Drucksache 16/4356 11. 12. 2014 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Anna Neuhof und Andreas Hartenfels (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten Bodenversauerung im Wald effektiv und effizient bekämpfen Die Kleine Anfrage 2820 vom 18. November 2014 hat folgenden Wortlaut: An der Mehrzahl der rheinland-pfälzischen Waldstandorte übersteigen die aktuellen Säureeintragsraten über das Regenwasser die ökoverträglichen Schwellenwerte (critical loads). Trotz des beträchtlichen Rückgangs der Schwefeloxide in der Luft haben sich die Säureeinträge seit Mitte der 1980er Jahre nur vergleichsweise wenig verringert. Dies dürfte vor allem mit dem Anstieg der Stickoxide in der Luft an der Mehrzahl der Messstandorte zusammenhängen. Die Folge ist, dass der pH-Wert in den Waldböden unter den normalen Wert sinkt. In sauren Böden sind einige Nährstoffe nur schlecht für die Pflanzen verfügbar. In der Vegetation nimmt der Anteil an Pflanzen zu, die mit sauren Verhältnissen besser zurechtkommen . Schadstoffe wie Schwefel, Stickstoff und Aluminium reichern sich im Boden an und gelangen nach einiger Zeit in das Grundwasser. Zur Regeneration der Waldböden wird in Rheinland-Pfalz seit 30 Jahren unter anderem das Instrument der Bodenschutzkalkung eingesetzt. Die landeseigene Forschungsanstalt Waldökologie und Forstwirtschaft in Trippstadt untersucht begleitend den Schadstoffeintrag aus der Luft und die Entwicklung der Bodenverhältnisse im Wald. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Wie entwickelte sich nach wissenschaftlichen Erkenntnissen die Waldbodenversauerung in den Regionen in Rheinland-Pfalz in den letzten 30 Jahren? 2. Welche Wirkung zeigen die Bodenschutzkalkungen der letzten 30 Jahre? 3. Welche Maßnahmen leitet die Landesregierung daraus für die Zukunft ab, um die Gesundheit der Waldböden zu unterstützen? 4. In welchen Regionen, Wald- und Bodentypen im Land besteht in den nächsten Jahren voraussichtlich ein konkreter Hand- lungsbedarf für Kalkungsmaßnahmen (inkl. Kalkbedarf pro Hektar und veranschlagte Fördermittel)? 5. Welche Waldflächen zeigen in Rheinland-Pfalz natürlich-sauren Boden und sind somit von Bodenschutzkalkung auszunehmen? 6. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung zur Bodenversauerung in Rheinland-Pfalz außerhalb der Waldflächen? 7. Wie können nach Einschätzung der Landesregierung die Luftschadstoffe als Verursacher des sauren Regens in Zukunft weiter reduziert werden? Das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten hat die Kleine Anfrage namens der Landes - regierung mit Schreiben vom 9. Dezember 2014 wie folgt beantwortet: Luftschadstoffe, die unsere Wälder belasten, sind seit Jahren rückläufig. Hier zeigt die Luftreinhaltepolitik Erfolge. So ist der Eintrag von Schwefelverbindungen seit den 1980er Jahren auf ein Fünftel zurückgegangen, auch der Säureeintrag hat sich seit dieser Zeit halbiert. Allerdings konnten die Stickstoffeinträge aus Verkehr und Landwirtschaft bislang kaum reduziert werden. Der Umstieg auf erneuerbare Energien ist eine zentrale Säule der rheinland-pfälzischen Klimaschutzpolitik, der Wald trägt als Standort für Windkraft entscheidend zur erfolgreichen Umsetzung der Energiewende bei. Zukunftsfähige Landnutzung kann ebenfalls einen wesentlichen Beitrag dazu leisten. Kohlenstoffreiche Ökosysteme wie Wälder und Moore müssen daher erhalten bleiben bzw. regeneriert werden. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 12. Januar 2015 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/4356 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Im Juli 2014 wurde vom Landtag das Klimaschutzgesetz beschlossen. Es benennt konkrete und verbindliche Reduktionsziele der Treibhausgasemission. Bis zum Jahr 2050 streben wir eine Klimaneutralität an. Dieses Ziel ist ambitioniert, aber erreichbar. Die wichtigste Luftreinhaltemaßnahme in Bezug auf Versauerung und Eutrophierung der Waldökosysteme ist allerdings eine Verringerung der Ammoniakemission aus der Landwirtschaft, insbesondere der Tierhaltung, gefolgt von einer weiteren Verringerung der Stickoxidemissionen aus Straßenverkehr und Feuerungsanlagen. Die Bodenschutzkalkung soll als flankierende Maßnahme zur Luftreinhaltung einen substanziellen Beitrag zum Schutz und auch zur Regeneration der auf einem erheblichen Anteil der Landeswaldfläche durch Versauerung und Verlust an Nährstoffkationen beeinträchtigten Waldbodenfunktion leisten. Sie ist in Rheinland-Pfalz eingebunden in ein Konzept zum Waldbodenschutz und zur Restauration der Waldböden durch Aktivierung ökosystemarer Nährstoffkreisläufe. Im Vordergrund stehen dabei waldbauliche Maßnahmen, insbesondere der Umbau von Nadelholzreinbeständen in laubbaumreiche Mischbestände, die – soweit erforderlich – standort- und baumartenabhängig mit Dolomitkalkungen unterstützt werden. Das Kalkungsprogramm war von Beginn an begleitet durch umfangreiche Versuchsreihen zur Prüfung der Wirksamkeit der Maßnahmen und zur Erfassung gegebenenfalls auftretender unerwünschter Nebenwirkungen. Aktuell werden die Langzeitwirkungen der Bodenschutzkalkung an diesen umfangreichen Versuchsanlagen erneut geprüft. Auch die Befunde der Bodenzustandserhebung (BZE) II aus dem Jahr 2006 wurden gezielt im Hinblick auf die Wirkungen und eventuell auftretender unerwünschter Nebenwirkungen ausgewertet. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage 2820 namens der Landesregierung wie folgt: Zu Frage 1: Die Entwicklung der Waldbodenversauerung wird im Rahmen der landesweiten BZE erfasst. Die Versauerung der Waldböden in Rheinland-Pfalz ist zwischen der BZE I (1989) und der BZE II (2006) deutlich zurückgegangen. So sind die pH-Werte in der Humusauflage und im oberen Mineralbodenbereich zwischen beiden Aufnahmeterminen an der Mehrzahl der Standorte deutlich angestiegen. Auch die Basensättigung hat sich bis in den mittleren Bodenbereich hinein an der Mehrzahl der Aufnahmepunkte sehr deutlich verbessert. Angestiegen ist auch der Vorrat an austauschbarem Magnesium im Wurzelraum. Verbessert hat sich der Versauerungszustand der Waldböden vor allem in Gebieten, die zuvor besonders stark versauerte Böden auswiesen, wie den Sanden des Buntsandsteins im Pfälzerwald und Quarzitstandorten im Rheinischen Schiefergebirge. Die landesweite Verbesserung des SäureBase -Zustandes der Waldböden ist auch neben der Änderung von Bewirtschaftungsformen auf die Bodenschutzkalkung zurückzuführen . Anzunehmen ist, dass darüber hinaus auch die Reduzierung der Sulfatschwefeleinträge und die Veränderungen in der waldbaulichen Behandlung der Waldökosysteme im Sinne eines naturnahen, laubholzbetonten Waldbaus die Verbesserung des SäureBase -Zustandes der Böden unterstützt haben. Zu Frage 2: Die Veränderungen im pH-Wert und in der Basensättigung sind im Wesentlichen nur im gekalkten Kollektiv aufgetreten, während sich im Kollektiv der nichtgekalkten Plots keine signifikanten Veränderungen ergeben haben. Die Daten belegen eine zielgerichtete Auswahl der zu kalkenden Standorte. Das gekalkte Kollektiv wies vor der Kalkung deutlich geringere Basensättigungen und vor allem geringere Gehalte an austauschbarem Magnesium auf als das nichtgekalkte Kollektiv. Inzwischen unterscheiden sich beide Kollektive nur noch wenig, was für eine Verbesserung des Säure-Basenzustandes auf den zuvor am stärksten versauerten und basenärmsten Standorten spricht. Die BZE-Daten geben keine Hinweise auf negative Effekte der Kalkung. So hat sich die Belegung der Austauscher mit Kalium auf den gekalkten Flächen nicht signifikant verändert. Auch bei den Gehalten und Vorräten an organischem Kohlenstoff zeigten sich keine auf die Kalkung zurückzuführenden Veränderungen. Desgleichen ergeben sich keine Hinweise auf einen Anstieg der Nitratgehalte in der Bodenlösung. So haben sich die Nitratgehalte im wässrigen Extrakt der Unterbodenproben zwischen der BZE I und der BZE II nicht signifikant verändert. Belegt wird die Wirksamkeit der Bodenschutzkalkung auch durch langjährige Untersuchungen an Kalkungsversuchsflächen. Diese Untersuchungen zeigen, dass auf den nicht gekalkten Parzellen die Versauerung fortgeschritten ist, während auf den gekalkten Parzellen eine langanhaltende Pufferwirkung und eine auch zwei Jahrzehnte nach der Kalkung noch wirksame Verbesserung im Magnesium- und Calciumhaushalt der Ökosysteme auftritt. Zu Frage 3: Trotz Verminderung der Emission versauernd wirkender Luftverunreinigungen, ist die Bodenversauerung auf einigen Waldflächen ohne Bodenschutzkalkung noch ein Problem. Auf Bodenschutzkalkung versauerungsgefährdeter Standorte will daher auch die Landesregierung in Zukunft nicht gänzlich verzichten. Allerdings zeigt eine wissenschaftliche Studie der Universität Trier, an der auch die Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft beteiligt war, dass die stabilisierende Wirkung einer Bodenschutzkalkung auf den Nährstoffhaushalt sehr viel länger anhält als ursprünglich gedacht und der Kalkungsturnus von bisher zehn Jahren auf 20 bis 40 Jahre ausgeweitet werden kann. Über die Kalkung versauerungsgefährdeter Standorte hinaus, sind zur Stabilisierung des Nährstoffhaushalts der Waldökosysteme eine Reduzierung der überhöhten Stickstoffeinträge und eine Fortführung des Umbaus von Nadelholzreinbeständen in laubbaumreiche Mischwälder erforderlich. 2 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/4356 Zu Frage 4: Nach den Ergebnissen der BZE II sind nur 19 % der Standorte in Rheinland-Pfalz im Gesamtboden basenreich, 35 % sind dagegen tief basenarm, weitere 15 % weisen nur im Untergrund (tiefer als 90 cm) noch geringe Basenreserven auf. Regionen mit besonders verbreitet basenarmen Standorten sind der Pfälzerwald, die Schwemmfächer in der Rheinebene, die Hauptbuntsandsteingebiete der Eifel und die Quarzitrücken des Rheinischen Schiefergebirges (RSG). Aber auch die stark mesozoisch tertiär verwitterten Hochflächen des Schiefergebirges, Grauwacken und manche Schiefer böden des RSG sind häufig nur noch basenarm. Da etwa zwei Drittel der Landeswaldfläche bereits einmal und zum Teil bereits zweimal gekalkt wurden und anderseits, durch die Ergebnisse der langjährigen Begleituntersuchungen sowie die BZE II-Untersuchungen jetzt bessere Vorstellungen über die Wirkungsdauer der Kalkung vorliegen, ist eine Neueinwertung der Wiederholungskalkungen erforderlich. Der in der Phase besonders hoher akuter Schwefel(-säure)einträge festgelegte Bodenschutzkalkungsturnus von zehn Jahren soll substrat-abhängig auf einen Turnus von 20 bis 40 Jahren mit den bewährten 3 t Dolomit /ha verlängert werden. Die Weiterentwicklung des Bodenschutzkalkungskonzepts ist zurzeit in Bearbeitung (Zentralstelle der Forstverwaltung; Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft in Kooperation mit der Außenstelle Forsteinrichtung/Standortskartierung in Koblenz). Genaue Angaben zur jährlich erforderlichen Kalkungsfläche in Rheinland-Pfalz sind deshalb gegenwärtig noch nicht möglich. Zurzeit soll die Kalkung aus diesen Gründen auf dringend notwendige Kalkungen in bisher noch nicht gekalkten Flächen bzw. besonders gefährdete Gebiete mit Bodenschutzkalkungen vor 1990 konzentriert werden. Diese Bodenschutzkalkungen werden von den Forstämtern beantragt und von drei Kalkungsberatern auf ihre Notwendigkeit und ihre ökologische Verträglichkeit hin überprüft . Dementsprechend sieht der Entwurf der Fördergrundsätze Forst für die neue Förderperiode weiterhin die Bodenschutzkalkung als Fördertatbestand vor. Im Jahr 2014 werden voraussichtlich 5 462 ha Kalkungsfläche mit 851 617,00 Euro gefördert. Für das Jahr 2015 ist eine Fläche von 1 133 ha mit einer Förderung von 131 794,00 Euro geplant. Im GAK-Rahmenplan ist die Bodenschutzkalkung weiterhin Fördertatbestand. Eine Inanspruchnahme der Bundesmittel kann zukünftig nur im Rahmen der zur Verfügung stehenden Landesmittel erfolgen. Zur Frage 5 Grundsätzlich sind in humiden Gebieten alle Böden mehr oder weniger sauer (d. h. die pH-Werte sind geringer als pH < 7.0). Nur Böden mit Kalziumkarbonat als Bodenmineral (Kalkböden) haben eine so hohe Pufferkapazität, dass die pH-Werte über 7,0 gehalten werden. Das Problem ist die Zunahme der Versauerung durch Erschöpfung der Pufferkapazität und der damit verbundenen zusätzlichen Auswaschung von knappen Nährstoffen (Basen) in bereits natürlich sauren Böden durch starke anthropogen eingetragene Mineralsäuren. Durch historische intensive Nutzungen sind die meisten Waldböden in Rheinland-Pfalz bereits vorbelastet. Aber selbst in der Gruppe der Podsole, im Oberboden besonders saure Böden mit pH-Werten < 3,8 im Eisenpufferbereich, ändert sich die Bodendynamik durch die jüngeren anthropogenen Depositionen. Die Bodenbildung wird bei diesen Böden normalerweise durch starke organische Säuren angetrieben, die im Unterboden ausfallen. Heute überlagert der Eintrag starker Mineralsäuren diesen Prozess und verstärkt die Basenauswaschung wesentlich tiefer reichend. Die meisten Podsole sind anthropogen – z. B. durch Verheidung und Schiffelwirtschaft auf silikatarmen Standorten – entstanden. Biotope (Biotopkartierung) mit seltener acetophiler Vegetation, besonders Moore, aber auch Gewässerrandstreifen; Wachholderheiden oder bekannte kalkempfindliche Geotope etc. werden während der Kalkungseinsatzplanung in den Befliegungskarten dargestellt und von der Kalkung ausgenommen. Zu Frage 6: Landwirtschaftliche Flächen waren bzw. sind durch die anthropogenen Säureeinträge weniger belastet. Zum einen haben landwirtschaftliche Flächen nicht die Filterkapazität, mit der Wälder – speziell Nadelwälder – diese Depositionen aus der Luft filtern. Zum anderen ist es auf landwirtschaftlichen Flächen – anders als im Wald – üblich, mit turnusmäßigen Kalkungen die pH-Werte auf für die jeweilige Bewirtschaftung günstige pH-Werte einzustellen. Für den derzeit dominierenden Stickstoffeintrag in Wälder sind landwirtschaftliche Flächen zum Teil auch Quellen. Zurzeit wird auch auf landwirtschaftlichen Flächen eine bundesweite Bodenzustandserhebung im Muster der Waldboden-BZE durchgeführt. Zu Frage 7: Nachdem die Schwefeldioxidemission durch Rauchgasentschwefelung und andere Luftreinhaltemaßnahmen sehr wirksam reduziert worden ist, ist auch der Sulfatschwefeleintrag in den rheinland-pfälzischen Wäldern deutlich zurückgegangen. Auf den Stickstoffeintrag in den Waldboden hat sich die bislang erreichte Emissionsminderung bei Stickoxiden und Ammoniak demgegenüber nur sehr verhalten ausgewirkt. An der Mehrzahl der Messstationen des rheinland-pfälzischen Forstlichen Umweltmonitorings im Wald ist bislang kein signifikant abwärts gerichteter Trend der Stickstoffdeposition zu erkennen. 3 Drucksache 16/4356 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Die wichtigste Luftreinhaltemaßnahme in Bezug auf Versauerung und Eutrophierung der Waldökosysteme ist demnach eine Verringerung der Ammoniakemission aus der Landwirtschaft, insbesondere der Tierhaltung, gefolgt von einer weiteren Verringerung der Stickoxidemissionen aus Straßenverkehr und Feuerungsanlagen. In Vertretung: Dr. Thomas Griese Staatssekretär 4