Drucksache 16/4227 13. 11. 2014 K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Michael Wäschenbach (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie Todesfälle durch Cannabiskonsum Die Kleine Anfrage 2765 vom 24. Oktober 2014 hat folgenden Wortlaut: Es wird immer wieder berichtet, dass es in Deutschland erste Todesfälle durch Cannabiskonsum zu beklagen gibt. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Welche Informationen liegen der Landesregierung hinsichtlich von Todesfällen wegen Cannabiskonsum in Deutschland und ins- besondere in Rheinland-Pfalz für die letzten Jahre vor? 2. Wie viele Menschen werden in Rheinland-Pfalz wegen Cannabiskonsum im Durchschnitt pro Tag ins Krankenhaus eingeliefert? 3. Welche Erkenntnis gibt es seit Anhebung der Eigenbedarfsgrenze Anfang 2012 über festgestellte Häufigkeiten von notwendigen medizinischen Behandlungen? 4. Zu welchen differenzierteren Bewertungen der Konsum- und Suchtproblematik bei sogenannten „weichen Drogen“ kommt die Landesregierung im Lichte der Todesfälle und den Berichten über psychische Schäden und dem erhöhten Krebsrisiko der Konsumenten ? 5. Welche Informationen liegen hinsichtlich der Entkriminalisierung von Konsumenten seit Anfang 2012 vor und hilft die Anhebung der Eigenbedarfsgrenze der Differenzierung von Konsumenten zu Händlern und Produzenten? Das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 11. November 2014 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Der Landesregierung sind in den letzten Jahren deutschlandweit keine Rauschgifttodesfälle bekannt geworden, die ausschließlich auf den Cannabiskonsum zurückzuführen sind. In der überwiegenden Anzahl der Fälle wird bei der toxikologischen Untersuchung von Rauschgifttoten ein Mischkonsum verschiedener Betäubungsmittelarten festgestellt. Bislang ist dabei allerdings kein Fall bekannt geworden, bei dem der festgestellte Gehalt an dem in Cannabis enthaltenen Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) todesursächlich gewesen wäre. Gemäß der Todesursachenstatistik waren allerdings im Zeitraum 2008 bis 2012 folgende Todesfälle wegen Drogenmissbrauch durch Cannabinoide beziehungsweise unfallmäßiger Vergiftung durch Drogen (Cannabinoide) zu verzeichnen: Quelle: Todesursachenstatistik, Todesursache gem. ICD 10: F12. 2008 2009 2010 2011 2012 Deutschland 2 4 3 – 6 Rheinland-Pfalz 1 – – – – Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 4. Dezember 2014 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/4227 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Zu 2.: Die Diagnosestatistik der Krankenhäuser weist die stationären Behandlungsfälle in Krankenhäusern wegen Drogenmissbrauch (durch Cannabinoide) beziehungsweise unfallmäßiger Vergiftung in den Jahren 2008 bis 2012 in Rheinland-Pfalz wie folgt aus: Quelle: Diagnosestatistik der Krankenhäuser, Diagnose gem. ICD 10: F12. Die durchschnittliche Einlieferung wegen Cannabis-Konsum pro Tag lässt sich aus den Angaben der Diagnosestatistik nur bedingt herleiten (so werden keine tagegenauen Angaben erhoben, sondern Jahreswerte). Zu 3.: Entwöhnungsbehandlungen bei Suchterkrankungen gehören zum Rehabilitationsangebot der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Deutsche Rentenversicherung Rheinland-Pfalz hat die Zahl der Versicherten, die aufgrund einer Cannabisabhängigkeit eine medizinische Rehabilitation in Anspruch genommen haben, für die letzten rund fünf Jahre ausgewertet. Danach gestaltete sich die Inanspruchnahme wie folgt: „Zweitdiagnose“ bedeutet, dass eine andere Hauptdiagnose bestand und eine Abhängigkeit oder ein Konsum von Cannabis zusätzlich vorlag. Weitere Angaben liegen der Landesregierung nicht vor. Zu 4.: Die Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zur Drogenaffinität Jugendlicher und junger Erwachsener (2012) zeigt, dass der Cannabiskonsum Jugendlicher in Deutschland in den letzten Jahren rückläufig ist. So ist die Lebenszeitprävalenz von Cannabis bei den 12- bis 17-Jährigen von 15,1 Prozent (2004) auf 7,8 Prozent (2012) gesunken und die 12-MonatsPrävalenz im gleichen Zeitraum von 10,1 Prozent auf 5,6 Prozent. Die Prävalenz des regelmäßigen Cannabiskonsums (mehr als zehnmal im letzten Jahr) betrug 1,3 Prozent (2012) gegenüber 1,6 Prozent (2004). Bei jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 25 Jahren ist der Cannabiskonsum deutlich weiter verbreitet. 34,8 Prozent dieser Altersgruppe hat im Jahr 2012 Cannabis zumindest einmal ausprobiert (43 Prozent in 2004). Die 12-Monats-Prävalenz betrug 15,8 Prozent (15,2 Prozent in 2004). 3,9 Prozent haben regelmäßig Cannabis konsumiert (4,2 Prozent in 2004). Im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit haben Petersen und Thomasius ein systematisches Review international publizierter Studien von 1996 bis 2006 durchgeführt. Die wesentlichen Befunde aus 46 Humanstudien zu organmedizinischen Beeinträchtigungen im Zusammenhang mit Cannabiskonsum lassen sich in drei Hauptbefunden zusammenfassen: – Cannabisraucher entwickeln dem Zigarettenrauchen vergleichbare respiratorische Symptome (Kurzatmigkeit, Brustenge, Sputumproduktion ). – Das Risiko von Atemwegserkrankungen und Krebs ist bei Cannabisrauchern erhöht. – Insbesondere für kardiovaskulär vorgeschädigte Menschen ist ein erhöhtes Herzinfarktrisiko für die erste Stunde nach dem Cann- abiskonsum festzustellen. Petersen und Thomasius weisen auch darauf hin, dass bei intensivem Cannabiskonsum Beeinträchtigungen im Bereich des Lernens und des Gedächtnisses auftreten können und Cannabiskonsum bei vulnerablen Personen zu einer früheren Manifestation der schizophrenen Symptomatik führen kann. Zudem weisen Cannabiskonsumentinnen und -konsumenten bei einem frühen Konsumbeginn ein erhöhtes Risiko für den Konsum weiterer illegaler Drogen auf. 2 2008 2009 2010 2011 2012 Rheinland-Pfalz 332 367 366 414 477 Erstdiagnose Zweitdiagnose 2010 136 158 2011 134 138 2012 137 152 2013 147 180 bis 9/2014 86 105 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/4227 Gesundheitspolitisches Ziel muss es daher weiterhin bleiben, den Konsum von Cannabisprodukten zu reduzieren. Erhebliche Bedeutung kommt dabei suchtpräventiven Maßnahmen zu. Für die Umsetzung suchtpräventiver Maßnahmen bestehen mit dem Büro für Suchtprävention bei der Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz e. V., dem Fachkräfteprogramm „Suchtprävention“ und den Regionalen Arbeitskreisen Suchtprävention aus Landesmitteln geförderte Strukturen. Zu 5.: Das zur Verfügung stehende statistische Zahlenmaterial zu den auf § 31 a des Betäubungsmittelgesetzes gestützten Verfahrenseinstellungen bietet keine tragfähige Grundlage für Rückschlüsse auf mögliche Wechselwirkungen mit der Anhebung der Eigenbedarfsgrenze . Insbesondere lässt sich mittels der von den Staatsanwaltschaften benutzten Fachanwendungen nicht feststellen, ob und gegebenenfalls wie viele der Verfahrenseinstellungen nach § 31 a des Betäubungsmittelgesetzes allein der Anhebung der Eigenbedarfsgrenze von sechs auf zehn Gramm geschuldet sind. Die Anhebung der Eigenbedarfsgrenze hat im Übrigen keinen Einfluss auf die Differenzierung zwischen Konsumenten einerseits und Händlern beziehungsweise Produzenten andererseits. Der Anwendungsbereich der Betäubungsmittelrichtlinie umfasst explizit und exklusiv den Kreis der Konsumenten. Händler und Hersteller hingegen kommen nicht in den Genuss des Anwendungsbereiches des § 31 a des Betäubungsmittelgesetzes. Für die Polizei haben sich im Hinblick auf die Fragestellung durch die Anhebung der Eigenbedarfsgrenze keine gravierenden Veränderungen ergeben. Beim Vorliegen eines Anfangsverdachts wegen Betäubungsmittelbesitzes ist sie verpflichtet, eine Strafanzeige zu fertigen und diese der sachleitenden Staatsanwaltschaft zur weiteren Entscheidung vorzulegen. Die Anhebung der Eigenbedarfsgrenze spielt für die praktische polizeiliche Sachbearbeitung in diesem Zusammenhang eine untergeordnete Rolle. Regelmäßige Cannabiskonsumenten wissen allerdings um die Anhebung des Grenzwertes und richten gegebenenfalls ihr Verhalten darauf aus. Bei dieser Personengruppe werden bei körperlichen Durchsuchungen daher regelmäßig Betäubungsmittel unterhalb der Eigenbedarfsgrenze sichergestellt. Der Rückschluss, dass Personen, die mit einer Menge von bis zu zehn Gramm Cannabis angetroffen werden, lediglich als Konsumenten anzusehen sind, ist aus polizeilicher Sicht nicht zwingend. Eine Differenzierung zwischen Konsumenten und Dealern wird einzelfallbezogen an unterschiedlichen Kriterien zu treffen sein und ist nicht lediglich anhand der Eigenbedarfsgrenze möglich. In Vertretung: David Langner Staatssekretär 3