Drucksache 16/4114 16. 10. 2014 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Thorsten Wehner und Wolfgang Schwarz (SPD) und A n t w o r t des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten Schäden im Weinanbau durch die Kirschessigfliege Die Kleine Anfrage 2658 vom 25. September 2014 hat folgenden Wortlaut: Die Gefahr von Schäden durch die Kirschessigfliege insbesondere für den Weinanbau ist in diesem Jahr in Rheinland-Pfalz außerordentlich hoch. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Wie schätzt die Landesregierung die aktuelle Bedrohungslage durch die Kirschessigfliege für den Weinanbau in Rheinland-Pfalz ein? 2. Welche Maßnahmen sind ergriffen worden, um gegen die drohenden Schäden durch die Kirschessigfliege im Weinanbau vorzu- gehen? 3. Welche Maßnahmen sind aus Sicht der Landesregierung notwendig, um Schäden durch die Kirschessigfliege für den Weinanbau in Rheinland-Pfalz nachhaltig zu verhindern? Das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten hat die Kleine Anfrage namens der Landes - regierung mit Schreiben vom 14. Oktober 2014 wie folgt beantwortet: Zu Frage 1: Die Kirschessigfliege (Drosophila suzukii) stammt ursprünglich aus Asien und hat sich seit ihrem Erstnachweis in Deutschland 2011 massiv in den wärmeren Regionen Südwestdeutschlands ausgebreitet. Die Art wird aufgrund ihres sehr breiten Wirtsspektrums als äußerst gefährlicher Schadorganismus eingestuft. Die Tiere erscheinen in Obst- und Rebanlagen mit Reifebeginn der Früchte. Im Gegensatz zur heimischen Schwarzbäuchigen Essigfliege (Drosophila melanogaster) greift die Kirsch essigfliege gesunde, in der Reife phase befindliche Früchte/Trauben an. Die Fruchthaut der Wirtsfrüchte wird mit dem sägeartigen Legeapparat der Weibchen zur Eiablage geöffnet, was innerhalb weniger Tage zu massiver Fäulnis führen kann. Aus der angeritzten Beere tritt Saft aus, der – je nach Reifegrad – erhebliche Mengen an Zucker enthält, es kommt zur Gärung und Essigbildung. Und zwar umso mehr, je mehr Zeit zwischen der Eiablage und der Ernte vergeht. Aufgrund ihrer kurzen Generationsfolgen und der hohen Eiablagerate ist das Schadpotenzial der Fliege äußerst hoch. Unbehandelte Kulturen werden innerhalb von wenigen Tagen stark geschädigt bis hin zu Totalausfällen der Ernte. Die Kirschessigfliege (KEF) trat 2014 wegen des sehr milden Winters 2013/2014 massiv auf und verursachte Schäden im Obst- und Weinbau. Die Ertragsausfälle bzw. die monetären Verluste der Obstbauern variieren, können nicht exakt abgeschätzt werden. Global werden die Ertragsverluste bei Kirschen in Rheinland-Pfalz auf etwa 30 % geschätzt, bei Himbeeren und Brombeeren auf ca. 30 bis 40 % und bei Johannisbeeren auf ca. 20 %. In Abhängigkeit von ergriffenen vorbeugenden Maßnahmen, der Terminierung der Insektizideinsätze und der Lese variieren die Ertragsverluste im Weinbau erheblich. Die Hauptlese ist abgeschlossen. Erste Schätzungen gehen davon, dass die Ertragsverluste bei den Rotweinsorten, hier vor allem bei Acolon, Cabernet Dorsa, Dornfelder, Dunkelfelder, Frühburgunder, Portugieser, St. Laurent und Regent, im Gesamtdurchschnitt von Rheinland-Pfalz bei ca. 15 % liegen dürften. Höhere Verluste von 25 bis 30 % werden von Dornfelder und Portugieser aus einzelnen Anbaugebieten berichtet. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 13. November 2014 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/4114 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode In diesem Herbst tritt verstärkt Fäulnis auf, wobei diese zum überwiegenden Teil nicht auf die KEF zurückzuführen ist. Der Großteil ist durch physiologische Gegebenheiten und Befall durch andere Schädlinge (Wespen-, Mäusefraß oder die normalen Tau- oder Essigfliegen) verursacht. Zu Frage 2: Die KEF kam nicht unerwartet. Der Pflanzenschutzdienst in Rheinland-Pfalz war auf ihr Auftreten vorbereitet. Bereits im Jahr 2012 wurde ein Forschungsprojekt zur Aufklärung biologischer und populationsdynamischer Grundlagen des Schädlings am DLR Rheinpfalz gestartet. Seit ihrem Erstauftreten in Rheinland-Pfalz 2012 wird die Fliege in einem umfangreichen Monitoring überwacht . Bereits im Winter 2013/2014 starteten die DLR ihre intensive Aufklärungs- und Beratungsarbeit im Obst- und Weinbau über die KEF. Im April 2014 wurde für den Weinbau vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) auf Initiative von Rheinland-Pfalz hin das Insektizid SpinTor gegen Drosophila-Arten zugelassen. SpinTor, mit dem Wirkstoff Spinosad, darf auch im ökologischen Landbau eingesetzt werden. Ferner wurde SpinTor bei verschiedenen Obstarten genehmigt. Mitte August wurde über Probleme mit der Versorgung der Praxis mit SpinTor berichtet. Das BVL wurde seitens des DLR Rheinpfalz gebeten, zügig Genehmigungen für den Parallelimport von Spinosad-Mitteln zu erteilen. Ab Ende Juli wurden von den DLR-Beratern intensive Weinbergkontrollen durchgeführt und an Risikostandorten Traubenproben entnommen und auf Eiablagen im Labor kontrolliert. Ab Befallsbeginn in den Rebanlagen informierten die DLR über Warndienstfax und telefonischen Auskunftgeber stets aktuell über die Befallslage und die umgehend zu ergreifenden Bekämpfungsmaßnahmen . Insgesamt wurden über 300 Meldungen herausgegeben. Zur Bekämpfung wurden vorbeugende Maßnahmen wie Entblätterung der Traubenzone und Kurzhalten des Unterwuchses empfohlen und zu rechtzeitigen Insektizid einsätzen geraten. Als weitere nicht chemische Maßnahme wird das Ausschneiden befallener Trauben und deren Entfernung aus den Weinbergen empfohlen (Senken des Befallsdrucks und Qualitätssicherung). Erfolgreich war diese Bekämpfungsstrategie, wenn sie zeitnah umgesetzt wurde. Der Grund dafür, dass der Befall unter Kontrolle gehalten und größere Schäden verhindert werden konnten, ist in der intensiven Beratungsarbeit der DLR und der weitgehenden Umsetzung der Beratungsempfehlungen durch die Winzer zu sehen. Durch den sehr intensiven Dialog zwischen der Praxis, den Verbänden und der Agrarverwaltung konnten größere Schäden vermieden werden. Zur Qualitätssicherung bei der Weinbereitung sind im Sinne der Winzer eine Reihe von Maßnahmen in die Wege geleitet worden, z. B. die Mindestmostgewichtsabsenkung für bestimmte Sorten bzw. die Möglichkeit der erhöhten Anreicherung und das versuchsweise Entfernen von flüchtiger Säure. Das Land hat alles sinnvoll Mögliche getan, um eine Bekämpfung der KEF zu ermöglichen und Ertrag und Qualität in unseren Weinbaugebieten zu sichern. Zu Frage 3: Fakt ist, dass die KEF sich bei uns etabliert hat und, zumindest in der Folge von milden Wintern, regelmäßig mit Massenauftreten zu rechnen ist. Hinsichtlich der vorläufigen Bekämpfungsstrategie für 2015 wird mit den anderen weinbautreibenden Bundesländern eine gemeinsame Auswertung der Situation 2014 und konkretere Absprachen über eine einheitliche Beratungsstrategie erfolgen . In einem Projekt am DLR Rheinpfalz, gefördert durch den Forschungsring des Deutschen Weinbaus, wurden bisher wichtige Fragestellungen zur Biologie sowie Ansätze zur Bekämpfung untersucht, da das Wissen über die Kirschessigfliege noch immer lückenhaft ist. Das Projekt läuft im Frühjahr 2015 aus. Es hat bisher sehr wichtige Ergebnisse geliefert, jedoch sind noch sehr viele Fragestellungen offen. Durch das Massenauftreten 2014 haben sich neue Aspekte ergeben. Aus heutiger Sicht müssen folgende Fragestellungen in der Forschung vorrangig bearbeitet werden: – Untersuchungen zur Lebensweise und Dispersion der KEF unter unseren klimatischen Bedingungen, – Flächenmanagement (Kulturführung am Rebstock, wie Entlaubung Traubenzone und Traubenauflockerung, Einflüsse der Bodenpflege und -bearbeitung), – Wechselbeziehungen/Vergesellschaftung Drosophila suzukii und Drosophila melanogaster sowie anderer Drosophila-Arten, – Forschung über effizientere Methoden zur Ermittlung des Befallbeginns, – Erarbeitung von Schadensschwellen, – Optimierung von Regulations- bzw. Bekämpfungsansätzen, – Erfassung des Nützlingsspektrums und Möglichkeiten der Förderung/Etablierung von Antagonisten. 2 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/4114 Die Forschungsaktivitäten zum Schließen der Wissenslücken müssen fortgesetzt und versucht werden, selektive und umweltschonende Bekämpfungsverfahren zu entwickeln. Die Finanzierung befindet sich noch in der Klärung. Nach Vorliegen der Ergebnisse kann die Bekämpfungsstrategie optimiert werden. Kurzfristig ist die intensive Monitoring- und Beratungsarbeit durch die DLR fortzuführen, um eine höhere Sensibilisierung der Winzer und Obstbauer für die KEF-Problematik und eine stringentere Umsetzung der Beratungsempfehlungen zu erreichen. Ulrike Höfken Staatsministerin 3