Drucksache 16/4332 09. 12. 2014 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Elisabeth Bröskamp (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Ministeriums für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen Inanspruchnahme des Heimkinderfonds in Rheinland-Pfalz Die Kleine Anfrage 2813 vom 12. November 2014 hat folgenden Wortlaut: Kinder und Jugendliche, die in den Nachkriegsjahrzehnten in Heimen untergebracht waren und dort aufgewachsen sind, ist häufig schweres Unrecht geschehen. Viele von ihnen mussten bereits als Heranwachsende schwere körperliche Arbeit verrichten, wurden gedemütigt und misshandelt oder sogar missbraucht. Um diese Betroffenen, die oft heute noch mit den Folgen schwer zu kämpfen haben, zu entschädigen, wurde von Bund und Ländern gemeinsam der Fonds „Heimerziehung in der Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1949 bis 1975“ errichtet. Es existieren in allen Bundesländern regionale Anlauf- und Beratungsstellen, die die im jeweiligen Bundesland lebenden ehemaligen Heimkinder bei der Antragstellung zur Geltendmachung von finanziellen Leistungen aus dem Fonds unterstützen. Die Frist zur Antragstellung wird zum Ende des Jahres 2014 auslaufen. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Wie viele Anträge auf Entschädigung aus dem Fonds wurden in Rheinland-Pfalz insgesamt gestellt? 2. Wie viele dieser Anträge wurden positiv beantwortet und wie hoch waren die durchschnittlichen Leistungen pro Antragstellerin bzw. pro Antragsteller? 3. Wie viele Anträge sind nach Einschätzung der Landesregierung bis Ende des Jahres noch zu erwarten? 4. Wie hoch ist bei den bewilligten Leistungen der Anteil von Rentenausgleichsleistungen und von Sachleistungen? 5. Reicht die veranschlagte Gesamtsumme für die Entschädigungsleistungen aus? 6. Wenn nicht, wird es zu einer Aufstockung des Fonds für ehemalige Heimkinder kommen und in welcher Höhe für Rheinland- Pfalz? 7. Beteiligen sich daran auf Bundesebene wiederum zu einem Drittel der Bund, die Kirchen und die Länder? Das Ministerium für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 9. Dezember 2014 wie folgt beantwortet: Zu den Fragen 1 bis 3: Wegen des Sachzusammenhangs werden die Fragen 1 bis 3 nachfolgend im Zusammenhang beantwortet. Zunächst ist anzumerken, dass es sich bei den Leistungen aus dem Fonds Heimerziehung nicht um Entschädigungen handelt, sondern um Leistungen zur Bewältigung von Folgeschäden. Dabei müssen die Hilfebedarfe mit schlüssigen Darstellungen des Sachzusammenhangs zwischen Heimaufenthalt, Folgeschaden und gewählter Hilfe begründet werden. Zu beachten ist, dass es einzelnen Betroffenen bis zum 31. August 2014 noch möglich war, mehrere Vereinbarungen für Sachleistungen abzuschließen. Nach den aktuellen Regelungen des Fonds können Betroffene hingegen bei Vorliegen der Voraussetzungen jeweils nur noch eine Vereinbarung über Sachleistungen und eine Vereinbarung über Rentenersatzleistungen abschließen. Darüber hinaus sind sogenannte überindividuelle Leistungen möglich. Das sind Maßnahmen, die folgende Kriterien erfüllen: – Sie richten sich in ihrer Wirkung nicht an einzelne Betroffene, sondern an eine Vielzahl von Betroffenen. – Sie reflektieren die Erinnerungen an die Heimerfahrungen. – Sie dienen den Betroffenen dazu, das heutige Leben mit der Heimvergangenheit zu bewältigen. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 12. Januar 2015 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/4332 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Eine weitere Voraussetzung ist, dass die Maßnahme von einer/einem (oder mehreren) Betroffenen selbst initiiert und durchgeführt wird, wobei professionelle Unterstützung (z. B. Anleitung zum kreativen Schreiben, Malen, Filmen) in Anspruch genommen und durch die Fonds finanziert werden kann. Insgesamt wurden bislang für Betroffene, die von der regionalen Anlauf- und Beratungsstelle in Rheinland-Pfalz mit Stand vom 21. November 2014 beraten wurden, 921 Vereinbarungen abgeschlossen, davon 676 für Sachleistungen und 245 für Rentenersatzleis - tungen. Durch diese Vereinbarungen wurden 415 Personen erreicht. Von den vorliegenden Vereinbarungen wurden bislang insgesamt 814 von der Geschäftsstelle des Fonds Heimerziehung beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben schlüssig geprüft, das heißt positiv beschieden. Im Bereich der Sachleistungen wurden 594 Vereinbarungen schlüssig geprüft, im Bereich der Rentenersatzleistungen 220. Bislang wurde keine Vereinbarung abgelehnt. Der Durchschnittswert liegt in Rheinland-Pfalz bei den Sachleistungen bei 9 800 Euro. Im Bereich der Rentenersatzleistungen wurden bislang im Durchschnitt 8 770 Euro pro Betroffenem verausgabt. Mit Stand vom 21. November 2014 haben sich bei der Anlauf- und Beratungsstelle insgesamt 840 Betroffene gemeldet, die Leistungen aus dem Fonds Heimerziehung in Anspruch nehmen möchten. Legt man die bisherigen Meldungen einer Schätzung zugrunde, ist von einer Zahl von rund 900 Betroffenen auszugehen, die sich voraussichtlich bis zum 31. Dezember 2014, dem Schluss der Antragsfrist , bei der regionalen Anlauf- und Beratungsstelle gemeldet haben werden. Zu Frage 4: In Rheinland-Pfalz beläuft sich der Wert der bislang schlüssig geprüften Vereinbarungen bei den Sachleistungen auf rund 2,9 Millionen Euro und bei den Rentenersatzleistungen auf rund 1,9 Millionen Euro. Zu Frage 5: Die Fondsmittel Heimerziehung West werden in Kürze aufgebraucht sein. Die Zahlungsfähigkeit des Fonds konnte schon jetzt nur dadurch gewährleistet werden, dass die Fondserrichter, der Bund, die westdeutschen Länder und die evangelische und katholische Kirche, ihre Einzahlungen für das Jahr 2015 auf dieses Jahr vorgezogen haben. Zu Frage 6: Es ist derzeit beabsichtigt, dass noch vor Jahresende eine Entscheidung über eine Aufstockung erfolgen soll, sodass der Fonds weiterhin liquide bleibt. Zu Frage 7: Prinzip des Fonds ist, dass alle drei Errichtergruppen jeweils ein Drittel der Fondsmittel tragen. Von dem Länderdrittel entfällt auf Rheinland-Pfalz der Anteil des Königsteiner Schlüssels der westdeutschen Länder einschließlich Berlins (5,8 Prozent). Da es über die Höhe der Aufstockung des Fonds bislang noch keine abschließende politische Entscheidung gibt, kann die Frage nicht abschlie ßend beantwortet werden. Für den Bund und die westdeutschen Länder einschließlich Berlins ist es unabdingbar, dass ein Mehrbedarf für den Fonds wiederum zu je einem Drittel von allen drei Errichtergruppen getragen wird. Irene Alt Staatsministerin