Drucksache 16/4205 06. 11. 2014 K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Martin Brandl (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung Haltung der Landesregierung zu TTIP (Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft) Die Kleine Anfrage 2743 vom 14. Oktober 2014 hat folgenden Wortlaut: Ich frage die Landesregierung: 1. Wie steht die Landesregierung zu TTIP? 2. Welche Chancen sieht die Landesregierung für Rheinland-Pfalz in TTIP? 3. Welche Risiken sieht die Landesregierung für Rheinland-Pfalz in TTIP? 4. Wie beurteilt die Landesregierung die aktuelle Formierung eines Bündnisses gegen TTIP? 5. Welche Alternativen sieht die Landesregierung internationale Standards im europäischen Sinne zu setzen? Das Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 5. November 2014 wie folgt beantwortet: Zu Frage 1: Die Debatte um das Transatlantische Handels- und Investitionsabkommen (TTIP) zwischen der EU und den USA hat in den letzten Monaten sehr viel Aufmerksamkeit erhalten. Für Rheinland-Pfalz ist die Intensivierung der transatlantischen Handels- und Investitionsbeziehungen von großer wirtschaftlicher Bedeutung, gerade mit Blick auf Exportchancen. Mit einer Exportquote von 54 % liegt Rheinland-Pfalz über dem Bundesdurchschnitt. Diese ausgeprägte Exportorientierung der hauptsächlich mittelständig gepräg - ten Wirtschaft wird die Landesregierung auch weiterhin aktiv unterstützen. Dies darf aber keinesfalls dazu führen, dass Standards etwa im Gesundheits-, Verbraucher- und Umweltschutz abgesenkt werden oder die kultur- und medienpolitische Handlungsfähigkeit der Länder und Mitgliedstaaten in der EU beeinträchtigt wird. Die rheinland-pfälzische Landesregierung bringt sich deshalb konstruktiv in die Debatte ein, z. B. über Initiativen im Bundesrat oder über Gespräche mit der EU-Kommission, Mitgliedern des Europäischen Parlaments sowie Repräsentanten der USA. Eine abschließende Gesamtbewertung wird am Ende der Verhandlungen zu treffen sein. Zu Frage 2: Die USA sind wichtigster Handelspartner der Bundesrepublik Deutschland außerhalb der EU. Für die rheinland-pfälzische Wirtschaft ist die USA mit knapp 10 % aller Exporte das zweitwichtigste Ausfuhrland nach Frankreich. Deutschland ist der wichtigste Wirtschaftspartner der USA in Europa. Die deutschen Importe aus USA summierten sich im Jahr 2013 auf 50 Milliarden Euro. Fast ein Viertel davon sind chemische Erzeugnisse, gefolgt von Maschinen und Fahrzeugen. Deutschland und die USA sind füreinander ebenso wichtige Investitionsstandorte: Das bilaterale Investitionsvolumen belief sich Ende 2012 auf 250 Milliarden Euro. Im Jahr 2013 siedelten sich in Deutschland 179 US-Firmen neu an, so viele wie aus keinem anderen Land. Derzeit sind mehr als 6 000 amerikanische Firmen in Deutschland ansässig. Sie sichern 700 000 Arbeitsplätze. In den USA sind 3 400 deutsche Unternehmen mit 570 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aktiv. Grundsätzlich ist eine Intensivierung der transatlantischen Handels- und Investitionsbeziehungen positiv zu bewerten. Die Landesregierung sieht in dem geplanten Freihandelsabkommen Möglichkeiten für die wirtschaftliche Entwicklung, wie z. B. durch die Angleichung von Normen sowie Handelserleichterungen durch den Abbau von Handelshemmnissen und Industriezöllen. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 4. Dezember 2014 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/4205 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Zu Frage 3: Ein mögliches Freihandelsabkommen birgt aber auch Risiken und Herausforderungen. Es muss verhindert werden, dass durch ein Freihandelsabkommen in demokratischen Entscheidungsprozessen getroffene bisherige und zukünftige Rechtssetzungen und Standards in Frage gestellt werden. Dies gilt insbesondere für folgende Bereiche: – Die hohen europäischen Standards im Umwelt-, Gesundheits-, Tier- und Verbraucherschutzbereich müssen erhalten bleiben. Dies betrifft insbesondere auch die bestehenden Regelungen im Bereich gentechnisch veränderter Lebensmittel und weitere Bereiche zur Lebensmittelsicherheit. Besonders gilt dies für das Vorsorgeprinzip, aber auch für branchen- und sektorspezifische Regelungen. – Die Erhaltung der hohen Arbeits- und Sozialstandards in Europa darf nicht zur Disposition stehen. – Kulturdienstleistungen müssen von einer Liberalisierung, die über die bereits im Rahmen des GATS-Abkommens eingegangenen Verpflichtungen hinausgehen, ausgenommen werden. – Die öffentliche Daseinsvorsorge ist von Liberalisierungsverpflichtungen auszunehmen. Dies betrifft eine weite Palette von Bereichen , die von der Wasser- und Elektrizitätsversorgung über Gesundheitsdienstleistungen bis zu den Sparkassen reicht. – Eine Handelserleichterung in der Agrarwirtschaft darf die Multifunktionalität der Landwirtschaft nicht gefährden. – Im Bereich Öffentliches Beschaffungswesen sind die Standards mit Blick auf das öffentliche Auftrags- und Beschaffungswesen zu erhalten, wie sie in Rheinland-Pfalz in der Verwaltungsvorschrift zur sozial und ökologisch nachhaltigen Beschaffung vom 24. April 2014 verankert sind. – Ein Investor-Staat-Streitschlichtungsverfahren (Investor State Dispute Settlement, ISDS) zwischen den USA und der EU ist nicht notwendig. Die unabhängige Justiz sorgt bereits für einen umfassenden effektiven Rechtsschutz. Im Übrigen sollte das Allgemeine Streitschlichtungsverfahren des TTIP-Abkommens gelten. Vor diesem Hintergrund begrüßt die Landesregierung die Positionierung des Bundeswirtschafts- und des Bundesjustizministeriums, dass Investor-Staat-Schiedsverfahren abzulehnen. Die Landesregierung lehnt eine Informationspflicht zwischen der EU-Kommission und den USA über geplante Gesetzes- und Regu - lierungsinitiativen (Regulatorische Kohärenz) ab. – Die Transparenz in den Verhandlungen muss wesentlich verbessert werden. Insbesondere müssen die konsolidierten Verhandlungstexte zugänglich gemacht werden. Ziel der Landesregierung ist es, die Chancen für die rheinland-pfälzische Wirtschaft zu nutzen. Die Landesregierung hat sich frühzeitig im Bundesrat, in Ministerkonferenzen sowie gegenüber den europäischen Institutionen zum Thema TTIP eingebracht. Sie wird die Verhandlungen um das Freihandelsabkommen auch weiterhin aktiv und kritisch begleiten. Sie setzt sich dafür ein, dass die geltenden Standards im Umwelt-, Daten-, Verbraucher- und Gesundheitsschutz sowie die Arbeitnehmerrechte in Europa durch Freihandelsabkommen nicht unterschritten werden und auch weiterhin die kultur- und medienpolitische Handlungsfähigkeit der Länder und Mitgliedstaaten in der EU gewährleistet ist. Zu Frage 4: Nach Kenntnissen der Landesregierung existiert eine Reihe von TTIP-kritischen Bündnissen und Netzwerken sowohl auf lokaler, regionaler, nationaler wie auch auf europäischer Ebene. Auch in Rheinland-Pfalz hat sich ein entsprechendes Bündnis formiert. Aus Sicht der Landesregierung tragen diese Bündnisse zur öffentlichen Diskussion bei und sind Teil der demokratischen Willensbildung in Rheinland-Pfalz, Deutschland und Europa. Die Landesregierung begrüßt die breite Diskussion ausdrücklich. Zu Frage 5: Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, Abkommen und Vereinbarungen zu internationalen Standards im Rahmen der WTO, d. h. multilateral, zu schließen. Aus Sicht der Landesregierung stellt das multilaterale Forum der Welthandelsorganisation (WTO) eine Alternative zu bilateralen Handelsabkommen wie TTIP dar. Darüber hinaus wären transatlantische branchenspezifische Vereinbarungen außerhalb des TTIP-Rahmens denkbar. Neben der Frage der Realisierbarkeit sind auch bei diesen Alternativen etwaige Chancen und Risiken gegeneinander abzuwägen. Die Landesregierung wird zudem Entwicklungen auf EU-Ebene dahingehend beobachten , ob Bemühungen der EU-Ratspräsidentschaft fruchtbar sein werden, erste Grundelemente des Abkommens (wie etwa zum Zollabbau) frühzeitig zu vereinbaren und zu ratifizieren. Eveline Lemke Staatsministerin