Drucksache 16/4122 16. 10. 2014 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Bettina Dickes und Matthias Lammert (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur Umgang mit radikalisierten islamischen Schülern Die Kleine Anfrage 2662 vom 25. September 2014 hat folgenden Wortlaut: Jüngsten Berichten zufolge sinkt das Alter, in dem sich islamische Schüler radikalisieren bzw. Schüler sich erstmals dem Islam – in islamistischer Ausprägung – zuwenden. Zugleich rücken Schulen zunehmend in den Fokus islamistischer Vereinigungen. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Wie bewertet die Landesregierung die Problematik des Islamismus an Schulen? 2. Existiert in Rheinland-Pfalz eine Handlungsanweisung, wie Schulleitungen und Lehrkräfte mit islamistischen Tendenzen im schulischen Alltag umzugehen haben? 3. Plant die Landesregierung vor dem Hintergrund dieser neuen Herausforderungen eine Überarbeitung des Leitfadens zum Um- gang mit muslimischen Schülern? 4. Kann die Landesregierung ausschließen, dass Rheinland-Pfälzer, die in Syrien und Irak aufseiten der IS kämpfen, nach ihrer Rück- kehr noch im schulpflichtigen Alter sind? Das Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 15. Oktober 2014 wie folgt beantwortet: Zu den Fragen 1 und 2: Es ist eines der wichtigsten Ziele unseres Bildungssystems, junge Menschen zu mündigen Bürgerinnen und Bürgern zu erziehen. Die Schule hat den Auftrag, sie zum gewaltfreien Zusammenleben und zur verpflichtenden Idee der Völkerverständigung anzuleiten. Der Landesregierung ist bewusst, dass gerade junge Menschen, deren Persönlichkeit sich noch entwickelt, unter bestimmten Bedingungen empfänglich für extremistisches oder fundamentalistisches Gedankengut sein können. Dies gilt für demokratiefeindliches Gedankengut jeder Art – unabhängig von einer bestimmten politischen Gesinnung oder Religion. Genauso wie beim Thema „Gewalt“ oder beim Thema „Politischer Extremismus“ setzt die Landesregierung auch beim Thema Islamismus auf Prävention. Da alle diese Strömungen und die Aktionen, die daraus erwachsen können, ihre Wurzeln auch in der Persönlichkeitsentwicklung der betroffenen Jugendlichen haben, zielt die Primärprävention auf die Persönlichkeitsentwicklung. Seit vielen Jahren werden in verschiedenen Programmen, z. B. „Ich und Du und Wir“ (IDW), „Programm zur Primärprävention“ (ProPP) und „Prävention im Team“ (PiT) landesweite und regionale Angebote vorgehalten. Die Primärprävention orientiert sich an den von der Weltgesundheitsorganisation benannten Faktoren der psychischen Gesundheit. Diese sind unter anderem kritisches Denken, positives Selbstwertgefühl, Entscheidungsfähigkeit, Fähigkeit zur Selbst- und Fremdwahrnehmung, Umgang mit Gruppendruck und andere mehr. Inhaltlich geht es bei diesen Programmen vorrangig darum, die Person zu stärken, soziale Kompetenzen zu fördern sowie allgemein gültige Normen und Werte zu vermitteln. Dabei spielen die Förderung konstruktiver Kommunikation und Kooperation sowie die Vermittlung von Strategien zur Konfliktbewältigung eine zentrale Rolle. Zusätzlich zu der präventiven Wirkung, die solche Programme gegenüber weltanschaulich begründetem Extremismus entfalten, kommt bei der Prävention gegenüber Islamismus auch dem Unterricht, in dem aktuelle Fragestellungen behandelt werden, eine wichtige Rolle zu. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 10. November 2014 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/4122 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Bei der Bekämpfung von extremistischen Haltungen ist die Demokratieerziehung an Schulen besonders hervorzuheben. Schulen, die Schülerinnen und Schüler beteiligen, sorgen für eine schulische Kultur der Wertschätzung, vermitteln demokratische Handlungskompetenzen , geben einen Einblick in die Demokratie als Lebensform und leisten damit einen bedeutenden Beitrag zur Prävention von Extremismus (z. B. das Programm „Demokratie lernen und leben in Rheinland-Pfalz“ sowie das Schulentwicklungsprojekt „Schulische Lern- und Lebenswelten“). Zudem werden im Rahmen aller Religionsunterrichte die Identitätsbildung und die religiöse Selbstbestimmung der Schülerinnen und Schüler unterstützt und der Prozess der Verständigung mit anderen religiösen und weltanschaulichen Positionen gefördert. Diesen Zielen ist auch der islamische Religionsunterricht verpflichtet. Die Beschäftigung mit dem Phänomen „Islamismus“ birgt immer auch die Gefahr der „Muslimfeindlichkeit“. Insofern muss Prävention gegenüber jedwedem Extremismus darauf abstellen, Demokratie erlebbar und als Wert erkennbar zu machen, gerade junge Menschen in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu unterstützen und ihnen kommunikative und interkulturelle Kompetenzen zu vermitteln. Daneben muss bei Fragen des Islamismus selbstredend ein Mindestmaß an Wissen über den Islam vorhanden sein. Dieser Aufgabe nimmt sich auch die Landeszentrale für politische Bildung an und hält entsprechende Fortbildungen zum Islam und Argumentationstrainings gegen Vorurteile und Rassismus vor. Auch in der Lehrerbildung ist das Thema im Fokus. Sowohl im Studium als auch im Vorbereitungsdienst erwerben angehende Lehrkräfte Qualifikationen und Kompetenzen mit Blick auf Werte-, Friedens- und Menschenrechtserziehung, Toleranz und den Umgang mit Konflikten und radikalem oder extremistisch-fundamentalistischem Gedankengut. Sie können zudem auf umfangreiche Materialien , beispielsweise aus den Zentralen für politische Bildung auf Bundes- und Landesebene, zurückgreifen. Allgemein gilt, dass trotz aller Bemühungen Krisensituationen in Schulen nie auszuschließen sind. Schulen müssen darauf vorbereitet sein, dass in einer solchen Situation Schulleitung und Lehrkräfte gezielt und gleichermaßen zügig wie reflektiert handeln. Daher ist es Aufgabe aller Schulen, präventiv Handlungspläne zu entwickeln und ein lokales Netzwerk aus Lehrkräften und schulexternen Personen aufzubauen, das im Krisenfall rasch aktiviert werden kann. Schulpsychologinnen und Schulpsychologen beraten beim Aufbau des schulinternen Krisenteams. Sie binden je nach Bedarf Kolleginnen und Kollegen mit spezifischen Qualifikationen und andere Institutionen mit ein. Die „Handreichung für den Umgang mit Krisensituationen an Schulen“ bietet darüber hinaus Schulen Hinweise zur Krisenprävention und zur Intervention in Krisen aus psychologischer, organisatorischer und rechtlicher Sicht. Alle diese Maßnahmen und Hinweise gelten auch für den Umgang mit Islamismus. Eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe des Pädagogischen Landesinstituts unter Federführung der landesweiten Koordination Krisenberatung unterstützt Schulen nachfrageorientiert. Hier sind auch die Angebote zu Demokratielernen und Gewaltprävention sowie Extremismusprävention zu nennen. Der Landesregierung liegen derzeit keine Informationen über durch Islamismus verursachte Probleme an rheinland-pfälzischen Schulen vor. Dennoch wird die Gefahr, die von islamistischen Strömungen in Schulen ausgehen könnte, ernst genommen. Zu Frage 3: Der Leitfaden zum Umgang mit muslimischen Kindern und Jugendlichen in der Schule soll als kurze, praktische Handlungsanweisung für einen von Verständnis und gegenseitigem Respekt geprägten Schulalltag dienen. Es geht darin z. B. um Fragen der Gestaltung von Unterricht (z. B. koedukativer Sport- und Schwimmunterricht, Sexualerziehung) oder die Durchführung von Schulfahrten . Die Landesregierung hält daher das Faltblatt zum Umgang mit muslimischen Kindern und Jugendlichen in der Schule nicht für das geeignete Medium zur Auseinandersetzung mit dem Islamismus. Zu Frage 4: Nein. Im Hinblick auf die derzeit nicht absehbare Lösung der bewaffneten Konflikte im Mittleren und Nahen Osten prüfen das Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur und das Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur, ob und ggf. welche Schritte erforderlich sind, um eine etwaige islamistische Betätigung nach Rheinland-Pfalz zurückkehrender Schülerinnen und Schüler zu verhindern und darüber hinaus die Sicherheit der Schulgemeinschaft zu gewährleisten. In Vertretung: Hans Beckmann Staatssekretär