Drucksache 16/4282 28. 11. 2014 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Dietmar Johnen und Andreas Hartenfels (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten Novellierung Düngeverordnung – Deutschland verfehlt Vorgaben der EU-Nitrat-Richtlinie Die Kleine Anfrage 2788 vom 5. November 2014 hat folgenden Wortlaut: Die anstehende Novellierung der Düngerverordnung (DüV) bewegt derzeit die bäuerlichen Gemüter. Anlass ist die Eröffnung eines Vertragsverletzungsverfahren durch die Europäische Kommission gegen die Bundesregierung aufgrund einer unzureichenden Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie von 1991. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Mit welchen Kritikpunkten begründet nach Erkenntnissen der Landesregierung die Kommission die Eröffnung des Vertrags- verletzungsverfahrens gegen Deutschland? 2. Welche Maßnahmen schlägt nach Erkenntnissen der Landesregierung die Kommission vor, um die Nitratproblematik möglichst schnell in den Griff zu bekommen? 3. Wie bindet die Bundesregierung die Bundesländer in die Novellierung der DüV ein und welche formellen Möglichkeiten nutzt die Landesregierung, um bei der Novellierung der DüV die Interessen des Landes Rheinland-Pfalz zu vertreten? 4. Wie bindet die Landesregierung die Interessen der rheinland-pfälzischen Wasserwirtschaft, Landwirtinnen und Landwirte sowie Umweltschützerinnen und Umweltschützer bei der Erarbeitung der Landesposition mit ein? 5. Welche Maßnahmen im Rahmen einer überarbeiteten DüV erachtet die Landesregierung für sinnvoll, um das Nährstoffmana- gement auf den landwirtschaftlichen Betrieben und die Qualität der Gewässerkörper im Land wirksam und dauerhaft zu verbessern ? Das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten hat die Kleine Anfrage namens der Landes - regierung mit Schreiben vom 27. November 2014 wie folgt beantwortet: Die EU-Nitratrichtlinie (NitratRL) aus dem Jahr 1991 wurde erstmalig 1996 mit dem Aktionsprogramm „Düngeverordnung“ (DüV) in Deutschland umgesetzt. Dieses Aktionsprogramm wird alle vier Jahre von der Europäischen Kommission (KOM) überprüft und muss entsprechend an die aktuellen Anforderungen angepasst werden. Dies ist zuletzt 2006 in größerem Umfang geschehen, als erstmalig eine schriftliche Bilanzierung der Nährstoffe und eine Obergrenze für sogenannte unvermeidbare Überschüsse von Nährstoffen eingeführt wurde. Bereits damals wurde heftige Kritik, insbesondere an den Grenzen für die unvermeidbaren Stickstoffüberschüsse (für Ackerkulturen bis max. 60 kg N/ha, für Gemüsekulturen bis max. 160 kg N/ha) aber auch für Phosphatüberschüsse (+ 20 kg Phosphat bei Bodengehaltsklasse E), geübt. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass „Aktionsprogramme“ zur Umsetzung der NitratRL einer Strategischen Umweltprüfung (SUP) zu unterziehen sind. Kernelemente sind ein Umweltbericht und eine umfassende Beteiligung der Öffentlichkeit . Mit Schreiben vom 7. Juli 2011 hat die KOM ergänzende Anmerkungen zur Umsetzung der Nitratrichtlinie gemacht. Insbesondere hat sie erklärt, dass sie in der Düngeverordnung erheblichen inhaltlichen Nachbesserungsbedarf („Verschärfungen“) sehe. Die Evaluierung der Düngeverordnung wurde unter Leitung des „von Thünen-Instituts“ (vTI) durchgeführt. Am 18. Oktober 2013 ist ein Mahnschreiben der Europäischen Kommission an die Bundesrepublik Deutschland eingegangen bezüglich eines Vertragsverletzungsverfahrens im Rahmen der Ziele und der Umsetzung der Nitratrichtlinie. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 22. Dezember 2014 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/4282 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Zu Frage 1: Die KOM argumentiert, dass aus der Analyse der jüngsten Daten über die Wasserqualität und Trends in Deutschland hervorgeht, dass die Ziele der Richtlinie nicht erreicht wurden und somit zusätzliche Maßnahmen und verstärkte Aktionen erforderlich sind. Nach Auffassung der Kommission ist die Bundesrepublik Deutschland den Anforderungen des Aktionsprogramms (Düngeverordnung ) nicht nachgekommen, demzufolge im Rahmen des Aktionsprogramms zusätzliche Maßnahmen zu treffen waren, als deutlich wurde, dass die im Aktionsprogramm vorgesehenen Maßnahmen zur Verwirklichung der in der Richtlinie genannten Ziele nicht ausreichten. Deutschland hat es außerdem versäumt, das Aktionsprogramm entsprechend zu ändern. Die KOM weist wiederholt auf die Daten des Nitratberichts hin, wonach die Nitratkonzentrationen im Zeitraum 2008 bis 2011 an 50,3 % der Grundwassermessstellen bei über 50 mg/l lagen. Dies ist der Schwellenwert, bei dem Maßnahmen zu treffen sind. Ferner haben an 40 % der Messstellen die Nitratkonzentrationen zugenommen. Im Vergleich zum vorherigen Berichtszeitraum (2004 bis 2007), in dem an 50,0 % der Grundwassermessstellen die Nitratkonzentrationen bei über 50 mg/l lagen, ist keine Verbesserung der Wasserqualität im Laufe der Zeit zu beobachten. In Bezug auf Oberflächengewässer wird hervorgehoben, dass die Eutrophierung der Küsten- und Meeresgewässer, vor allem der Ostsee, zugenommen hat. Die Kommission ist der Auffassung, dass die mit den übermittelten Berichten und Daten deutlich gemachten Probleme in Deutschland in Bezug auf die Nitratbelastung durch das Aktionsprogramm nicht wirksam gelöst werden können. Zu Frage 2: – Die KOM fordert eine deutliche Ausweitung der derzeitigen Sperrfristen, ergänzend fordert sie auch Sperrfristen für Stallmist. – Lagerkapazitäten für Gülle, Jauche, Gärreste und Stallmist sollen ausgeweitet werden. – Die Obergrenze für Stickstoff aus tierischem Wirtschaftsdünger in Höhe von 170 kg N/ha soll zukünftig für alle organischen und organisch-mineralischen Düngemittel gelten. – Die Nährstoffbedarfsermittlung soll bundeseinheitlich nachvollziehbar und damit schriftlich dokumentiert werden. – Der Nährstoffvergleich soll verbessert werden und eine genauere Abbildung der innerbetrieblichen Stoffströme ermöglichen, dies würde z. B. die Einführung der Hoftorbilanz bedeuten. – Die zulässigen N-Überschüsse von bisher 60 kg N/ha sollen abgesenkt werden. – Auf Flächen mit hohen Phosphatwerten soll kein Überschuss mehr zulässig sein. – Das Aufbringen von stickstoff- oder phosphathaltigen Düngemitteln, Bodenhilfsstoffen, Kultursubstraten und Pflanzenhilfsmitteln soll nicht erfolgen, wenn der Boden überschwemmt, wassergesättigt, gefroren oder schneebedeckt ist. – Abstandsauflagen zu Oberflächengewässern insbesondere bei geneigten Flächen sollen erweitert werden. – Organische und organisch-mineralische Düngemittel sollen zeitnah nach der Aufbringung eingearbeitet werden, um die Emissionen zu mindern. Zu den Fragen 3 und 4: Die Bundesregierung legte die Forderungen der KOM den Bundesländern schriftlich vor. Auf Arbeitsebene werden die jeweiligen Vorschläge des BMEL diskutiert. Die Ad-Hoc-Konferenz der Staatssekretäre der Agrarministerien der Länder hat auf Initiative von Staatssekretär Dr. Thomas Griese bis dato zweimal zusammengefunden und spezielle Themen unter Einbezug von Vertretern des BMEL diskutiert. Das Land Rheinland-Pfalz hat bei den Agrarministerkonferenzen und Umweltministerkonferenzen 2013 und 2014 mehrfach Beiträge und Anträge zur Novelle der DüV mit erarbeitet. Im Rahmen von Fachveranstaltungen (z. B. Mittwochs im Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten, Expertenrunde Nitratrichtlinie, runder Tisch WRRL etc.) hat Rheinland-Pfalz mit Interessierten, Betroffenen und Experten die Themen der Düngeverordnung diskutiert und darüber informiert. Zu Frage 5: Einige von der KOM angesprochenen Bereiche können sicherlich einen Beitrag zur Verbesserung des Gewässerzustands leisten. Allerdings hält die Landesregierung Forderungen wie z. B. die generelle Ausweitung der Sperrfrist für absolut überzogen. Es existieren in Deutschland fundierte Untersuchungsergebnisse, die z. B. belegen, dass eine Nährstoffaufnahme auf Grünland durchaus auch noch im Oktober und unter günstigen klimatischen Bedingungen auch im November stattfindet, sodass mit einer Flexibilisierung sicherlich bessere Umweltziele erreicht werden können, als mit starren, zu langen Sperrzeiten und einer nicht bedarfsgerechten Ausbringung in den teilweise sehr knappen Restzeiten. Auch eine Sperrfrist für Stallmist scheint nicht angebracht. Im Rahmen des Erosionsschutzes ist bewusst den Einsatz von Stallmist über Winter empfohlen worden, um die Bodenstruktur zu verbessern. Dies würde durch eine Sperrfrist konterkariert werden. 2 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/4282 Die Ausweitung der Lagerkapazitäten muss nach unseren Vorstellungen stärker betriebsspezifisch und nach Haltungsform (z. B. Anrechnung der Weide- oder Wanderhaltung) differenziert werden. Eine generelle Festlegung auf neun Monate bedeutet enorme Investitionen ohne dass damit das tatsächliche Problem der Verteilung und des Gülletourismus wirklich zu lösen wäre. Speziell von und für Rheinland-Pfalz wurde der Vorschlag gemacht, dass die Länder die Ermächtigung erhalten sogenannte Risikogebiete auszuweisen, in denen spezielle Maßnahmen erarbeitet werden, die eine konkrete Lösung der regional sehr unterschiedlichen Problemstellungen ermöglichen. Dies bedeutet, dass für besonders belastete Gebiete eine Verschärfung der Maßnahmen vorgenommen werden kann, im Umkehrschluss sollen Regionen, in denen die Wasserqualität gut ist, durch eine Reduzierung der Regelungen entlastet werden. Konkrete Maßnahmen für Betriebe in Risikogebieten können einfache Analysen von Wirtschaftsdüngern sein, vegetationsbegleitende Bodenuntersuchungen, schlagspezifische Dokumentation von Düngemaßnahmen bis hin zur Auflage von reduzierter Düngung im suboptimalen Bereich. Weitere Länderöffnungsklauseln werden unterstützt, wie z. B. der Abgleich mit Daten anderer Behörden (Tierseuchenkasse, HITListe , InVeKoS etc.), um die Angaben der Landwirte und damit das korrekte Düngeverhalten nachzuprüfen zu können. In Vertretung: Dr. Thomas Griese Staatssekretär 3