Drucksache 16/4139 22. 10. 2014 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Kathrin Anklam-Trapp und Carsten Pörksen (SPD) und A n t w o r t des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie Kinder- und Jugendreha in Rheinland-Pfalz Die Kleine Anfrage 2703 vom 2. Oktober 2014 hat folgenden Wortlaut: Laut Presse sind seit längerer Zeit allgemein Rückgänge der genehmigten Kinder- und Jugendrehaanträge zu verzeichnen. Dies führt zu erheblichen Problemen bei den Reha-Kliniken im gesamten Bundesgebiet, auch in Rheinland-Pfalz. Zur Begründung wird teilweise darauf verwiesen, dass die Krankenkassen nur sehr zögerlich bei der Bewilligung agieren, verbunden mit dem Vermerk, die Zuständigkeit den Rentenversicherungsträgern zu Kosten der Betroffenen zuzuschieben. Einige Krankenkassen kommen damit ihrem gesetzlichem Auftrag zur Durchführung von Kinder- und Jugendreha nur eingeschränkt nach. Darüber hinaus wird über den hohen bürokratischen Aufwand bei den Ärzten geklagt. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Wie hat sich die Anzahl betroffener Kinder und Jugendlicher in Rheinland-Pfalz in den letzten zehn Jahren entwickelt? 2. Wie hat sich die Zahl der Anträge sowie der Genehmigungen im Bereich der Kinder und Jugendrehabilitation in den letzten zehn Jahren entwickelt? 3. Wie gestaltet sich die Genehmigung von Begleitpersonen bei unter 12-Jährigen bzw. die Bewilligungspraxis bei den Rentenver- sicherungsträgern? 4. Trifft es zu, dass bezüglich der Bewilligungsverfahren, insbesondere bei der Antragstellung, ein hoher bürokratischer Aufwand betrieben werden muss? Das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 21. Oktober 2014 wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Nach dem Sozialgesetzbuch – Fünftes Buch (Gesetzliche Krankenversicherung) erbringen die gesetzlichen Krankenkassen stationäre Rehabilitationsleistungen für Kinder und Jugendliche, um einer drohenden Behinderung vorzubeugen, sie nach Eintritt zu beseitigen , zu bessern oder eine Verschlimmerung zu verhüten. Die medizinische Rehabilitation schließt die Krankenbehandlung mit dem Ziel ein, eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach dem Sozialgesetzbuch – Sechstes Buch (Gesetzliche Rentenversicherung) können die Rentenversicherungsträger für Kinder von Versicherten, Beziehern einer Rente wegen Alters, wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder für Bezieher einer Waisenrente im Bedarfsfall ebenfalls stationäre Heilbehandlungen erbringen, wenn hierdurch voraussichtlich eine erhebliche Gefährdung der Gesundheit beseitigt oder eine beeinträchtigte Gesundheit wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann und dies Einfluss auf die spätere Erwerbsfähigkeit haben kann. Einen gesetzlichen Vorrang für die Zuständigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung oder der gesetzlichen Rentenversicherung gibt es nicht, die Zuständigkeiten sind vielmehr gleichrangig zueinander angesiedelt. Während das Gesetz jedoch die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung bindend verpflichtet, eine entsprechende Leistung bei Vorliegen der Voraussetzungen zu bewilligen , entscheidet die gesetzliche Rentenversicherung nach pflichtgemäßem Ermessen („Kann-Vorschrift“). Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 25. November 2014 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/4139 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Der Träger, bei dem der Antrag auf Leistungen zur Teilhabe eingeht, stellt innerhalb von zwei Wochen fest, ob er nach dem für ihn geltenden Recht für die Leistung zuständig ist. Nur wenn er feststellt, dass er unzuständig ist, leitet er den Antrag an den zuständigen Träger weiter (§ 14 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen). Wenn der zuerst angegangene Träger zuständig ist, darf er die Antragsteller also nicht auf die (alternative) Zuständigkeit eines anderen Trägers verweisen. Anträge auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation können unter anderem bei den gesetzlichen Krankenkassen und bei der gesetzlichen Rentenversicherung aufgenommen werden. Sofern die gesetzlichen Krankenkassen von den Versicherten zur Antrags - aufnahme beansprucht werden, ist es deshalb theoretisch möglich, dass diese bei der Antragsaufnahme gezielt darauf hinwirken, den Erst-Antrag nicht bei der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern bei der gesetzlichen Rentenversicherung zu stellen. Umgekehrt ist es theoretisch ebenfalls möglich, dass die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung gezielt darauf hinwirken, den ErstAntrag bei der gesetzlichen Krankenversicherung zu stellen. Der im Vorspann der Anfrage angesprochene Rückgang der bewilligten Leistungen seit einigen Jahren kann grundsätzlich bestätigt werden. Dieser geht mit einem deutlich ausgeprägten Antragsrückgang einher. Als Ursache für den feststellbaren Antragsrückgang kommt unter anderem der demografisch bedingte Rückgang der jüngeren Alterskohorten in Betracht, dem jedoch eine zunehmende Rehabilitationsbedürftigkeit gegenüberzustellen ist. So liefert die LangzeitStudie des Robert-Koch-Instituts zur gesundheitlichen Lage der Kinder und Jugendlichen in Deutschland Anhaltspunkte, dass chronische Erkrankungen und psychische Auffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen zunehmen. Dass der Rückgang der bewilligten Maßnahmen durch eine von den gesetzlichen Krankenkassen gesteuerte Verschiebung der Zustän - digkeit in Richtung Rentenversicherung verursacht worden wäre, kann nicht bestätigt werden. Wie die Antwort zu Frage 2 zeigt, ist bei der gesetzlichen Rentenversicherung der Antragseingang nämlich rückläufig gewesen. Für eine gezielte Verschiebung der Zuständigkeit von der gesetzlichen Rentenversicherung an die gesetzliche Krankenversicherung liegen ebenfalls keine Hinweise vor. Zu 1.: Zur Inanspruchnahme von medizinischen Leistungen zur Teilhabe für Kinder und Jugendliche in Rheinland-Pfalz weist die Statistik der gesetzlichen Rentenversicherung seit dem Jahr 2005 die Anzahl der abgeschlossenen Maßnahmen für Kinder und Jugendliche mit Wohnort in Rheinland-Pfalz aus, darüber hinaus auch die Anzahl der abgeschlossenen Maßnahmen, die in Einrichtungen in Rheinland-Pfalz durchgeführt worden sind. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation für Kinder und Jugendliche durch die gesetzliche Rentenversicherung nach Wohnort der Rehabilitanden sowie nach Ort der Leistung 2 Entsprechende Angaben zur Antragsentwicklung sind für Rheinland-Pfalz nicht vorhanden. Für die stationären Reha-Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen an Kinder und Jugendliche liegen aufgrund der heterogenen Krankenkassenstruktur, bestehend aus bundes- und landesunmittelbaren Krankenkassen, keine länderspezifischen Daten vor. Insofern kann nur auf die Daten der AOK Rheinland-Pfalz/Saarland zurückgegriffen werden, welche aufgrund von technischen Rahmenbedingungen erst ab dem Jahr 2010 erhoben werden. Diese Daten sind jedoch nicht repräsentativ für alle gesetzlich Krankenversicherten in Rheinland-Pfalz. Maßnahmen für Maßnahmen in Rehabilitanden aus Rheinland-Pfalz rheinland-pfälzischen Einrichtungen 2005 1 993 3 900 2006 1 867 3 758 2007 1 981 3 768 2008 2 040 3 997 2009 1 783 3 735 2010 1 511 3 556 2011 1 305 3 354 2012 1 503 3 231 2013 1 625 3 348 Quelle: Statistik der Deutschen Rentenversicherung, Rehabilitation, Tabellen 2.01 M und 2.02 M, herausgegeben von der Deutschen Rentenversicherung Bund, verschiedene Jahrgänge, Angaben der Deutschen Rentenversicherung Rheinland-Pfalz sowie eigene Berechnungen. Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/4139 Bei der AOK Rheinland-Pfalz/Saarland ist bezogen auf Rheinland-Pfalz folgende Entwicklung eingetreten: Anträge und bewilligte Maßnahmen der stationären Rehabilitation für Kinder und Jugendliche bei der AOK Rheinland-Pfalz/Saarland in Rheinland-Pfalz 3 2010 2011 2012 2013 2014 (erstes Halbjahr) Anträge gesamt 478 367 354 338 175 davon genehmigt 186 223 221 212 101 Quelle: AOK Rheinland-Pfalz/Saarland; Stationäre Rehabilitationsmaßnahmen (§ 40 SGB V) für den Bestand Rheinland-Pfalz für Kinder und Jugendliche bis 27 Jahre. Zu 2.: Die Antragsentwicklung für Leistungen der medizinischen Rehabilitation bei Kindern und Jugendlichen sowie die Entwicklung der bewilligten und abgeschlossenen Maßnahmen stellt sich in Bezug auf die gesetzliche Rentenversicherung insgesamt wie folgt dar: Anträge auf Kinderrehabilitation, bewilligte und abgeschlossene Leistungen der Kinderrehabilitation der gesetzlichen Rentenversicherung, alle Rentenversicherungsträger Jahr Anträge bewilligte Leistungen abgeschlossene Leistungen 2003 73 190 42 476 37 846 2004 70 799 40 212 37 276 2005 75 636 41 286 36 759 2006 80 143 41 484 36 443 2007 85 166 42 945 37 498 2008 84 211 43 597 37 568 2009 81 048 42 494 36 254 2010 78 538 37 103 34 223 2011 72 183 36 258 30 919 2012 67 207 36 850 32 103 2013 61 137 34 662 30 812 Quelle: Rentenversicherung in Zeitreihen 2013, herausgegeben von der Deutschen Rentenversicherung Bund; Zahlen für 2013: Statistik der Deutschen Rentenversicherung; Band 199, Rehabilitation 2013; Tabelle 1.00 M; herausgegeben von der Deutschen Rentenversicherung Bund; Angaben der Deutschen Rentenversicherung Rheinland-Pfalz. Die amtliche Statistik der gesetzlichen Krankenversicherung zu Rehabilitationsmaßnahmen nach § 40 SGB V (Statistik KG 5) sieht erstmals seit dem Jahre 2014 eine Differenzierung nach Erwachsenen und Kindern/Jugendlichen vor. Diese Daten werden erstmalig im Jahre 2015 zur Verfügung stehen. Zu 3.: Das Alter der Kinder, die regelhaft begleitet werden können, wurde auf das vollendete achte Lebensjahr angehoben. Die Einzelhei - ten der Unterbringung einer Begleitperson im Rahmen der Durchführung von Kinderrehabilitationen zulasten der Rentenversicherung sind in einer Richtlinie der Rentenversicherung geregelt. Bei der Entscheidung über die Frage der Unterbringung einer Begleitperson steht danach die Rehabilitationsbedürftigkeit des Kindes im Mittelpunkt. In der Regel kommt die Begleitung nur durch eine Person in Frage. Bei Kindern bis zum vollendeten achten Lebensjahr besteht grundsätzlich die Möglichkeit der Begleitung, soweit dies aufgrund der Erkrankung bzw. des Verlaufs der Erkrankung nicht kontraindiziert ist. Drucksache 16/4139 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Bei Kindern nach dem vollendeten achten Lebensjahr besteht ebenfalls die Möglichkeit der Begleitung, soweit dies medizinisch notwendig ist. Dies gilt insbesondere bei Kindern mit den Indikationen Diabetes mellitus und Skoliose bis zum vollendeten zehnten Lebensjahr, wenn es sich um eine Erstmaßnahme handelt, sowie regelhaft bei Kindern mit Mukoviszidose, onkologischen und kardiologischen Erkrankungen und wenn das Kind selbst sich nicht artikulieren kann (Vermittlerrolle der Begleitperson). Die Unterbringung wird von der Rentenversicherung außerdem bewilligt, wenn bei behinderten Kindern die unterstützende Hilfe der Begleitperson zur Erreichung des Rehabilitationsziels erforderlich ist. Mangelnde Gruppenfähigkeit des Kindes ist keine Indikation für die Bewilligung einer Begleitperson. Im Einzelfall kann indikationsbezogen auch eine zeitweise Begleitung in Betracht kommen. Zu 4.: In den Rehabilitations-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) ist das Antragsverfahren für die gesetzlichen Krankenkassen beschrieben. Nach § 6 der Richtlinie ist das Verfahren zweistufig aufgebaut und beinhaltet Folgendes: Ergibt sich aus dem Beratungsgespräch, dass Leistungen zur medizinischen Rehabilitation notwendig sein können und die Versicherte oder der Versicherte diese in Anspruch nehmen will, teilt die Vertragsärztin oder der Vertragsarzt dies der Krankenkasse mit dem Vordruck Muster 60 „Einleitung von Leistungen zur Rehabilitation oder alternativen Angeboten“ mit. Die Krankenkasse prüft nach Eingang dieser Mitteilung ihre Zuständigkeit und ob Gründe einer Leistung zur medizinischen Reha - bilitation entgegenstehen. Sie unterstützt die Versicherten bei der Antragstellung. Sie fordert die Vertragsärztin oder den Vertragsarzt auf, die medizinische Indikation zu prüfen und bei deren Vorliegen eine Verordnung auszustellen. Die Vertragsärztin oder der Vertragsarzt verordnet mit Zustimmung der Versicherten die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation auf dem Vordruck Muster 61 „Verordnung von medizinischer Rehabilitation“, der der Vertragsärztin oder dem Vertragsarzt von der Krankenkasse zur Verfügung gestellt wird. Dieses Verfahren ist umfangreich, hat sich aber in der Praxis bewährt, zumal die gesetzlichen Krankenkassen dazu verpflichtet sind, die Versicherten bei der Antragstellung zu unterstützen. Eine Rehabilitationsmaßnahme durch die gesetzliche Rentenversicherung kann jede Ärztin oder jeder Arzt anregen und den dazu gehörenden Befundbericht erstellen. Die für die Beantragung erforderlichen bundeseinheitlichen Formulare sind bei den gemeinsamen Servicestellen für Rehabilitation sowie bei den Rentenversicherungsträgern erhältlich. Sie sind auch im Internet abrufbar. Um den Zugang weiter zu erleichtern, hat die Rentenversicherung den bundeseinheitlichen Antrag (Formular G200) grundlegend überarbeitet sowie den ärztlichen Befundbericht (Formular G612) und die dazugehörigen Informationen (Formular G611) bundes - weit vereinheitlicht. Zur weiteren Optimierung des Zugangs wurden darüber hinaus eine Reihe zusätzlicher Maßnahmen ergriffen mit dem Ziel, Ärzte und Öffentlichkeit aufzuklären. Darüber hinaus wirkt die Deutsche Rentenversicherung auch auf die Bundes - politik ein, um eine sachgerechte Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendlichenrehabilitation zu initiieren. Alexander Schweitzer Staatsminister 4