Drucksache 16/4370 11. 12. 2014 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Bettina Dickes und Simone Huth-Haage (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen Aktuelle Diskussion zu Fragen der Sexualpädagogik in Kindertagesstätten und Schulen (DIE WELT vom 22. Oktober 2014 und die FAZ vom 24. Oktober 2014) Die Kleine Anfrage 2838 vom 20. November 2014 hat folgenden Wortlaut: Wir fragen die Landesregierung: 1. Wird in Rheinland-Pfalz in der Erzieherinnen- bzw. Lehrerbildung oder in der konkreten Arbeit in Kindertagesstätten und Schulen auf Lehrmeinungen der Sexualpädagogik Uwe Sielerts und Elisabeth Tuiders bzw. der Gesellschaft für Sexualpädagogik und auf zugehörige Werke wie z. B. „Sexualpädagogik der Vielfalt“ oder „Lisa und Jan“ zurückgegriffen? 2. Hält die Landesregierung Sexualaufklärung in Kindertagesstätten für altersgerecht und ent wicklungspsychologisch für angemessen ? 3. Ist es ein Lernziel der schulischen Sexualpädagogik in Rheinland-Pfalz, die „Hetero norma tivität“ der Gesellschaft aufzubrechen? 4. Ist es im Rahmen der Sexualaufklärung gewährleistet, dass während schulexterne Initia tiven, Vereine und Verbände in einer Klasse sind, immer auch der jeweilige Lehrer bzw. Erzieher anwesend ist? Das Ministerium für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 11. Dezember 2014 wie folgt beantwortet: Zu Frage 1: Die Sexualerziehung gehört gemäß § 1 Absatz 3 Schulgesetz (SchulG) zum Auftrag der Schule. Sie ist als Erziehung zu verantwortungsbewusstem geschlechtlichem Verhalten Teil der Gesamterziehung und soll Schülerinnen und Schüler zu menschlicher, sozialer und gleichberechtigter Partnerschaft befähigen. Nach § 25 Absatz 1 SchulG gestalten die Lehrkräfte Erziehung und Unterricht der Schülerinnen und Schüler frei und in eigener pädagogischer Verantwortung im Rahmen der für die Schule geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften, der Anordnungen der Schulaufsicht und der Beschlüsse der Konferenzen. Die für die Sexualerziehung im Unterricht gewählten Schwerpunkte sowie eingesetzten Materialien und Methoden müssen mit den Vorgaben der Richtlinie zur Sexualerziehung aus dem Jahr 2009 übereinstimmen. Konkrete Literaturhinweise sind in den Richtlinien nicht enthalten. Vor diesem Hintergrund prüft die jeweilige Lehrkraft, inwieweit Ansätze und konkrete Methoden zur Lerngruppe , das heißt zum Alter, zum Entwicklungsstand und zur Gruppenzusammensetzung passen. In der Lehrerfortbildungsreihe zur Sexualerziehung, die in Kooperation mit der Landeszentrale für Gesundheitsförderung auf Basis der Richtlinie zur Sexualerziehung angeboten wird, erfolgt eine kritische Methodenschulung anhand einer breiten Auswahl aus der gängigen Fachliteratur. Dabei werden u.a. auch Methoden aus dem Methodenbuch „Sexualpädagogik der Vielfalt“ von Timmermanns, Tuider kritisch reflektiert. In diesem Kontext wird deutlich hervorgehoben, dass Methodenvorschläge nicht rezeptartig umgesetzt werden können. Vielmehr müssen Auswahl und Anpassung der Methoden anhand der bestehenden Rahmenvorgaben , des Entwicklungsstands der Kinder und Jugendlichen sowie der Achtung der Persönlichkeitsrechte erfolgen. Im Bereich der Kindertagesstätten haben wir gemeinsam mit den Trägerorganisationen die Bildungs- und Erziehungsempfehlungen für Kindertagesstätten in Rheinland-Pfalz entwickelt. Diese stellen die Grundlage der Arbeit in rheinland-pfälzischen Kindertages- Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 19. Januar 2015 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/4370 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode stätten dar. Ausgestaltung und Schwerpunktsetzungen sind Angelegenheit des Trägers. Dies gilt auch für den Bereich der Sexualerziehung . In den Empfehlungen wurde dem Thema „Körper, Gesundheit, Sexualität“ ein eigenes Kapitel gewidmet. Hier heißt es: „Kinder haben ein natürliches Interesse am eigenen Körper. Sie sind von Geburt an sexuelle Wesen mit eigenen sexuellen Bedürfnissen und Wünschen. Im liebevollen Umgang mit dem eigenen Körper entwickeln sie ein bejahendes Körpergefühl.“ Als Ziel ist in den Empfehlungen formuliert, dass Kinder Verantwortung für den eigenen Körper entwickeln und in der Ausbildung eines guten Körpergefühls gestärkt werden. Es geht also vor allem um eine Auseinandersetzung mit sich und dem eigenen Körper, weniger um Sexualaufklärung. Insofern halte ich eine Orientierung an Veröffentlichungen von Uwe Sielert und Elisabeth Tuider für sehr unwahrscheinlich. Fortbildner und Fortbildnerinnen, die vom Land geförderte Fortbildungen durchführen, verpflichten sich, sich an den Bildungs- und Erziehungsempfehlungen zu orientieren. Die neu formulierten Förderkriterien bieten zahlreiche Möglichkeiten, das Thema in Fortbildungen für Erzieherinnen und Erzieher aufzugreifen. Zu Frage 2: Sexualität ist bereits im Kindergartenalter Thema. Das Interesse am und die Neugier auf den eigenen Körper entsteht. Ausgangspunkt der pädagogischen Arbeit in Kindertagesstätten ist das einzelne Kind, seine individuelle Entwicklung und seine aktuellen Themen. Wenn Sexualität und die Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper für die Kinder in der Kindertagesstätte zum Thema wird, sollte es auch in der Kindertagesstätte entsprechend Raum erhalten. Den Begriff Sexualaufklärung würde ich an dieser Stelle für zu weitreichend halten. Im Hinblick auf die Darstellung in den Artikeln, die Anlass für die Anfrage sind, ist die Unterscheidung zwischen Sexualaufklärung und Antidiskriminierungs- und Akzeptanzarbeit wie sie z. B. im Rahmen des Projektes SchLAu oder durch den so genannten Kita-Koffer*) vorgenommen wird, notwendig. Dies sind beides Beispiele für Antidiskriminierungs- und Akzeptanzarbeit, nicht aber für Sexualaufklärung. Zu Frage 3: Schule muss sich mit der in der Gesellschaft vorhandenen Pluralität und Diversität auseinandersetzen. Diese Vielfalt erfasst verschiedene Aspekte der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen, u. a. sexuelle Orientierungen und Geschlechtsidentitäten, ethische, kulturelle und religiöse Überzeugungen sowie Erfahrungen mit und Einstellungen zu Sexualität und Beziehungen. Zu Frage 4: Werden außerschulische Fachkräfte für einzelne Themenbereiche in die Arbeit eingebunden, ist im Vorfeld zu klären, ob Inhalte und Akzentsetzungen mit den Zielen schulischer Sexualerziehung übereinstimmen und ob die geplanten Methoden kompatibel sind mit den schulischen Vorgaben und Rahmenbedingungen. Externe Fachkräfte ergänzen und unterstützen die schulische Sexualerziehung . Die Verantwortung für eine Maßnahme, die von der Schule angeboten wird, trägt immer die Schule beziehungsweise die einzelne Lehrkraft. Irene Alt Staatsministerin *) Inhaltliche Schwerpunkte des Koffers bilden die Themen Vielfalt der Familienformen, der Umgang mit Geschlechterrollen sowie die Wertschätzung individueller Unterschiede. Konkret geht es dabei um Familien mit Vater, Mutter und Kindern, Kindern von Alleinerziehenden, Kindern aus Patchworkfamilien, Kindern, die zur Pflege in einer Familie leben oder adoptiert wurden, Kinder, die zwei Mütter oder zwei Väter haben, Familien , die generationenübergreifend mit Großeltern zusammen leben, Familien bei denen Angehörige eine Behinderung haben oder Familien mit Migrationshintergrund. Da zum Thema Regenbogenfamilien (schwule und lesbische Paare mit Kindern) geeignete pädagogische Materialien in der Regel noch nicht in Kindertageseinrichtungen vorhanden sind, findet dieser Aspekt familiärer Vielfalt im Kita-Koffer entsprechende Berücksichtigung .