Drucksache 16/4280 28. 11. 2014 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Arnold Schmitt und Bernhard Henter (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur Strahlenschutzübungen und Katastrophenschutzübungen Die Kleine Anfrage 2789 vom 5. November 2014 hat folgenden Wortlaut: Wir fragen die Landesregierung: 1. Wie häufig werden Strahlenschutzübungen und Katastrophenschutzübungen im Bereich Cattenom durchgeführt; wie ist Rhein- land-Pfalz daran beteiligt? 2. Wie war der Ablauf dieser Strahlenschutzübungen? 3. Welche Abweichungen vom Plan konnten festgestellt werden, wo traten Mängel auf? 4. Welche Maßnahmen konnte die Landesregierung aus den Übungen ableiten und wie ist der Stand bei der Umsetzung dieser Maß- nahmen? 5. Wie viele Strahlenschutzübungen und Katastrophenschutzübungen hat das Land Rheinland-Pfalz selbst bereits angeordnet? 6. Wie sieht die Landesregierung die aktuelle Gefährdungslage der rheinland-pfälzischen Bevölkerung im Störfall? Das Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 26. November 2014 wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Für die Planung und Durchführung von Übungen in der Umgebung kerntechnischer Anlagen ist in unserem Land die Aufsichtsund Dienstleistungsdirektion (ADD) als obere Katastrophenschutzbehörde zuständig. Dies ergibt sich aus § 6 in Verbindung mit § 24 des Landesgesetzes über den Brandschutz, die Allgemeine Hilfe und den Katastrophenschutz (LBKG). Nach den bundeseinheitlichen „Rahmenempfehlungen für den Katastrophenschutz in der Umgebung kerntechnischer Anlagen”, die auch für grenznahe ausländische kerntechnische Anlagen gelten, sind Alarmierungs- und Einsatzübungen (diese Übungen enthalten sowohl Aspekte des Strahlen- als auch des Katastrophenschutzes) durchzuführen, die mit den benachbarten Ländern abzustimmen sind. Nach europäischem Recht (Artikel 98 Absatz 3 der Richtlinie 2013/59/EURATOM des Rates vom 5. Dezember 2013 – Amtsblatt der Europäischen Union vom 17. Januar 2014 – L 13/1) haben die Mitgliedstaaten dafür Sorge zu tragen, dass die von ihnen erstellten Notfallpläne regelmäßig getestet, überprüft und gegebenenfalls an Erkenntnisse nationaler und internationaler Notfallübungen angepasst werden. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Zu den Fragen 1 und 5: Seit der Inbetriebnahme des AKW Cattenom wurden mit Beteiligung von Rheinland-Pfalz zehn grenzüberschreitende Katastrophenschutzübungen durchgeführt, davon hat die französische Seite für sieben Übungen den Übungsrahmen festgelegt. Der Übungsablauf für Rheinland-Pfalz wurde jeweils durch die ADD geplant. An den Übungen waren die ADD mit ihrem Katastrophenschutzstab, die betroffenen kommunalen Gebietskörperschaften, das Ministerium des Innern und für Sport (jetzt: ISIM) sowie das Ministerium für Umwelt (jetzt: MWKEL) mit nachgeordneten Behörden sowie Katastrophenschutzeinheiten von Feuerwehr, Deutschem Roten Kreuz (DRK), Malteser Hilfsdienst (MHD) und Technischem Hilfswerk (THW) beteiligt. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 23. Dezember 2014 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/4280 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Zusätzlich finden jährlich Funk- und Messübungen der rheinland-pfälzischen Messeinheiten und monatlich Alarmierungsübungen mit Überprüfung der Kommunikationssysteme statt. Der Aufbau und Betrieb von Notfallstationen wird gleichfalls regelmäßig geübt. Die letzte länderübergreifende Katastrophenschutzübung (Exercices Nucléaire 3 en 1), die aus drei Teilübungen (1. Teil: Aktivierung und Kommunikation der Krisenstäbe; 2. Teil: Ausweitung der Katastrophenschutzmaßnahmen/Evakuierung der Bevölkerung; 3. Teil: Langzeitphase nach dem kerntechnischen Ereignis) bestand, fand auf Initiative der Großregion unter Beteiligung des Saarlandes , Frankreichs, Luxemburgs, Belgiens und Rheinland-Pfalz in den Jahren 2012 und 2013 statt. Zu Frage 2: Die Übungen haben das Ziel, die vorhandenen Katastrophenschutzplanungen auf ihre Tauglichkeit und Praktikabilität für den Notfall zu überprüfen. Wesentliche Schwerpunkte sind hierbei die Erprobung der Kommunikationswege, die gegenseitige Information und Verständigung über Entscheidungen mit den benachbarten Katastrophenschutzbehörden (insbesondere mit Frankreich und Luxemburg), die Medien- und Öffentlichkeitsarbeit sowie die Koordinierung des Einsatzes der Hilfsorganisationen. Bei Stabsrahmenübungen überprüfen die Stäbe die o. a. Ziele, insbesondere das Funktionieren der Katastrophenschutzplanungen. Bei Stabsrahmenübungen wird generell ein fiktiver Unfall im Kernkraftwerk Cattenom angenommen, die jeweils notwendigen Katastrophenschutzmaßnahmen werden erwogen und fiktiv umgesetzt. Bei den Vollübungen üben zusätzlich Einsatzkräfte mit. Üblicherweise erfolgt z. B. bei den Messübungen zuerst eine Einweisung, anschließend werden Aufgaben wie Messungen und Probenahmen erledigt, Messwerte übermittelt und neue Messaufträge angenom - men. Anschließend werden die Messeinheiten auf Kontamination überprüft und eine gemeinsame Auswertung vorgenommen. Bei Notfallstationsübungen wird angenommen, dass ein Gebiet fiktiv mit Radioaktivität kontaminiert wurde. Den betroffenen Personen würde in diesem Fall angeboten werden, Notfallstationen aufzusuchen, um weitere Hilfestellungen und Informationen zu erhalten. Hierfür werden mehrere 100 Personen als Statisten mit fiktiven Expositionsgeschichten und Einlagen wie z. B. Panikreak - tionen durch diese Notfallstation geführt. Zu den Fragen 3 und 4: Die bei früheren Übungen (vor 2010) sowie kleineren Übungen wie Messübungen, Notfallstationsübungen oder Alarmierungsübungen festgestellten Defizite wurden zeitnah behoben. Hierzu gehört u. a. die Verbesserung der DV-technischen und personellen Ausstattung des Stabes, die Notwendigkeit von Weiterbildungsmaßnahmen des Stabspersonals, die Verkürzung der Alarmierungszeiten , die Entsendung von Verbindungspersonen in benachbarte Stäbe und die Installation von Telefonkonferenztechnik in den Stabsräumen. Probleme bei den Funkanbindungen sind durch die Einführung des Digitalfunks behoben. Als Ergebnis der letzten gemeinsamen länderübergreifenden Katastrophenschutzübung für das AKW Cattenom (Exercices Nucléaire 3 en 1) wurden grundsätzliche Defizite nicht festgestellt. Allerdings ist künftig zu berücksichtigen, dass der Informationsaustausch zwischen den Krisen- und Katastrophenschutzstäben weiter optimiert werden muss. Es wurde insbesondere deutlich, dass im Hinblick auf notwendige grenzübergreifende Absprachen über Entscheidungen zur Gefahrenabwehr (Notfallschutzmaßnahmen) die jeweils national gültigen und teilweise voneinander abweichenden rechtlichen Vorgaben und technischen Regelwerke für die Notfallschutzplanungen einer Harmonisierung auf europäischer Ebene bedürfen. Die Erfahrungen aus dem gemeinsamen Übungsprojekt in der Großregion sollten in die Abstimmungsprozesse auf nationaler und internationaler Ebene einfließen. In Gesprächen mit dem Saarland und den zuständigen französischen und luxemburgischen Stellen zur Übungsauswertung wurden verschiedene Optimierungsmöglichkeiten erörtert und Vorschläge zur Realisierung besprochen. Es wird davon ausgegangen, dass diese Maßnahmen – auch im Zusammenhang mit der ausstehenden Anpassung der Katastrophenschutzplanung an die Erfahrungen des Reaktorunglücks von Fukushima – unverzüglich umgesetzt werden. Weiterhin haben die Übungserkenntnisse dazu geführt, dass der Krisenstab der Landesregierung auf seiner 24. Sitzung am 30. April 2014 die Einrichtung eines „Interministeriellen Arbeitsstabs Strahlenschutzvorsorge“ unter der Federführung des Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung beschlos sen hat. Dieser hat die Aufgabe, im Falle eines kerntechnischen Unfalls Maßnahmen nach dem Strahlenschutzvorsorgegesetz zu koordinieren. Zu Frage 6: Ziel der Katastrophenschutzplanungen ist es, die unmittelbaren Folgen der Auswirkungen eines kerntechnischen Unfalls auf die Bevölkerung und die Umwelt zu verhindern oder zumindest zu begrenzen. Eine Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung kann im Falle eines kerntechnischen Unfalls aber nicht völlig ausgeschlossen werden. Der wirksamste Schutz vor den Risiken der Atomkraft ist und bleibt daher die dauerhafte Abschaltung dieser Anlagen, wofür sich die Landesregierung wiederholt bei der französischen Regierung eingesetzt hat und auch weiterhin einsetzen wird. In Vertretung: Randolf Stich Ministerialdirektor