014 auszugsweise gezeigten Unterlagen handelte es sich um interne Protokolle von Besprechungen im Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Rheinland-Pfalz aus dem Jahr 2012. Hinweise auf die Existenz entsprechender Unterlagen erhielt die Landesregierung erstmals am 8. Juli 2014 von dem Redakteur der oben genannten Sendung im Rahmen eines Interviews mit Staatsminister Schweitzer. Die von Staatsminister Schweitzer daraufhin unmittelbar an den Redakteur gerichtete Bitte um Überlassung der Dokumente, um deren inhaltliche und ggfs. auch aufsichtsrechtliche Prüfung veranlassen zu können, lehnte der Redakteur ab. Dennoch wurde die Landesregierung umgehend nach dem 8. Juli 2014 gegenüber dem MDK Rheinland-Pfalz tätig. Bezüglich der Einzelheiten verweist die Landesregierung auf die Beantwortung der Kleinen Anfrage 2537 des Abgeordneten Michael Wäschenbach betr. ARD-Sendung „Im Zweifel gegen den Patienten“ vom 11. August 2014 – Aktenlagegutachten beim MDK (Drucksache 16/3925). Zu 2.: Die rechtsaufsichtliche Prüfung hat ergeben, dass mehrere in internen Dokumenten des MDK Rheinland-Pfalz aus dem Jahr 2012 enthaltene Formulierungen geeignet waren, einen Verdacht zu begründen, dass die Gutachterinnen und Gutachter des MDK Rheinland -Pfalz von der damaligen Geschäftsführung beeinflusst wurden, vermehrt Pflegebegutachtungen nach Aktenlage durchzuführen und dabei eine Quote von 30 Prozent zu erreichen. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 10. November 2014 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/4110 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Der MDK Rheinland-Pfalz hat eingeräumt, dass die entsprechenden Passagen für Außenstehende missverständlich formuliert worden seien und dies damit erläutert, dass zum Beispiel die Protokollierung bewusst kurzgehalten worden sei, da sie ausschließlich für den Teilnehmerkreis der Besprechung vorgesehen gewesen sei, der den Kontext des Festgehaltenen jederzeit hätte richtig einordnen können. Zu 3.: Ein rechtsaufsichtliches Tätigwerden der Landesregierung setzt voraus, dass diese zuvor eine objektive und gründliche Sachverhaltsaufklärung vorgenommen hat. Erst nach Abschluss einer solchen Sachverhaltsaufklärung ist der Rechtsaufsichtsbehörde eine Einschätzung möglich, ob sich der MDK rechtswidrig verhalten hat. Für den Fall, dass die Rechtsaufsicht zu einer solchen Einschätzung kommt, bestimmt die Vorschrift des § 89 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch abschließend, welche Aufsichtsmittel zur Verfügung stehen und damit über das weitere Vorgehen der Landesregierung: „Wird durch das Handeln oder Unterlassen eines Versicherungsträgers das Recht verletzt, soll die Aufsichtsbehörde zunächst beratend darauf hinwirken, dass der Versicherungsträger die Rechtsverletzung behebt. Kommt der Versicherungsträger dem innerhalb angemessener Frist nicht nach, kann die Aufsichtsbehörde den Versicherungsträger verpflichten, die Rechtsverletzung zu beheben . Die Verpflichtung kann mit den Mitteln des Verwaltungsvollstreckungsrechts durchgesetzt werden, wenn ihre sofortige Vollziehung angeordnet worden oder sie unanfechtbar geworden ist. Die Aufsicht kann die Zwangsmittel für jeden Fall der Nichtbefolgung androhen.“ Das Sozialgesetzbuch sieht somit eine klar geregelte Kaskade an aufsichtsrechtlichen Maßnahmen vor, die im Sinne einer Eskalationsstrategie zwingend zu durchlaufen sind. Diese beginnen mit einer Beratung und einem Hinwirken auf Behebung der Rechtsverletzung durch den Versicherungsträger, steigern sich gegebenenfalls zu einem Verpflichtungsbescheid nach Fristsetzung bis hin zur Ultima Ratio der Durchsetzung mittels Zwangsmaßnahmen, gegen die sich die Körperschaft allerdings gerichtlich zur Wehr setzen kann. Ein unmittelbares Durchgriffsrecht oder dergleichen sieht das Sozialgesetzbuch nicht vor. Die in der Fernsehsendung gezeigten Sätze beziehungsweise Satzteile aus internen Protokollen des MDK Rheinland-Pfalz können die erforderliche Sachverhaltsaufklärung nicht ersetzen. Sie waren aber Anlass für ein umgehendes Tätigwerden der Landesregierung zugunsten der angesprochenen Sachverhaltsaufklärung. Zu 4.: Die Landesregierung ist unmittelbar und unter strikter Beachtung ihrer Aufgaben und Möglichkeiten als Rechtsaufsicht tätig geworden . Sie ist allen Hinweisen nachgegangen und hat auch eigene Nachforschungen angestellt. Die Komplexität der Materie und die hohe Zahl der vom MDK Rheinland-Pfalz im Jahr 2012 durchgeführten Pflegebegutachtungen – rund 71 000 – erforderten eine umfassende Sachverhaltsaufklärung. Es ist festzuhalten: Der MDK Rheinland-Pfalz hat auf die Sachverhaltsaufklärung durch das Ministerium und die öffentliche Debatte mit einer Klarstellung gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unter der Überschrift „Uneingeschränkte gutachterliche Entscheidungsfreiheit und Unabhängigkeit sind Grundlage aller Begutachtungen“ reagiert. Darin hat der MDK Rheinland-Pfalz klargestellt, dass die Entscheidung, einen Begutachtungsauftrag nach Aktenlage zu bearbeiten, nur von einer Gutachterin oder einem Gutachter getroffen werden könne. Die Gutachterinnen und Gutachter seien in ihren Entscheidungen uneingeschränkt frei und unabhängig . Ausschließlich fachliche, sozialmedizinische und pflegerische Aspekte seien für die Entscheidungen der Gutachterinnen und Gutachter ausschlaggebend. Der MDK verfüge über keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Grundsätze in der Vergangenheit oder der Gegenwart verletzt worden wären beziehungsweise verletzt würden. Alexander Schweitzer Staatsminister