Drucksache 16/4124 16. 10. 2014 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Bettina Dickes und Martin Brandl (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur Jüngste Äußerungen der Ministerpräsidentin zum Thema Inklusion Die Kleine Anfrage 2666 vom 25. September 2014 hat folgenden Wortlaut: Wir fragen die Landesregierung: 1. Ist die Landesregierung der Meinung, dass sich die Gymnasien für geistig behinderte Schüler öffnen müssen? 2. Stimmt die Landesregierung zu, dass die Aufnahme geistig behinderter Schüler an Gymnasium die Abschaffung des zielgleichen Unterrichts, allgemein verbindlicher Lehrpläne sowie die Aussetzung der Benotung bzw. der Klassenwiederholung zur Voraussetzung macht? 3. Wie ist es zu verstehen, dass die Landesregierung eine Kostenbeteiligung des Bundes bei der Inklusion fordert und Frau Dreyer Inklusion als einen „riesigen finanziellen Kraftakt“ bezeichnet, gleichzeitig jedoch bei der Kostenrechnung für die zugehörige Schulgesetznovelle mit keinen zusätzlichen Kosten über die bereits veranschlagten Ausgabentitel des Landeshaushaltes rechnet? 4. Wenn Ministerpräsidentin Dreyer die schulische Inklusion als einen „riesigen finanziellen Kraftakt“ bezeichnet, mit welchen aufwachsenden Kosten rechnet die Landesregierung in den kommenden vier Jahren unter der Annahme einer Steigerung der Inklusionsquote wie in den vergangenen vier Jahren? Das Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 16. Oktober 2014 wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Mit der Verabschiedung der Behindertenrechtskonvention haben die Vereinten Nationen eine eindeutige Richtung für die Politik für und mit Menschen mit Behinderung vorgegeben, in deren Mittelpunkt Gleichstellung, Selbstbestimmung und Teilhabe stehen. Die Konvention enthält Regelungen für alle Lebensbereiche und bindet Bund, Länder und Gemeinden. Die rheinland-pfälzische Landesregierung setzt die Konvention mithilfe eines Aktions plans um. In diesem Aktionsplan sind insgesamt zehn Handlungsfelder genannt, darunter Arbeit, Wohnen, Kultur, Gesundheit, Mobilität, aber auch Erziehung und Bildung. Dementsprechend wurde im Schulgesetz (SchulG) der Auftrag für alle Schulen aufgenommen, bei der Entwicklung eines inklusiven Schulsystems mitzuwirken (§ 1 Abs. 2 Satz 4). Die Schulen sind verpflichtet, ihren Beitrag zu leisten, optimale Teilhabemöglichkeiten für ihre Schülerinnen und Schüler zu schaffen und jedem Kind in seiner individuellen Lern- und Lebenssituation die Möglichkeit zu geben, seine Fähigkeiten zu entfalten. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu Frage 1: Es ist vorrangig Aufgabe der Schwerpunktschulen, inklusiven Unterricht anzubieten. Schwerpunktschulen sind nach § 14 a SchulG Schulen, die auf Dauer damit beauftragt sind, Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf in allen Förderschwerpunkten gemeinsam mit anderen Schülerinnen und Schülern zu unterrichten. Bislang haben vor allem Grundschulen, Realschulen plus und Integrierte Gesamtschulen in öffentlicher und privater Trägerschaft den Auftrag als Schwerpunktschulen übernommen . Auch Gymnasien können Schwerpunktschulen werden. Die Landesregierung legt großen Wert darauf, dass sich dieser Prozess aus der Schule heraus entwickelt. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 13. November 2014 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/4124 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Zu Frage 2: Der zielgleiche Unterricht wird nicht abgeschafft. Selbstverständlich gelten an Schwerpunktschulen die allgemein verbindlichen Lehrpläne und Regelungen zur Benotung und Klassenwiederholung. An den Schwerpunktschulen findet daneben zieldifferenter Unterricht statt. Den zieldifferenten Unterricht besuchen auch Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf im Förderschwerpunkt ganzheitliche Entwicklung. Zu Frage 3: In der Tat ist die Inklusion für alle Beteiligten ein finanzieller Kraftakt. Seit 2004 erscheint der Landesbericht zur Lage der behinderten Menschen und über die Umsetzung des Landesgesetzes zur Herstellung gleichwertiger Lebensbedingungen für Menschen mit Behinderungen in Rheinland-Pfalz in zweijährigem Turnus, dem die vielfältigen Aktivitäten und zur Verfügung gestellten Mittel entnommen werden können. Aktuell liegt der fünfte Bericht der Landesregierung vom 25. September 2013 vor (Drucksache 16/2805). Im Bereich der schulischen Inklusion ist auf die 710 Vollzeitlehrerstellen hinzuweisen, die bereits heute zur Verfügung stehen. Für den weiteren Ausbau von 2012 bis 2016 sind 200 Vollzeitlehrerstellen in der Personalplanung vorgesehen. Die Kommunen machen auf die finanzielle Belastung im Bereich der Integrationshelferinnen und -helfer aufmerksam. Ein stärkeres Engagement des Bundes – wie auch in der Stellungnahme des Bundesrates vom 19. September 2014 zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 91 b) gefordert – würde Länder und Kommunen bei der Umsetzung der Inklusion unterstützen und helfen, die Rahmenbedingungen weiter zu verbessern. Zu Frage 4: Frau Ministerpräsidentin Malu Dreyer bezog sich in ihrer Äußerung im Interview mit dem Tagesspiegel vom 23. September 2014 auf die Vielfalt der im Zusammenhang mit der Inklusion bedeutsamen Aufgabenbereiche in der Bundesrepublik. Für die schulische Inklusion geht die Landesregierung von den in der Antwort auf die Frage 3 genannten Stellenbedarfen aus. Der Landtag hat mit der Beschlussfassung des SchulG im § 109 b einen Unterstützungsfonds geschaffen, mit dem auf der Grundlage einer angestrebten Vereinbarung mit den kommunalen Spitzenverbänden die Gemeinden und Gemeindeverbände durch das Land bei der Wahrnehmung von inklusiv-sozialintegrativen Aufgaben ab dem 1. Januar 2015 mit 10 Mio. Euro jährlich unterstützt werden. Doris Ahnen Staatsministerin